Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Ist bei Ehegatten, die zusammen zur Vermögensabgabe veranlagt sind, der Abgabebescheid nur gegen den Ehemann gerichtet, so kann die Ehefrau gemäß § 238 Satz 1 AO kein Rechtsmittel einlegen, sondern nur gemäß § 241 Abs. 2 AO als Beteiligte zugezogen werden. Ist dies nicht geschehen, so hat die Ehefrau im Falle ihrer Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid die Möglichkeit gemäß § 119 Abs. 1 AO ihrerseits Rechtsmittel gegen diesen Bescheid einzulegen und uneingeschränkt alle Einwendungen gegen die Abgabeschuld vorzubringen, auch soweit sie der Ehemann in seinem Rechtsmittelverfahren schon erhoben hat.

Ehegatten, die zusammen zur Vermögensabgabe veranlagt sind, steht unter den Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 LAG der Freibetrag nur einmal zu.

 

Normenkette

AO §§ 238, 231; FGO § 40/2; AO §§ 241, 119; LAG § 29 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist durch Bescheid vom 14. Juni 1955 zur Vermögensabgabe herangezogen worden. Der Festsetzung der Vermögensabgabe ist das zusammengerechnete Vermögen des Bf. und seiner Ehefrau mit 52.800 DM zugrunde gelegt und demzufolge kein Freibetrag abgezogen. Der Abgabebescheid ist lediglich an den Bf. gerichtet worden. Gegen den Abgabebescheid haben der Bf. und seine Ehefrau Sprungberufung mit dem Antrag eingelegt, für jeden Ehegatten den Freibetrag von 5.000 DM gemäß § 29 Abs. 1 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) zu gewähren. Das Finanzgericht hat die Sprungberufung des Bf. als unbegründet zurückgewiesen. Gegen das Urteil des Finanzgerichts hat der Bf. - zugleich im Namen seiner Frau - Rechtsbeschwerde (Rb.) eingelegt. Er hat Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und, wie in der Vorinstanz, die Zubilligung von zwei Freibeträgen von je 5.000 DM beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Verfahrensrechtlich ist zunächst hinsichtlich der Frage der Rechtsmitteleinlegung durch die Ehefrau des Bf. das Folgende zu bemerken. Der Abgabebescheid ist nur gegen den Bf. ergangen (nur an ihn gerichtet). Infolgedessen steht der Ehefrau des Bf. gegen diesen Bescheid ein Rechtsmittel nicht zu (ß 238 der Reichsabgabenordnung - AO -). Das Finanzgericht hätte sie mit Rücksicht auf ihre sich aus § 38 LAG in Verbindung mit § 7 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) ergebende gesamtschuldnerische Haftung für die Vermögensabgabe lediglich als Beteiligte zuziehen können (ß 241 Abs. 2 AO). Da das Finanzgericht dies nicht getan hat, konnte es sein Urteil auch nur, wie geschehen, gegen den Bf. mit der Folge richten, daß es gegenüber der Ehefrau des Bf. keine Wirkung hat und demnach nicht von ihr mit Rb. angegriffen werden kann. Die Ehefrau des Bf. hat vielmehr, falls das Finanzamt sie im Wege eines Haftungsbescheids für die Vermögensabgabe in Anspruch nehmen sollte, gemäß § 119 Abs. 1 AO ihrerseits die Möglichkeit zur Einlegung von Rechtsmitteln (Einspruch, Berufung, Rb.) gegen diesen Haftungsbescheid, mit denen sie uneingeschränkt alle Einwendungen gegen die Abgabeschuld vorbringen kann, auch soweit sie der Bf. in seinem Rechtsmittelverfahren schon erhoben hat. Mit Rücksicht auf die Wirkungslosigkeit des angefochtenen Urteils gegenüber der Ehefrau des Bf. ist die von ihm für sie erhobene Rb. - ebenso wie die Berufung - als nicht eingelegt anzusehen, weil zugunsten des Bf. unterstellt werden muß, daß er kein unzulässiges Rechtsmittel hat einlegen wollen.

Die Rb. ist nicht begründet. Es trifft nicht zu, daß das Finanzgericht sowohl den § 29 LAG unrichtig ausgelegt als auch mit der Versagung der zwei Freibeträge für die zusammenveranlagten Ehegatten das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland außer acht gelassen habe. § 29 Abs. 1 LAG bestimmt, daß bei unbeschränkt abgabepflichtigen natürlichen Personen das der Abgabe unterliegende abgerundete Vermögen für die Berechnung der Vermögensabgabe um einen Freibetrag zu mindern ist, wenn es weniger als 35.000 DM beträgt. Das der Abgabe unterliegende Vermögen ist aber bei Ehegatten, die nach dem Stande vom 21. Juni 1948 unbeschränkt abgabepflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, die infolgedessen also gemäß § 38 LAG zusammen veranlagt werden, gemäß §§ 21, 22 LAG das zusammengerechnete Vermögen der Ehegatten. Nur von diesem zusammengerechneten Vermögen, nicht aber jeweils von dem auf den einzelnen Ehegatten entfallenden Anteil an diesem zusammengerechneten Vermögen ist also nach dem klaren Wortlaut des § 29 Abs. 1 LAG der Freibetrag abzuziehen. Der Wortlaut "bei unbeschränkt abgabepflichtigen natürlichen Personen" deckt sowohl den Fall der jeweils selbständig für sich als der zusammen veranlagten Ehegatten. Auch das Schrifttum ist einhellig der Meinung, daß bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Vermögensabgabe der Freibetrag des § 29 Abs. 1 LAG unter den in dieser Bestimmung niedergelegten Voraussetzungen nur einmal zu gewähren ist (Hopf-Littmann, Lastenausgleich, 2. Auflage 1954, Anmerkung 1 d zu § 22, Anmerkung 2 Abs. 3 zu §§ 29 bis 33, Anmerkung 3 zu § 38; Kühne-Wolff, Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, Ausgabe A, Anmerkung 4 zu § 29; Schulze-Brachmann-Meilicke-Georgi, Anmerkung 1 zu § 22). Unerfindlich ist, gegen welche Bestimmung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland diese Regelung durch § 29 LAG verstoßen soll. Es gibt keine Vorschrift des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, die dazu zwänge, bei einer Zusammenrechnung des Vermögens von Ehegatten für jeden Ehegatten einen Freibetrag zu gewähren. Das vom Bf. in diesem Zusammenhang angeführte, zur Einkommensteuer ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs IV 83/52 U vom 29. Mai 1952 (Slg. Bd. 56 S. 500, Bundessteuerblatt 1952 III S. 194) besagt für den vom Bf. behaupteten Verfassungsverstoß gar nichts.

Hiernach war die Rb. zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 307 ff. AO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408642

BStBl III 1957, 23

BFHE 64, 62

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