Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob bei einer Erbschaft ein unentgeltlicher Erwerb oder ein teilweise entgeltlicher Erwerb eines Betriebes vorliegt.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 1, § 6/1/2, § 6/1/6; EStDV § 5 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Bfin. ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes und betreibt Weinbau und Weinhandel. Streitig ist, ob die dem Gesellschafter X. aus Anlaß einen Erbfalles im August 1952 entstandenen Nachlaßverbindlichkeiten (Vermächtnisse und Schulden der Erblasserin) und die darauf entfallenden noch nicht gezahlten Zinsen als Betriebsschulden in die Gesellschaftsbilanz im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung 1953 bis 1955 aufgenommen werden dürfen.

Der Gesellschafter X. hat am 5. August 1952 ein Weingut geerbt. Erblasserin war seine Großmutter. Laut Testament hatte der Erbe an drei Töchter der Erblasserin 20 000 DM Vermächtnisse zu zahlen. Außerdem hat er eine Privatschuld der Erblasserin in Höhe von 2 000 DM übernommen. Der Erbe hat den Betrieb am 5. August 1952 in die Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes eingebracht. Nach dem Betriebsprüfungsbericht ist er Eigentümer des Weingutes geblieben. Die den beiden Gesellschaftern gehörenden Weingüter werden gemeinsam bewirtschaftet. Die Gewinnbeteiligung beträgt je 50 %. Der Betrag von 2 000 DM wurde 1954 gezahlt und vom Betrieb als Betriebsausgabe verbucht. Desgleichen wurden die rückständigen Zinsen als Betriebsausgaben angesehen. Der Betriebsprüfer behandelte zuerst die Verbindlichkeiten betrieblich. Das Finanzamt war bei der Veranlagung der Ansicht, daß es sich um Vorgänge handele, die zur privaten, nicht zur betrieblichen Sphäre des Steuerpflichtigen gehörten. Das Finanzgericht folgte dieser Auffassung. Die Nachlaßverbindlichkeiten und die auf sie entfallenden rückständigen Zinsen könnten nicht als Betriebsschulden angesehen werden. Die Zinsen seien bei ihrer Zahlung als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs sei der Erbfall ein Vorgang der Privatsphäre (Entscheidungen VI A 1469/30 vom 18. Dezember 1930, RStBl 1931 S. 381, und VI A 1015/29 vom 27. November 1929, RStBl 1930 S. 40). Forderungen, die infolge des Erbfalls gegen den Erblasser entstünden, berührten das Privatvermögen und könnten daher keine Betriebsschulden darstellen (Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 217/29 vom 12. November 1930, RStBl 1931 S. 108).

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß der Erbfall ein privater Vorgang ist und die mit dem Erbfall verbundenen Unkosten nicht die betriebliche Sphäre berühren. Es entspricht diese Auffassung der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (siehe auch Entscheidung VI A 1963, 1964/30 vom 9. März 1932, Mrozek-Kartei, Einkommensteuergesetz 1925, § 20 Rechtsspruch 41).

Des weiteren entspricht es der Auffassung des Reichsfinanzhofs, daß Versorgungsleistungen des Erben, auch wenn sie durch den Erblasser testamentarisch angeordnet sind, nicht der betrieblichen, sondern der privaten Sphäre zugerechnet werden. In der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 2012/32 vom 8. August 1934 (Steuer und Wirtschaft 1934 Nr. 654) wird ausgeführt, daß es sich um einen unentgeltlichen Erwerb handele und demgemäß der Vorgang als eine familien- und erbrechtliche Angelegenheit in die Privatsphäre zu verweisen sei, wenn einem Kind ein (landwirtschaftlicher oder gewerblicher) Betrieb oder Teile eines solchen gegen die Verpflichtung überlassen werde, den überlassenden Eltern oder dem überlebenden Elternteil und den Geschwistern zum Ausgleich gewisse Leistungen zu entrichten. Hierbei führt der Reichsfinanzhof die bisherige Rechtsprechung im einzelnen an. Gleichartige Erwägungen kommen auch in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 160, 161/54 U vom 17. November 1955 (BStBl 1956 III S. 281, Slg. Bd. 63 S. 215) zum Ausdruck. Der Reichsfinanzhof hat wohl in ständiger Rechtsprechung anerkannt, daß Altenteilsleistungen, die einem Landwirt bei dem unentgeltlichen Erwerb des landwirtschaftlichen Betriebes durch den überlassungsvertrag oder durch Verfügung von Todes wegen auferlegt werden, mit den Einkünften aus dem landwirtschaftlichen Betrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und daher bei der Ermittlung der Reineinkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu berücksichtigen, also nicht vom Gesamtbetrag der bei den einzelnen Einkommensarten gewonnenen Ergebnisse abzuziehen sind (so Entscheidung VI A 360/34 vom 12. September 1934, RStBl 1935 S. 157, Slg. Bd. 37 S. 18). Desgleichen hat er in der Entscheidung VI A 453/34 vom 26. September 1934 (Steuer und Wirtschaft 1934 Nr. 745) ausgesprochen, daß auch die Zinsen, die ein Landwirt auf eine bei dem unentgeltlichen Erwerb des landwirtschaftlichen Betriebes übernommene Geschwisterabfindungshypothek zahlt, ebenso wie die Altenteilsleistungen zu behandeln seien. Er hat aber bei dieser Rechtsprechung ausdrücklich bemerkt, daß diese Leistungen im allgemeinen keine Betriebsausgaben seien. Die Leistungen seien lediglich bei Berechnung der Reineinkünfte aus Landwirtschaft im Sinne der §§ 28a und 57a EStG 1925 zu berücksichtigen. Siehe zu den beiden Entscheidungen auch Becker, Steuer und Wirtschaft 1934, Teil I Sp. 1628 ff.

