Leitsatz (amtlich)

Der Unternehmer hat Provisionsvorschüsse, die er vor der rechtlichen Entstehung des Provisionsanspruchs an seine Handelsvertreter zahlt, als Anzahlungen zu aktivieren.

 

Normenkette

EStG § 5

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt ein ... versandunternehmen. Seine Lieferverträge werden durch selbständige Handelsvertreter vermittelt. In § 10 Nr. 2 Satz 1 der gleichlautenden Vertreterverträge ist folgendes bestimmt:

"Provisionsansprüche entstehen erst nach restloser Begleichung der Kaufsumme bzw. nach Rückzahlung des durch Vermittlung der Firma in Anspruch genommenen Teilzahlungskredits durch die Käufer."

Der Kläger rechnete schon vorher monatlich über die geprüften und angenommenen Aufträge nach einem "angenommenen" Umsatz ab und zahlte die sich aus der Abrechnung ergebenden Provisionsbeträge jeweils bis zum 20. des folgenden Monats an die Handelsvertreter aus. Diese Zahlungen gelten nach § 10 Nr. 2 Satz 2 der Vertreterverträge als Vorschüsse.

Auf diese Weise ergaben sich am 31. Dezember 1965 Provisionsvorschüsse von 173 909 DM, die am 31. Dezember 1966 und am 31. Dezember 1967 unverändert blieben und sich am 31. Dezember 1968 auf 386 600 DM erhöhten. Der Kläger buchte diese Beträge als Aufwendungen.

Nach einer Betriebsprüfung forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) die Aktivierung der Zahlungen und erhöhte den steuerrechtlichen Gewinn 1965 um 173 909 DM und den steuerrechtlichen Gewinn 1968 um 386 600 DM ./. 173 909 DM = 212 691 DM.

Der Kläger erhob gegen die Einkommensteuerbescheide 1965 und 1968 nach erfolglosem Einspruch Klage beim FG. Das FG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsteller habe für die Provisionsvorschüsse aktive Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden, jedenfalls aber die Beträge als "Vorschüsse" zu aktivieren.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt. Zur Begründung führt er aus, die Handelsvertreter betrachteten den Provisionsanspruch im Zeitpunkt der Annahme der Kaufverträge durch den Kläger und des Eingangs der Provisionsabrechnungen als entstanden und behandelten die Provisionen steuerrechtlich als Ertrag. Dementsprechend habe der Kläger die abgerechneten Provisionen als Aufwand gebucht. Die gezahlten Provisionsbeträge seien Vertriebskosten, die nicht zu den Herstellungskosten gerechnet werden dürften. Für eine Aktivierung als Rechnungsabgrenzungsposten fehle es an der Voraussetzung, daß es sich um Aufwand für eine "bestimmte Zeit" nach dem Bilanzstichtag handele.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 1965 auf 15 044 DM und dié Einkommensteuer 1968 auf 198 193 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat die Provisionsvorschüsse als Anzahlungen zu aktivieren (§ 5 EStG; vgl. § 151 Abs. 1 Aktivseite III B 1 AktG 1965, § 131 Abs. 1 A III 7 AktG 1937).

1. Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters entsteht nach dem Gesetz mit dem Abschluß des auf seine Tätigkeit zurückzuführenden Geschäfts, jedoch aufschiebend bedingt durch die Ausführung des Geschäfts (§§ 87, 87 a Abs. 1, 3 HGB; Urteil des BGH vom 1. Dezember 1960 VII ZR 210/59, Der Betriebs-Berater 1961 S. 147; Heymann-Kötter, Handelsgesetzbuch, 21. Aufl., § 87 a Anm. 1; Urteile des BFH vom 3. Mai 1967 I 111/64, BFHE 88, 498, BStBl III 1967, 464; vom 19. Oktober 1972 I R 50/70, BFHE 107, 426, BStBl II 1973, 212, und vom 22. Februar 1973 IV R 168/71, BFHE 109, 33, BStBl II 1973, 481). Nach den Verträgen, die der Kläger mit seinen Handelsvertretern geschlossen hat, entsteht der Provisionsanspruch erst mit der Ausführung des Geschäfts durch den Dritten (vgl. § 87 a Abs. 1 Satz 3 HGB). Die monatlichen Abrechnungen und Zahlungen, die der Kläger vorgenommen hat, betreffen nach dem klaren Wortlaut der Vertreterverträge nicht die endgültige Provisionszahlung, sondern Provosionsvorschüsse (vgl. § 87 a Abs. 1 Satz 2 HGB).

