Leitsatz (amtlich)

1. Wechsel mit einer Laufzeit von drei Monaten, die der Inhaber eines Einzelhandelsgeschäfts zur Begleichung einer bestimmten Warenschuld an den Großhändler begibt, begründen regelmäßig keine Dauerschuld.

2. Der Charakter einer nur vorübergehenden Verbindlichkeit wird nicht davon berührt, daß entsprechend den mehreren Lieferungen zwischen dem Einzelhändler und dem Großhändler mehrere Wechsel nebeneinander laufen.

2. Die den Wechseln zugrunde liegenden Verbindlichkeiten aus Warenlieferungen können zu Dauerschulden werden, wenn die Wechsel vereinbarungsgemäß nach Bedürfnis prolongiert werden und dabei das Zeitmaß von einem Jahr überschritten wird.

2. Bei der Prüfung, ob eine Dauerschuld oder nur eine vorübergehende Stärkung des Betriebsvermögens besteht, muß unterschieden werden zwischen dem unmittelbar kreditierten Geschäftsvorgang und den Erwägungen (Motiven), die zu der Kreditgewährung geführt haben. Ausschlaggebend ist die erste Alternative.

 

Normenkette

GewStG § 8 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige, eine KG, wandte für den Umbau und die Modernisierung der Geschäftsräume ihres Schuhwareneinzelhandels rd. 266 000 DM auf. Unter dem 18. Juli 1960 hatte ihre Schuhlieferantin, eine Einkaufsgenossenschaft (im folgenden: G.) sich bereit erklärt, ihr bei dem Umbau finanziell behilflich zu sein und ihr im Rahmen des Umsatzes ein "Umbauwechselobligo" von 75 000 DM auf fünf Jahre einzuräumen; die Steuerpflichtige sollte die Wareneinkäufe durch Dreimonats-Wechsel bei einem Jahreszinssatz von 7 v. H. bezahlen dürfen; bei Zahlung binnen zehn Tagen vergütete die G. 3 % und bei Zahlung binnen 30 Tagen 2 % Skonto; das Obligo war monatlich um 1 250 DM zu mindern, so daß es nach fünf Jahren aufgebraucht war. Nachdem die G. inzwischen den Zinssatz auf 5 % ermäßigt, andererseits das "Obligo" auf 100 000 DM heraufgesetzt hatte, bat die Steuerpflichtige am 30. Dezember 1961 um weitere Erhöhung auf 150 000 DM; sie verwies darauf, daß die mit der Geschäftserweiterung eingetretene Umsatzsteigerung auch für die G. zu einem erheblichen Mehrumsatz geführt habe. Umgehend erklärte die G. sich bereit, "den Umbauwechselkredit" ab 2. Januar 1962 auf 150 000 DM festzusetzen. Der Mindestbestand der Wechselverbindlichkeiten der Steuerpflichtigen gegenüber der G. belief sich lt. Urteil des FG im Jahr 1961 auf 96 000 DM und im Jahr 1962 auf 132 000 DM.

Das FA sah in den Verbindlichkeiten eine Dauerschuld im Sinne des § 8 Nr. 1 GewStG und setzte als Zinsen hierfür dem gewerblichen Gewinn der Steuerpflichtigen 3 600 DM im Jahre 1961 und 6 600 DM im Jahre 1962 zu. Die Steuerpflichtige machte demgegenüber geltend: früher habe sie an G. binnen zehn Tagen nach Rechnungsempfang mit 3 % Skonto gezahlt. Bei der neuen Zahlungsweise habe die G. sich nur bereit erklärt, für fünf Jahre anstelle der Geldüberweisung bis zu einer gewissen Gesamthöhe Wechsel anzunehmen und gleichwohl ein Skonto zu gewähren. Es handle sich somit um Warenkredite im laufenden Geschäftsverkehr durch Hingabe von Wechseln über drei Monate. Für den Umbau habe die G. keinen Kredit geben können. Durch Addition der einzelnen Warenkredite könne die Annahme einer Dauerschuld nicht begründet werden. Das Ansteigen der Gesamtschuld bei der G. als der Warenlieferantin sei die verständliche Folge der Umsatzsteigerungen im Geschäft der Steuerpflichtigen.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG führte aus: Das zeitliche Moment der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals im Sinne von § 8 Nr. 1 GewStG sei regelmäßig erfüllt, wenn die Schulden eine Laufzeit von über einem Jahr hätten. Dabei sei grundsätzlich jedes selbständige Kreditgeschäft für sich zu betrachten; das gelte auch für Wechselkredite. Überschnitten sich aber bei einer Vielzahl von Wechseln die Laufzeiten, so sei nicht auf die äußeren Umstände, sondern auf die wirklichen Verhältnisse des Falles abzustellen. Bei einem Dauerbestand der Verbindlichkeiten gegenüber der G. in den Jahren 1961 und 1962 von 96 000 bzw. 132 000 DM könnten die einzelnen mit Dreimonats-Akzepten abgewickelten Warengeschäfte nicht je für sich betrachtet werden, weil ihnen eine vertraglich begründete einheitliche Kreditgewährung zur Durchführung von Umbau und Modernisierung der Geschäftsräume der Steuerpflichtigen zugrunde liege. Der Kredit werde in der Korrespondenz als "Umbauwechselobligo", "Umbauhilfe" oder "Umbauwechselkredit" bezeichnet. Zur Abwicklung der laufenden Warengeschäfte habe es des Wechselobligos nicht bedurft. Wirtschaftlich betrachtet liege mithin eine einheitliche Kreditgewährung auf Dauer vor. Auf die Form, in der der Gegenwert für die Schulden dem Betrieb zufließe, komme es nicht an; er könne in Barbeträgen wie in der Lieferung von Anlagegütern oder Waren liegen.

