Leitsatz (amtlich)

Bei der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich bestehen die Anschaffungskosten eines Bezugsrechts auf eine junge Aktie aus einem nach der Gesamtwertmethode zu errechnenden und abzuspaltenden Teil der Anschaffungskosten (Buchwert) der für das Bezugsrecht notwendigen Altaktien.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 6 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Tatbestand

Streitig ist im Revisionsverfahren nur noch die Bewertung von Bezugsrechten auf junge Aktien.

1. Die Revisionsklägerin, eine in der Rechtsform einer KG betriebene Bank (KG), bezog im Streitjahr 1955 anläßlich einer Kapitalerhöhung aus einem Bestand von Aktien im Verhältnis 4 : 1 junge Vorzugsaktien. Sie errechnete nach der sogenannten Gesamtwertmethode für das Bezugsrecht einen Buchwertanteil. Um diesen Betrag verminderte sie in der Bilanz zum 31. Dezember 1955 den Buchwert der alten Aktien, während sie die Anschaffungskosten der jungen Aktien entsprechend erhöhte.

Das FA folgte dieser Auffassung nicht. Es machte die Verminderung des Wertansatzes der Altaktien rückgängig und ermäßigte entsprechend den Bilanzsansatz für die am Bilanzstichtag noch vorhandenen jungen Aktien. Dadurch, daß ein Teil der jungen Aktien verkauft war und nunmehr die um den Wert des Bezugsrechts geminderten Anschaffungskosten der jungen Aktien bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns zugrunde gelegt wurden, trat eine Gewinnerhöhung ein.

2. Zwischen der KG und einer AG bestand ein steuerlich anerkannter Ergebnisabführungsvertrag. Die AG besaß ebenfalls Aktien der das Kapital erhöhenden AG. Sie nutzte ihre Bezugsrechte nicht aus, sondern veräußerte sie. Den Erlös kürzte sie um einen anteiligen Buchwert für die Bezugsrechte. Den Rest führte sie an die KG ab. Das FA setzte dem abgeführten Gewinn den Bezugsrechtsabschlag hinzu.

Die Sprungklage der KG blieb ohne Erfolg. Das FG führte aus, durch die Ausgabe junger Aktien ändere sich an den Anschaffungskosten für die alten Aktien nichts. Es ändere sich auch nichts an der nominalen Beteiligung, weil die Aktien auf einen bestimmten Betrag, nicht auf einen Bruchteil am Grundkapital lauteten. Der Umstand, daß sich bei der Ausgabe der jungen Aktien der Kurs der alten Aktien zunächst mindere, weil in diesen der Wert der Bezugsrechte enthalten gewesen sei, sei für die Bewertung unbeachtlich; denn Schwankungen im Kurs, sei es nach oben in Erwartung des Bezugsrechts oder nach unten wegen des Bezugsrechtsabschlags, änderten nichts an den ursprünglichen Anschaffungskosten. Deshalb könne eine Abschreibung vom Buchwert der alten Aktien erst dann vorgenommen werden, wenn der Kurs der alten Aktien unter den Buchwert gesunken sei. Das sei hier nicht der Fall. Der Wert des Bezugsrechts gehöre nicht zu den Anschaffungskosten der jungen Aktien. Die Erhöhung der Anschaffungskosten der jungen Aktien um den Wert des Bezugsrechts käme einer Übertragung eines im Buchwert der alten Aktien nicht zum Ausdruck gekommenen Wertzuwachses auf die jungen Aktien gleich. Die Übertragung solcher stiller Reserven sehe das Gesetz nicht vor.

Mit der Revision beantragt die KG weiterhin, den Gewinn zu ermäßigen.