2. Diese Vorschüsse dürfen nicht als Rechnungsabgrenzungsposten aktiviert werden. Der BFH hat früher die Aktivierung von Provisionen unter dem Gesichtspunkt verlangt, daß es sich um Aufwendungen im Rahmen eines schwebenden Geschäfts handele, die im Wege der aktiven Rechnungsabgrenzung in das Jahr zu verlagern seien, in dem der Ertrag aus dem Geschäft vereinnahmt werde (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1964 IV 255, 256/64 U, BFHE 81, 257, BStBl III 1965, 93). Dieser Ansicht ist jedoch dadurch der Boden entzogen worden, daß der BFH den Grundsatz der einheitlichen Behandlung des schwebenden Geschäfts aufgegeben hat (Urteile vom 19. Juni 1973 I R 206/71, BFHE 110, 116, BStBl II 1973, 774; vom 24. März 1976 I R 139/73, BFHE 118, 453, BStBl II 1976, 450). Provisionen dürfen auch nicht als Einzelkosten des Vertriebs aktiviert werden (BFH-Urteil I R 206/71). Eine Aktivierung als Herstellungskosten des vermittelten Vertrags scheitert - jedenfalls für das Streitjahr 1968 - an § 153 Abs. 3 AktG 1965, § 5 Abs. 2 EStG, die die Aktivierung immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nur bei entgeltlichem Erwerb gestatten.

3. Die Provisionszahlungen stellen jedoch im Streitfall nach den Vertreterverträgen Vorschüsse dar und sind daher als "Anzahlungen" zu aktivieren (vgl. § 151 Abs. 1 Aktivseite III B 1 AktG 1965, § 131 Abs. 1 A III 7 AktG 1937). Der BFH hat inzwischen entschieden, daß Anzahlungen ohne Rücksicht darauf zu aktivieren sind, ob der Gegenstand des Gegenanspruchs ein aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut darstellt (Urteil vom 16. Mai 1973 I R 186/71, BFHE 110, 325, BStBl II 1974, 25). Daher fallen auch Anzahlungen auf Dienstleistungen und somit auch auf die Leistungen des Handelsvertreters unter die Aktivierungspflicht.

Anzahlungen sind Vorleistungen eines Vertragsteils auf schwebende Geschäfte. Sie setzen daher im allgemeinen voraus, daß die Leistung des anderen Vertragsteils ganz oder zum Teil noch aussteht (Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., Bd. 1, § 151 Tz. 133). Im Streitfall hatten die Handelsvertreter zu dem Zeitpunkt, an dem sie die Provisionsvorschüsse erhielten, ihre Leistungshandlung abgeschlossen. Die Vertreterverträge knüpften jedoch die Entstehung des Provisionsanspruchs an die Vollendung des Leistungserfolgs durch Ausführung des Geschäfts durch den Dritten. Diese war im Zeitpunkt der Zahlung der Provisionsvorschüsse noch nicht eingetreten. Daher ist es gerechtfertigt, auch hier von Vorleistungen in Gestalt der Provisionsvorschüsse zu sprechen.

4. Für die Bilanzierung der Provisionsvorschüsse durch den Kläger ist es ohne Bedeutung, wie die Handelsvertreter die Vorschüsse steuerrechtlich behandelt haben. Nur am Rande sei daher bemerkt, daß der Aktivierung der Vorschüsse als geleistete Anzahlungen durch den Kläger die Passivierung als erhaltene Anzahlungen durch die Handelsvertreter entspricht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71959

BStBl II 1976, 675

BFHE 1977, 468

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