Mit der Revision rügt die Steuerpflichtige Verletzung des § 8 Nr. 1 GewStG: Es handle sich entgegen der Annahme des FG nicht um Dauerschulden, sondern um Verbindlichkeiten aus der Lieferung von Schuhwaren gegen Dreimonats-Akzept. Die Bezeichnung der 75 000 DM, später 150 000 DM als Umbauwechselobligo sei irreführend.

Die Steuerpflichtige beantragt, die bei der Ermittlung des Gewerbeertrages 1961 und 1962 hinzugerechneten Zinsen wieder abzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Nach dem Urteil des BFH I 173/62 vom 10. Dezember 1964 (HFR 1965, 223) könne die Revision selbst dann keinen Erfolg haben, wenn man mit der Steuerpflichtigen die Gewährung von kurzfristigen Warenkrediten in den Vordergrund der Betrachtung stelle.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision der Steuerpflichtigen ist begründet.

Nach § 8 Nr. 1 GewStG sind dem gewerblichen Gewinn hinzuzurechnen Zinsen für Schulden, die einer nicht nur vorübergehenden Stärkung des Betriebskapitals dienen. Den Gegensatz zu diesen sogenannten Dauerschulden bilden die laufenden Verbindlichkeiten, die im gewöhnlichen Geschäftsgang des Unternehmens entstehen. Ob die eine oder andere Art von Verbindlichkeit vorliegt, richtet sich in erster Linie nach dem Charakter der Schuld. Dient die Schuld (der Kredit) der Beschaffung des eigentlichen Dauerbetriebskapitals, das der Betrieb nach seiner Eigenart und seiner speziellen Anlage und Gestaltung ständig benötigt, so spricht dies für eine Dauerschuld. Steht aber der Kredit mit einzelnen laufenden, nach der Art des Betriebes immer wiederkehrenden bestimmbaren Geschäftsvorfällen im Zusammenhang, etwa mit dem Erwerb von Umlaufvermögen (z. B. Waren), so hat er in der Regel den Charakter einer laufenden, nicht unter § 8 Nr. 1 GewStG fallenden Verbindlichkeit. Jedoch kann unter der Einwirkung des Zeitmoments auch ein solcher mit dem Umlaufvermögen im Zusammenhang stehender Kredit Dauerschuld werden, wenn seine Laufzeit länger als ein Jahr ist. Siehe die BFH-Entscheidungen I 197/57 S vom 11. August 1959 (BFH 69, 447, BStBl III 1959, 428), I 137/58 U vom 18. August 1959 (BFH 69, 453, BStBl III 1959, 430), I 206/62 vom 4. November 1964 (HFR 1965, 318), I 202/64 U vom 22. Juni 1965 (BFH 82, 657, BStBl III 1965, 484). Der Charakter des Kredits ist zu beurteilen nicht nach äußerlichen Gesichtspunkten, sondern an Hand des Zusammenhangs, in dem er steht, und nach der wirtschaftlichen Funktion (§ 1 Abs. 2 und 3 StAnpG), die er im gegebenen Fall erfüllt.