Der BdF hat in einem dieselben Fragen betreffenden Verfahren seinen Beitritt erklärt. Er hat dort nach Anhörung der Deutschen Bundesbank, des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V., des Bundesverbandes des privaten Bankgewerbes e. V. und des Deutschen Industrie- und Handelstages ausgeführt, das Bezugsrecht als ein aus der alten Aktie fließendes Mitgliedschaftsrecht hafte der alten Aktie seit deren Entstehung an. Mit dem Kapitalerhöhungsbeschluß werde es verselbständigt. Übe der Aktionär sein Bezugsrecht selbst aus oder veräußere er es, so werde es von der alten Aktie losgelöst oder abgespalten. Es vermindere sich also mit der Verselbständigung des Bezugsrechts nicht bloß der Wert der alten Aktie, sondern es vermindere sich auch die Substanz, weil ein Teil des in ihr verkörperten Bündels von Rechten von ihr getrennt werde. Da die junge Aktie regelmäßig zu einem unter dem Wert der alten Aktie liegenden Einlagebetrag ausgegeben würde, gehe bei gleicher Ausstattung der alten und der jungen Aktie ein Teil des in der Altaktie repräsentierten Anteilsrechts am Gesamtvermögen auf die junge Aktie über. Diese Substanzminderung der alten Aktie, die durch die Abspaltung des Bezugsrechts eingetreten sei, führe nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung zu einer Verringerung des Buchansatzes der alten Aktie, und zwar um den Betrag, der dem Anteil des abgespaltenen Bezugsrechts an dem bisherigen Buchwert der alten Aktie entspreche. Die Berechnung des Buchwertanteils habe nach jetzt herrschender Ansicht nach der sogenannten Gesamtwertmethode zu erfolgen, die die folgende Formel verwende:

Buchwertanteil Bezugsrecht =

Buchwert Altaktie x Börsenkurs Bezugsrecht

Börsenkurs Altaktie vor Kapitalerhöhung

Nach Ausübung des Bezugsrechts seien die jungen Aktien grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten zu bilanzieren (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Diese setzten sich zusammen aus dem gezahlten Einlagebetrag (= Bezugskurs der jungen Aktie) und dem abgespaltenen Buchwert der für den Erwerb der neuen Aktie erforderlichen Bezugsrechte. Die Buchwerte der Altaktien seien um den auf das Bezugsrecht entfallenden Abschlag zu vermindern. Der Kaufmann sei nicht gezwungen, einen aus dem Buchwert der alten Aktien und den Anschaffungskosten der neuen Aktien gebildeten neuen Durchschnittswert alter und neuer Aktien zu bilden. Falls sich die Aktien in Sammelverwahrung befänden, müsse allerdings, wenn man dem Urteil des I. Senats des BFH I 95/63 vom 15. Februar 1966 (BFH 85, 171, BStBl III 1966, 274) folge, ein Durchschnittsbuchwert ermittelt werden. Das gelte aber nicht, solange alte und junge Aktien unterschiedlich ausgestattet seien (z. B. hinsichtlich der Dividendenberechtigung), so daß auch nach außen sichtbar sei, daß es sich um verschiedene Wertpapiere handele.

Die obengenannten Stellen und Verbände teilen die vom BdF vertretene Ansicht.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision der KG führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das FG.

Die Bewertung der Bezugsrechte durch die KG ist im Gegensatz zur Ansicht des FA und des FG nicht zu beanstanden.

1. Eine Aktie enthält ein Bündel von Mitgliedschaftsrechten, insbesondere das Recht auf einen Anteil am Gewinn und das Stimmrecht. Nach § 153 Abs. 1 AktG a. F. und § 186 Abs. 1 AktG n. F. gehört dazu auch das Recht, bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlage einen Teil der neuen Aktien zugeteilt zu bekommen (Bezugsrecht). Durch den Beschluß, das Kapital zu erhöhen und in entsprechendem Umfang neue Aktien auszugeben, wird die Zahl der am Vermögen, am Gewinn und an den inzwischen gebildeten Reserven beteiligten Anteilsrechte erhöht. Werden die neuen Aktien, wie das die Regel ist, unter dem den inneren Wert der Aktien verkörpernden Kurswert der alten Aktien ausgegeben, so erwirbt der Inhaber der neuen Aktien, die diesen entsprechend dem Nennwert der neuen Aktien gleichberechtigt an der Aktiengesellschaft beteiligen, auch einen Anteil an den stillen Reserven, der in derselben Höhe aus der Substanz der alten Aktie ausscheidet. Sind die neuen Aktien nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen, so erwirbt der Neuerwerber unabhängig vom Bezugskurs der neuen Aktie sogar die gleichen Stimmrechte wie die Altaktionäre, so daß sich das Gewicht der Stimmen verschiebt, die alten Aktien also ebenfalls an Substanz einbüßen.

