Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflichtung des Erbbauberechtigten zur Restaurierung des Gebäudes

 

Leitsatz (NV)

Die vom Erbbauberechtigten im Vertrag über die Bestellung des Erbbaurechts gegenüber dem Grundstückseigentümer eingegangene Verpflichtung zur Restaurierung des auf dem Grundstück vorhandenen Gebäudes kann Gegenleistung für die Einräumung des Erbbaurechts sein, wenn sie im Interesse des Grundstückseigentümers liegt, über die normale und übliche Erhaltungspflicht hinausgeht und die sonstigen Vertragsbedingungen dazu führen, daß das Gebäude später in renoviertem Zustand wieder auf den Grundstückseigentümer übergeht.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Durch notariell beurkundeten Vertrag bestellte die Stadt X dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) für die Dauer von 50 Jahren ein Erbbaurecht an einem ihr gehörenden bebauten Grundstück. Nach dem Vertragstext wurde das Erbbaurecht bestellt zur ausschließlichen Nutzung des Gebäudes durch den Kläger und zur Erhaltung der denkmalgeschützten Aufbauten. Der Erbbauberechtigte war verpflichtet, die auf dem Erbbaugrundstück errichteten denkmalgeschützten Aufbauten nebst Zubehör stets in gutem baulichen Zustand zu erhalten sowie die zu diesem Zweck erforderlichen Ausbesserungen und Erneuerungen vorzunehmen. Der Erbbauberechtigte verpflichtete sich, die Fassade der Aufbauten in artgleichem Material von einer hierzu geeigneten Firma fachgerecht restaurieren zu lassen. Hierbei durfte das Erscheinungsbild nicht verändert werden. Alle Baumaßnahmen an der Fassade und im Inneren des Gebäudes sollten erst nach Abstimmung mit der unteren Denkmalbehörde begonnen werden dürfen. Der jährliche Erbbauzins betrug 1 DM. Bei dem Erbbauzins sollte es sich um einen symbolischen Erbbauzins unter Berücksichtigung des Restaurierungs-, Unterhaltungs- und Verwendungszwecks durch den Erbbau berechtigten handeln. Falls das Erbbaugrundstück anders oder weitergehend als vereinbart genutzt würde oder der Erbbauberechtigte seinen Verpflichtungen aus diesem Vertrag nicht nachkäme, war die Grundstückseigentümerin berechtigt, einen angemessenen Erbbauzins zu verlangen. Dem Erbbauberechtigten wurde das Recht auf eine Verlängerung des Erbbaurechtsvertrags um 20 Jahre eingeräumt unter der Voraussetzung, daß kommunalpolitische und städtebauliche Belange der Grundstückseigentümerin dies zu gegebener Zeit erlaubten.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) schätzte die Renovierungskosten, die nach dem Erbbaurechtsvertrag dem Kläger oblagen, auf ... DM. Er sah diese als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer an und setzte durch Bescheid vom 29. Mai 1989 gegen den Kläger Grunderwerbsteuer fest. Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser wurde im wesentlichen geltend gemacht, daß keine Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne vorliege. Da das Gebäude als denkmalgeschütztes Objekt ständig Erhaltungsaufwendungen verursache, sei davon auszugehen, daß die Erhaltungsverpflichtung jeden Benutzer treffe. Ohne die an dem historischen Objekt ständig vorzunehmenden und erforderlichen Reparaturen seien ordnungsgemäße Nutzungen nicht möglich, so daß der Erhaltungsaufwand lediglich dem Erbbauberechtigten selbst zugute komme. Nach Auskunft der unteren Denkmalbehörde überhole sich eine einmal durchgeführte Fassadenrenovierung im Laufe von spätestens 50 Jahren.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid sowie die diesen bestätigende Einspruchsentscheidung aufgehoben. In der Übernahme der Verpflichtung zur Renovierung der Fassade und anderer Gebäudeteile sei keine Gegenleistung i. S. von § 8 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 zu sehen. Nach dem Denkmalschutzgesetz hätten der Eigentümer und die sonstigen Nutzungsberechtigten die Denkmäler instand zu halten, instand zu setzen, sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdung zu schützen, soweit ihnen dies zumutbar sei. Daraus ergebe sich, daß die Instandhaltungsverpflichtung ganz allgemein denjenigen treffe, der ein Denkmal nutze. Der Kläger habe damit nicht nur eine Verpflichtung übernommen, die ausschließlich die Stadt X als Grundstückseigentümerin treffe. Die Instandhaltung habe auch nicht zivilrechtlich ausschließlich der Grundstückseigentümerin und nicht dem Erbbauberechtigten oblegen. Zivilrechtlich sei nämlich weder der Grundstückseigentümer noch der Erbbauberechtigte ausschließlich zur Instandhaltung verpflichtet. Die Renovierung komme dem Kläger als Nutzer des Gebäudes unmittelbar selber zugute. Die Renovierungsverpflichtung könne nur dann zur Gegenleistung gerechnet werden, wenn die untere Denkmalbehörde die Grundstückseigentümerin bereits zur Instandhaltung aufgefordert gehabt hätte und diese ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen wäre und der Erwerber den Veräußerer des Grundstücks von einer so konkretisierten Verpflichtung freigestellt habe. Das FG ließ offen, ob die Gegenleistung für die Einräumung des Erbbaurechts ... DM betrage oder ob nicht die Bestellung des Erbbaurechts nach § 3 Nr. 2 GrEStG 1983 unentgeltlich, d. h. schenkweise, erfolgt sei. In beiden Fällen sei der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid aufzuheben.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts (fehlerhafte Anwendung von § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 GrEStG 1983).