Von dieser Rechtsprechung geht im Grundsatz offenbar auch das FG aus. Es wendet sie jedoch nicht richtig an. Das FG stützt seine Entscheidung im wesentlichen auf die Bezeichnungen im Schriftwechsel zwischen der Steuerpflichtigen und der G. sowie darauf, daß die Wechsel einander "überschneiden". Dahinter verbirgt sich jedoch eine Verwechslung des Motives für den Kredit mit dem Gegenstand des Kredits.

Läßt man den Umbau zunächst außer Betracht, dann bleibt, daß die G. der Steuerpflichtigen Waren liefert mit der Bereitschaft, den jeweiligen Rechnungsbetrag in Gestalt eines Dreimonats-Akzeptes entgegenzunehmen, wobei die Gesamtsumme der gleichzeitig laufenden Wechsel nach der ab 2. Januar 1962 geltenden Abrede über 150 000 DM nicht hinausgehen soll. Bestehen mehrere Wechselhingaben nebeneinander, lauten sie aber jeweils über den Rechnungsbetrag eines bestimmten Warenbezuges, so tragen sie unzweifelhaft den Charakter vorübergehender Verbindlichkeiten, nicht dagegen von Dauerschulden im Sinne von § 8 Nr. 1 GewStG, weil eben die Wechsel Anschaffungsgeschäfte über Umlaufvermögen betreffen und die Laufzeit der in ihnen verbrieften Verbindlichkeiten ein Jahr nicht übersteigt. Ihre Eigenschaft der nur vorübergehenden Verstärkung der Betriebsmittel wird also rechtlich und wirtschaftlich nicht davon berührt, daß jeweils mehrere Akzepte gegeben sind mit der Folge, daß ihre Laufzeiten in mehr oder minder großem Umfang sich decken und sich so "überschneiden." Entscheidend bleibt, daß der einzelne Dreimonats-Wechsel der Abdeckung der Schuld aus einem bestimmten Warenanschaffungsgeschäft dient und daß der in dem einzelnen Wechsel zum Ausdruck kommende Kredit der G. als der Lieferantin von diesem Warenerwerb sein Gepräge als kurzfristige Verbindlichkeit erfährt. Ein solcher Wechsel hat dann nur die Aufgabe, die Kaufpreisforderung des Lieferanten leichter abtretbar und damit im Verhältnis zu Banken diskontierfähig zu machen, zugleich dem Gläubiger die prozessualen Vorteile des Urkunden- und Wechselprozesses zu verschaffen (§§ 592 ff., 602 bis 605 ZPO). An der Funktion eines vorübergehenden Zahlungsbehelfes ändert es gleichfalls nichts, wenn die G. wegen der besonders kurzen Laufzeit eines Wechsels ein Skonto gewährt; im Gegenteil, gerade in der Gewährung des Skontos kommt die Überzeugung und das Anerkenntnis auch des Gläubigers zum Ausdruck, daß die betreffende Schuld nur vorübergehender Natur ist. Eine solche Bewertung des einzelnen Schuldwechsels muß allerdings entfallen, wenn unter den Beteiligten von vornherein Absicht und Bereitschaft der Prolongierung besteht. Auch die einem Wechsel mit kurzfristiger Laufzeit zugrunde liegende Verbindlichkeit kann in Auswirkung des oben erwähnten "Zeitmoments" in die Eigenschaft einer Dauerschuld hineinwachsen, wenn und soweit ihr Bestand durch Wechselverlängerung auf über ein Jahr augedehnt wird (Urteil des RFH I 464/38 vom 21. Februar 1939, RFH 46, 194, RStBl 1939, 711).

Geht man von dieser Bindung der Akzepte der Steuerpflichtigen an eine bestimmte einzelne Kaufpreisforderung der G. aus, dann ist nicht einzusehen, daß darin deshalb eine Änderung eintreten soll, weil die Steuerpflichtige auf ihre Bitte im Hinblick auf die ihr aus dem Umbau erwachsene Verringerung ihrer flüssigen Mittel die Möglichkeit erhalten hat, statt der Barzahlung einen Dreimonatswechsel hinzugeben. Sachlicher Inhalt der Kreditgewährung sind unverändert die Kaufpreisforderungen der G. aus den Warenlieferungen geblieben. Gegenstand der Kreditierung sind nicht etwa die Umbaukosten gewesen. Wie die Steuerpflichtige unwidersprochen vorträgt, konnte die G. einen Kredit solcher Art überhaupt nicht gewähren. Auch konnte unmittelbares eigenes Interesse der G. nur die Hebung ihres Umsatzes mit der Steuerpflichtigen sein, nicht deren allgemeines geschäftliches Wohlergehen. Der Umbau ist eines der Motive für die Bereitwilligkeit der G. zur Annahme von Wechseln statt der bisherigen Barzahlung; er verändert die Wechsel aber nicht in ihrer sachlichen Funktion, der Bezahlung von Warenlieferungen zu dienen. Aus dem Motiv für die Neuregelung der Begleichung der Warenschulden erklären sich auch die in der Korrespondenz zwischen der G. und der Steuerpflichtigen gebrauchten Worte wie Umbauwechselobligo und ähnliche.