Das den alten Aktionären im Verhältnis ihrer bisherigen nominellen Beteiligung gewährte Bezugsrecht soll die Aktionäre in die Lage setzen, ihre alten Rechte im alten Umfange aufrechtzuerhalten. Demgemäß verkörpert das Bezugsrecht, sobald es durch den Kapitalerhöhungsbeschluß konkretisiert ist, einen eigenen, unterscheidbaren und selbständig bewertbaren Gegenstand, der neben die alte Aktie tritt. Deshalb wird das Bezugsrecht an der Börse gesondert notiert und gehandelt.

Für die Beurteilung der Selbständigkeit der Bezugsrechte spielt es keine Rolle, welchen Börsenkurs das Bezugsrecht und die alte Aktie haben, und ob sich der Börsenkurs der Altaktie wegen der Abspaltung des Bezugsrechts vermindert oder, wie es nach Auskunft der vom BdF gehörten Stellen in Zeiten des Konjunkturaufschwungs der Fall sein kann, sogar erhöht hat. Entscheidend ist allein, daß die alte Aktie an Substanz verliert und ein Teil des Wirtschaftsguts "Aktie" aus ihm ausscheidet. Mit der teilweise in die Diskussion eingeführten Frage einer Teilwertabschreibung hat das nichts zu tun; denn bei der Teilwertabschreibung wird davon ausgegangen, daß das Wirtschaftsgut identisch bleibt, aber an Wert verliert. Mit Recht weist das Institut der Wirtschaftsprüfer darauf hin, daß der Gesetzgeber ebenfalls von einer Abspaltung eines Teils eines Wirtschaftsguts und damit eines Teils der Buchwerte ausgegangen ist, indem er in § 3 des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer vom 30. Dezember 1959 (BGBl I 1959, 834) in der Fassung des Gesetzes vom 2. November 1961 (BGBl I 1961, 1918), in § 17 des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung vom 23. Dezember 1959 (BGBl I 1959, 789) und in § 220 AktG n. F. für den Fall der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln bestimmt hat, daß die Anschaffungskosten der alten Aktien auf die alten und neuen Aktien nach dem Verhältnis der Nennbeträge zu verteilen sind.

Diese sogenannte Abspaltungstheorie, die schon in dem Urteil des RFH I Aa 591/29 vom 2. Juli 1930 (RStBl 1930, 762) ihren Niederschlag fand, wird heute fast einhellig im handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Schrifttum vertreten (vgl. z. B. Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 3. Aufl., S. 401; Börnstein, Die steuerliche Bewertung des Aktienbezugsrechts und die Auswirkung der Kapitalerhöhung auf den Buchwert der alten Aktie, Deutsches Steuerrecht 1962/63 S. 162; Brönner, Die steuerliche Behandlung von Bezugsrechten auf junge Aktien, Die Wirtschaftsprüfung 1960 S. 354; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 6 EStG, Anm. 80a; Wetter, Bewertung von Bezugsrechten und jungen Aktien, Der Betrieb 1962 S. 515). Auch die FG Bremen (EFG 1964, 433) und Baden-Württemberg (EFG 1967, 370) haben sich dieser Auffassung angeschlossen. Der VI. Senat des BFH hat in dem zu § 23 EStG ergangenen, die Veräußerung von jungen Aktien betreffenden Urteil VI 144/64 vom 12. April 1967 (BFH 89, 120, BStBl III 1967, 554) ebenfalls die Ansicht vertreten, daß das Bezugsrecht ein von der Substanz der alten Aktie abgespaltenes Recht ist. Eine gegenteilige Ansicht haben außer dem FG München in dem angefochtenen Urteil z. B. Horn, Der Betrieb 1954 S. 805, und Stegmaier, Finanzrundschau 1955 S. 150, geäußert.

2. Entfällt somit ein Teil der in der alten Aktie verkörperten, auch die künftige Gestaltung umfassenden Gesellschafterrechte auf das aus ihr hervorgegangene Bezugsrecht, so ist es folgerichtig, dem Bezugsrecht auch einen Teil der Kosten als Anschaffungskosten zuzuordnen, die für den Erwerb der Altaktie aufgewendet werden mußten, und den Buchwert der Altaktie um denselben Betrag zu vermindern, so wie es auch in der oben Ziff. 1 näher bezeichneten neueren Gesetzgebung für Gratisaktien bestimmt ist.