Der Reichsfinanzhof hat allerdings auch die Möglichkeit einer gemischten Schenkung anerkannt, so insbesondere in der Entscheidung VI A 1488/31 vom 8. November 1933 (RStBl 1934 S. 295). Wenn der Sohn den gesamten Betrieb erbe, aber verpflichtet werde, Zahlungen an seine Geschwister als Miterben zu leisten, deren Höhe von dem Gesamtwert des Betriebes abhängig sei, handle es sich um eine gemischte Erbschaft, bei der ein Teil der Erbschaft als entgeltlich erworben anzusehen und nach den allgemeinen Grundsätzen des entgeltlichen Erwerbes zu behandeln sei. Fälle dieser Art hat er, wie sich aus der Begründung der Entscheidung ergibt, insbesondere bei Erbauseinandersetzungen als möglich angesehen. Siehe hierzu auch Entscheidungen VI A 86/34 vom 17. Oktober 1934 (RStBl 1935 S. 334, Slg. Bd. 37 S. 47), VI 236/39 vom 14. Juni 1939 (RStBl 1939 S. 843), die Entscheidung des Reichsgerichts 292/07 IV vom 17. Februar 1908 (Juristische Wochenschrift, 37. Jahrgang S. 206) sowie die Zusammenstellung der Rechtsprechung von Müller, Rechts- und Wirtschafts-Praxis, 14, Steuer-R, D Allgemeine Einzelfragen 12/59 (Lieferung 417).

Die Frage, ob ein einheitlicher unentgeltlicher Erwerb vorliegt oder eine gemischte Schenkung (Erbschaft) gegeben ist, bei der die Auflagen zur Folge haben, daß der Betrieb teilweise entgeltlich erworben worden ist, muß nach den Verhältnissen des einzelnen Falles beurteilt werden. Es muß geprüft werden, ob die Auflage zum Ziele hat, einen Teil des Betriebes nur entgeltlich dem Beschenkten (Erben) zu überlassen. Für die Entscheidung ist es wesentlich, ob nach dem gegebenen Tatbestand für einen Teil des Betriebes Leistung und Gegenleistung sich angemessen gegenüberstehen. Im allgemeinen muß aber davon ausgegangen werden, daß eine gemischte Schenkung nicht ohne weiteres dort gegeben ist, wo Lasten dem Beschenkten (Erben) auferlegt werden. Siehe im einzelnen die Grundsätze der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 2012/32, an denen der Senat festhält.

Im Streitfalle sind dem Erben Vermächtnisse auferlegt worden, die nach dem gegebenen Tatbestand nicht als entgeltlicher Erwerb eines Teiles des Betriebes anerkannt werden können. Es handelt sich auch unter Berücksichtigung der in Verbindung mit der Erbschaft übernommenen Schuldverpflichtung der Erblasserin um einen einheitlichen unentgeltlichen Erwerb.

Nach den Akten beträgt der Einheitswert des in die Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes eingebrachten Betriebes 60 000 DM. Es ist nicht anzunehmen, daß durch die Vermächtnisse an die drei Töchter der Erblasserin im Gesamtbetrag von 20 000 DM in gleicher Weise wie im Falle der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 1488/31 die Miterben nach Form einer ihren Erbrechten entsprechenden Abfindung, bei der Leistung und Gegenleistung gleichwertig gegenüberstehen, ausgezahlt werden sollten. Die Akten bieten auch keine Unterlage, daß für den Betrieb eine Eröffnungsbilanz nach § 6 Abs. 1 Ziff. 1, 2 EStG mit Anschaffungskosten aufgestellt worden ist. Der Sachverhalt der Entscheidung VI A 1488/31 ist somit nicht gegeben.

Die Rechtslage ändert sich auch nicht dadurch, daß das Weingut im Rahmen der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft bewirtschaftet wird. Wie oben dargestellt, sind dadurch die Eigentumsverhältnisse nicht verändert worden.

Liegt aber kein entgeltlicher Erwerb vor, so können die mit der Erbschaft verbundenen Auflagen als außerbetriebliche Vorgänge steuerlich nicht in der Bilanz angesetzt werden.

Die Rechtsbeschwerde muß deshalb als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409515

BStBl III 1960, 2

BFHE 1960, 2

BFHE 70, 2

BB 1960, 34

DB 1960, 12

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