Der gegenwärtige Fall unterscheidet sich wesentlich etwa von den Tatbeständen der BFH-Entscheidungen VI 173/63 U vom 6. November 1964 (BFH 81, 539, BStBl III 1965, 195) und I 173/62 (a. a. O.). Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß das FG im angefochtenen Urteil von Gedankengängen dieser BFH-Entscheidungen beeinflußt ist. Das FA beruft sich in der Revisionsinstanz sogar ausdrücklich auf die zweite der genannten Entscheidungen, jedoch zu Unrecht. Während im gegenwärtigen Streitfall allein das - durch Schuldwechsel verbriefte - Kreditverhältnis zwischen dem Lieferanten und Erwerber von Waren zur Erörterung steht, tritt in den beiden BFH-Entscheidungen eine Bank als weiterer Kreditgeber des Warenlieferanten hinzu. In beiden Fällen war Streitfrage, ob der von der Bank dem Warenlieferanten eingeräumte Kredit so eindeutig mit bestimmten einzelnen Warengeschäften im Zusammenhang stand, daß auch für den von der Bank gewährten Kredit bei ihrem Kreditnehmer laufende Geschäftsschuld angenommen werden konnte, mit anderen Worten: ob es rechtlich möglich war, das Kreditverhältnis zwischen Bank und Lieferer in zahlreiche Einzelkredite aufzulösen. Aus den Entscheidungen über diese Fälle kann wegen des ganz anders gelagerten Sachverhalts nichts für den vorliegenden Fall hergeleitet werden.

Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben. Der Senat war jedoch nicht in der Lage durchzuentscheiden. Wie ausgeführt, kann eine nicht dauernde Verstärkung des Betriebskapitals nur angenommen werden, wenn das dem einzelnen Wechsel zugrunde liegende Schuldverhältnis auch wirklich kurzfristig zum Erlöschen gebracht wird. Handhaben die Beteiligten die aus den Warenlieferungen entstehenden Verbindlichkeiten aber so, daß diese je nach den Wünschen und Bedürfnissen der Steuerpflichtigen von der G. über ein Jahr hinaus verlängert werden, so wandelt die ursprünglich kurzfristig vereinbarte Schuld sich in eine solche mit Dauercharakter. Den bisherigen Aktenvorgängen ist in dieser Beziehung nichts Sicheres zu entnehmen. Zu solchen Nachforschungen bestand bisher auch kein Anlaß, weil FG und FA die Kreditgewährung der G. unmittelbar mit dem Umbau in Verbindung brachten. Andererseits fällt auf, daß von den bei den Akten befindlichen vier Schriftstücken aus der Korrespondenz zwischen der Steuerpflichtigen und der G. zwei sich mit Wechselverlängerung befassen. Auf die Bitte der Steuerpflichtigen vom 30. Dezember 1961, ihr für den am 10. Januar 1962 fälligen Wechsel über 41 763,47 DM "einen Scheck zu schicken, wogegen wir einen neuen Wechsel akzeptieren werden", antwortete die G. ohne weitere Umstände bereits am 2. Januar 1962 zustimmend und schlug lediglich vor, "aus optischen Gründen" den Prolongationswechsel über einen anderen Betrag, etwa 40 142,50 DM lauten zu lassen; sie werde termingerecht einen entsprechenden Scheck übersenden. Die Sache wird daher an das FG zurückverwiesen, damit es noch Ermittlungen in besagter Richtung anstellt. Kommt das FG zu der Überzeugung, daß zwischen G. und der Steuerpflichtigen nicht von vornherein die Absicht bestand, die Wechsellaufzeiten bei Bedürfnis auf eine nicht nur vorübergehende Dauer zu verlängern, so können die streitigen Hinzurechnungen aus § 8 Nr. 1 GewStG nicht aufrechterhalten bleiben. Soweit einzelne Wechselverbindlichkeiten auf mehr als ein Jahr verlängert wurden, sind diese Dauerschulden im Sinne von § 8 Nr. 1 GewStG geworden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68683

BStBl II 1969, 712

BFHE 1969, 535

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