Dieser Ansicht steht das erwähnte, die Besteuerung eines Spekulationsgewinns (§ 23 EStG) betreffende Urteil des VI. Senats des BFH VI 144/64 nicht entgegen. Dort wurde zwar beim Verkauf von jungen Aktien, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehörten, angenommen, der Anschaffungspreis der jungen Aktien setze sich zusammen aus dem Bezugspreis und dem Kurs des Bezugsrechts am ersten Handelstag. Doch beschränkte sich die Entscheidung auf den Fall, daß die gesetzliche Spekulationsfrist für die alten Aktien z. Z. des Verkaufs der jungen Aktien bereits abgelaufen war. Hätte der VI. Senat in einem solchen Falle nur die Buchwertanteile der Bezugsrechte in die Anschaffungskosten der jungen Aktien einbezogen, so wären bei dem dann höheren Veräußerungsgewinn außerhalb der Spekulationsfrist entstandene stille Reserven der Besteuerung unterworfen worden, die nach dem in § 23 EStG eindeutig zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers steuerfrei bleiben sollten. Diese Erwägungen spielen aber in den Fällen keine Rolle, in denen die alte Aktie zu einem Betriebsvermögen gehört und die stillen Reserven unabhängig von einer Frist bei ihrer Realisierung versteuert werden müssen. Der VI. Senat ließ daher die Frage ausdrücklich offen, was als Anschaffungskosten des Bezugsrechts anzusehen wäre, wenn die jungen Aktien noch innerhalb der vom Erwerb der alten Aktien an gerechneten Spekulationsfrist erworben und verkauft worden wären.

3. Dazu, wie der auf das Bezugsrecht entfallende Anteil an den Anschaffungskosten der alten Aktie (Buchwert) zu ermitteln sei, werden vier Theorien vertreten (vgl. die Darstellung bei Börnstein, a. a. O.):

Nach dem Durchschnittsbewertungsverfahren ist die Summe der Buchwerte der für den Erwerb einer neuen Aktie erforderlichen alten Aktien und des Bezugskurses (Ausgabekurses) für eine neue Aktie auf diese alten Aktien und die neue Aktie nach dem Verhältnis der Nominalbeträge zu verteilen. Man erhält dann die Buchwerte alter und neuer Aktien, die bei gleichhohen Nominalbeträgen gleichhoch sind. Der Buchwert des vom Buchwert einer Altaktie abgespaltenen Bezugsrechts ergibt sich dann aus dem Vergleich des alten und des neuen Buchwerts der Altaktie.

Diese Methode befürworten z. B. Kaase, Die Aktie 1959 S. 48 und Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 8. Aufl., Randnummer 287 zu § 6.

Beim Gesamtwertverfahren wird das Verhältnis des Börsenkurses des Bezugsrechts zum Börsenkurs der alten Aktie auf das Verhältnis der Buchwerte übertragen. Der zu ermittelnde Buchwertanteil des Bezugsrechts verhält sich zu dem bisherigen Buchwert der Altaktie wie der Börsenkurs des Bezugsrechts zum Börsenkurs der Altaktie unmittelbar vor der Kapitalerhöhung.

Diese Methode wenden z. B. an das FG Baden-Württemberg, a. a. O.; Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, § 17 Anm. 3b; Börnstein, Deutsches Steuerrecht, a. a. O. Auch der BdF und die von ihm befragten Organisationen und Verbände befürworten sie.

Das Mehrwertverfahren unterscheidet sich von der Gesamtwertmethode dadurch, daß es vom Kurs und vom Buchwert der Altaktie jeweils den Nennbetrag abzieht und es so vermeidet, daß der Buchwert der Altaktie unter den Nennwert absinkt. Die Mehrwertmethode wurde von Baier, Deutsche Steuer-Zeitung 1942 S. 25, vertreten, der sie inzwischen zugunsten der folgenden vierten Methode aufgegeben hat.