Das FA beantragte zunächst, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des FG die Klage abzuweisen. In der mündlichen Verhandlung hat das FA im Hinblick auf den vorangegangenen Gerichtsbescheid seinen Antrag dahingehend eingeschränkt, daß es nunmehr die Festsetzung der Steuer nach dem (indizierten) Einheitswert des Grundstückes und die Zurückverweisung der Sache an das FG begehrt, damit dieses die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen treffe.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Unzutreffend ist das FG davon ausgegangen, die vom Kläger übernommene Pflicht zur Restaurierung der Aufbauten stelle als ihm zugute kommend keine Gegenleistung für die Einräumung des Erbbaurechts dar. Seine Entscheidung ist deshalb aufzuheben.

Nach § 8 Abs. 1 GrEStG 1983 bemißt sich die Grunderwerbsteuer regelmäßig nach dem Wert der Gegenleistung. Als Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn gilt jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Senatsurteil vom 7. Dezember 1994 II R 9/92, BFHE 176, 456, BStBl II 1995, 268 m. w. N.). Da begrifflich nur solche Leistungsverpflichtungen des Erwerbers Gegenleistung sein können, die er dem Veräußerer (oder einem Dritten) um des Grundstückserwerbs willen zu erbringen hat, kann die vertraglich dem Veräußerer gegenüber eingegangene Verpflichtung zu einer nur dem Erwerber selbst zugute kommenden Leistung nicht Gegenleistung sein (so schon Urteil des Reichsfinanzhofs vom 23. September 1931 II A 372/31, RStBl 1931, 853, sowie Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs vom 23. August 1949 II 10/49, RFHE 54, 392).

Die dem Kläger als Erbbauberechtigten in § 3 Nr. 4 des Vertrages auferlegte Restaurierungsverpflichtung, die im städtischen Interesse liegt, stellt Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne und nicht bloß eigennützige Erwerbsverpflichtung dar; sie geht über die normale und übliche Erhaltungs- bzw. Bewahrungspflicht hinaus, die jeden Eigentümer eines denkmalgeschützten Objekts trifft. Daß es sich nicht nur um eine eigennützige Verpflichtung des Erwerbers handelt, kommt auch darin zum Ausdruck, daß aufgrund der dem Kläger weiter auferlegten Verpflichtung zur Instandhaltung der Aufbauten einschließlich der Vornahme von Ausbesserungen und Erneuerungen das Gebäude in dem von der Stadt gewünschten (restaurierten) Zustand erhalten bleiben und später in diesem Zustand wieder auf die Stadt übergehen soll.

Die Gegenleistung ist daher nach dem Wert der vom Kläger übernommenen Restaurierungsverpflichtung zu bemessen (§ 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983).

Nicht zur Gegenleistung zu rechnen ist -- was das FG offengelassen hat -- der von den Vertragsparteien vereinbarte Erbbauzins von jährlich einer Deutschen Mark. Insoweit handelt es sich nicht um eine ernsthaft vereinbarte Leistung; diesem Erbbauzins kommt lediglich -- wie auch im Vertrag ausdrücklich klargestellt -- symbolischer Charakter zu.

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat -- ausgehend von seiner Rechtsauffassung -- keine Feststellungen getroffen, die es dem Senat ermöglichten, den Wert der Gegenleistung selbst zu bestimmen. Die Sache ist daher an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Bei seiner Entscheidung wird das FG zu berücksichtigen haben, daß aufgrund der Einschränkung des Revisionsantrags des FA in der mündlichen Verhandlung die grundsätzlich nach dem Wert der Gegenleistung zu bemessende Grunderwerbsteuer im Ergebnis nicht höher sein darf, als wenn sie nach dem -- ebenfalls noch festzustellenden -- Wert des Grundstücks (§ 8 Abs. 2, § 10 GrEStG 1983) zu bemessen wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421160

BFH/NV 1996, 578

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