Beim eingeschränkten Durchschnittsbewertungsverfahren wird der Buchwertanteil des Bezugsrechts durch das Verhältnis des Buchwerts der Altaktie abzüglich des Ausgabewerts der jungen Aktie zu dem Bezugsverhältnis + 1 ermittelt. Die Methode empfiehlt jetzt Baier, Die steuerliche Betriebsprüfung 1962 S. 178.

Der Senat entscheidet sich für die von der herrschenden Meinung vertretene und in der handelsrechtlichen Praxis für richtig gehaltene Gesamtwertmethode. Gegen das Durchschnittsbewertungsverfahren bestehen auch in seiner abgewandelten eingeschränkten Form Bedenken, weil bei der Ermittlung eines Durchschnittswerts für die alten und die neuen Aktien der Grundsatz der Einzelbewertung nicht ausreichend beachtet und u. U. auch gegen das Niederstwertprinzip verstoßen wird. Den Hinweis von Kaase darauf, daß bei der Ausgabe von Freiaktien die Anschaffungskosten der alten Aktien auf diese und auf die Freiaktien nach dem Verhältnis der Nennbeträge aufzuteilen und die Bezugsrechte auf Freiaktien und auf junge Aktien gegen Zahlung des Ausgabepreises einander ähnlich und vergleichbar seien, hält der Senat nicht für entscheidend. Denn bei der Freiaktie gibt es kein Bezugsrecht (vgl. § 212 AktG n. F.) und gerade die entscheidende Zuzahlung bringt in die an den Anschaffungskosten der Altaktie orientierte Bewertung ein Element hinein, das einen Fremdkörper darstellt, der bei der Aufteilung der Mitgliedschaftsrechte im Falle der Kapitalerhöhung aus eigenen Mitteln fehlt. Gegen das Mehrwertverfahren ist einzuwenden, daß mit der Berücksichtigung der Nominalbeträge ein rechnerischer Höchstwert herangezogen wird, der lediglich für die Aufteilung des Grundkapitals der Kapitalgesellschaft auf die Gesellschafter Bedeutung hat und weder etwas über den Marktwert des Vermögens der Gesellschaft aussagt noch zum Kurswert oder dem Buchwert einer Aktie, die echte Wertmaßstäbe darstellen, in einem bestimmten Wertverhältnis steht (so mit Recht Börnstein).

4. Da das Bezugsrecht mit dem Beschluß, das Kapital zu erhöhen, konkretisiert und damit verselbständigt wird, wäre an sich nunmehr eine Neubewertung der alten Aktie und des Bezugsrechts erforderlich. Da indessen Bezugsrechte innerhalb kurzer Frist ausgeübt werden, kann in der Regel die Neubewertung bis zu ihrer Realisierung zurückgestellt werden. Diese Realisierung kann auf zwei Arten geschehen, nämlich durch Veräußerung des Bezugsrechts oder durch Bezug einer neuen Aktie. Bei der Veräußerung des Bezugsrechts hat der Veräußerer einen etwaigen Veräußerungsgewinn zu versteuern, der sich aus dem Unterschied zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten des Bezugsrechts ergibt. Beim Bezug junger Aktien geht das Bezugsrecht in die Anschaffungskosten der jungen Aktien ein, die sich somit aus dem Bezugspreis und dem Wert der für ihren Erwerb erforderlichen Bezugsrechte zusammensetzt.

5. Dieser Ansicht steht weder das Urteil des VI. Senats VI 140/64 vom 21. Januar 1966 (BFH 85, 21, BStBl III 1966, 220) noch das Urteil des I. Senats I 165/54 S entgegen. Das Urteil VI 140/64 befaßte sich mit der Frage, ob vor der oben behandelten gesetzlichen Regelung der Ausgabe von Freianteilen Gratisaktien bei einem buchführenden Gewerbetreibenden mit einem abgespaltenen Teil des Buchwerts der Altaktie bewertet werden müßten und damit ein Gewinn realisiert sei. Das Urteil führte aus, daß eine Gewinnrealisierung nur angenommen werden könne, wenn man in der Ausgabe von Freiaktien eine Ausschüttung von Gewinn und eine Wiedereinzahlung dieses Gewinns als Aufwand zum Erwerb der Freiaktie sehe. Diese handelsrechtliche Theorie der Doppelmaßnahme habe der BFH aber in dem Urteil I 165/54 S vom 17. September 1957 (BFH 65, 437, BStBl III 1957, 401) aufgegeben. Da nun bei Ablehnung dieser Theorie keine Aufwendungen zum Erwerb der Freiaktie vorlägen, brauche der Steuerpflichtige die Freiaktie nicht zu aktivieren. Der erkennende Senat hat nicht zu prüfen, ob sich der VI. Senat mit seinem Urteil in Gegensatz zu dem Urteil I 165/54 S setzte, in dem der I. Senat die Theorie einer allerdings nicht handelsrechtlichen, sondern steuerrechtlichen Doppelmaßnahme aufrechterhielt und eine Gewinnrealisierung bei Aktien, die sich in einem Privatvermögen befanden (§ 20 EStG), bejahte. Jedenfalls steht die Entscheidung des erkennenden Senats nicht in Widerspruch zu der des VI. Senats. Diesem ging es seinerzeit lediglich darum, ob der Vorgang erfolgsneutral war, so daß er sich nicht damit zu befassen brauchte, ob sich das bilanzierte Vermögen in alte und neue Aktien umschichtete. Das zeigen eindeutig die weiteren Ausführungen, in denen es heißt, daß, wenn für die Freiaktien ein Teil des Wertes der Altaktien hingegeben und dieser Wert zu aktivieren sei, der Buchwert der Altaktien wohl etwa um den gleichen Betrag zu mindern sei. Auswirkungen durch den Bezug der Freiaktien würden sich erst bei der Veräußerung ergeben; dazu brauche der Senat nicht Stellung zu nehmen. In seinem bereits erwähnten, den § 23 EStG betreffenden späteren Urteil VI 144/64 bejahte dann der VI. Senat ausdrücklich die Abspaltungstheorie.

Der I. Senat des BFH entschied in dem bereits erwähnten Urteil I 165/54 S, daß beim Bezug von Freiaktien auf im Privatvermögen befindliche Aktien in Höhe des Nominalwerts der neuen Aktien Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) vorlägen, weil die AG in Höhe des Nominalbetrages von den Gesellschaftern bei einer Ausschüttung zu versteuernde Rücklagen in Einlagen umwandele, die im Falle der Rückzahlung von den Gesellschaftern nicht zu versteuern wären. Der Senat nimmt keine Stellung zu der vielleicht auch noch nach der gesetzlichen Neuregelung für die Bewertung von Freiaktien bestehenden Zweifelsfrage, ob bei Bezugsrechtsaktien ebenfalls insoweit Einkünfte aus Kapitalvermögen oder ggf. gewerbliche Einkünfte (§ 20 Abs. 3 EStG) vorlägen, als der Zuzahlungsbetrag hinter dem Nominalbetrag der neuen Aktien zurückbleibt, und ob dann bei zu einem Betriebsvermögen gehörenden Altaktien und bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG der Wertzuwachs bei den neuen Aktien durch einen Substanzverlust der Altaktien in gleicher Höhe ausgeglichen würde. Der vorliegende Sachverhalt erfordert eine solche Entscheidung nicht, weil hier die neuen Aktien nicht unter pari ausgegeben wurden.

6. In Übereinstimmung mit dem BdF nimmt der Senat an, daß, jedenfalls solange eine unterschiedliche Bewertung alter und neuer Aktien möglich ist, deren Durchschnittsbewertung unzulässig ist, weil sonst der Grundsatz der Einzelbewertung verletzt würde. Zu der vom I. Senat im Urteil I 95/63 (a. a. O.) bejahten Frage, ob in einem Sammeldepot liegende Wertpapiere mit einem durchschnittlichen Anschaffungspreis bewertet werden müssen, braucht der Senat nicht Stellung zu nehmen. Der I. Senat hielt es für entscheidend, daß bei einem Verkauf der Aktien der Identitätsnachweis der erworbenen und in Sammelverwahrung gegebenen Wertpapiere mit den aus dem Sammelbestand ausgeschiedenen Wertpapieren nicht geführt werden könne. Dieser Fall liegt hier nicht vor, weil sich nach der übereinstimmenden Erklärung der Beteiligten die Wertpapiere nicht in Girosammelverwahrung befanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68377

BStBl II 1969, 105

BFHE 1969, 251

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