Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Veräußert ein Stpfl. mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG seinen Betrieb, so können die sich hierbei nach Maßgabe des Urteils des BFH IV 98/60 S vom 23. November 1961 (BFH 74, 535, BStBl III 1962, 199) ergebenden Hinzurechnungen zum laufenden Gewinn nicht nach EStR 1962 Abschn. 19 Abs. 2 auf drei Jahre verteilt werden.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3; EStR Abschn. 19 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1962, ob das FA den Antrag der Revisionsbeklagten (Stpfl.), Gewinnerhöhungen, die sich im Jahre 1962 durch einen Wechsel in der Gewinnermittlungsart beim Stpfl. ergaben, gemäß Abschn. 19 Abs. 2 EStR 1962 auf drei Jahre zu verteilen, ablehnen durfte.

Der Stpfl., damals Inhaber eines Friseurgeschäfts, ermittelte seinen Gewinn durch überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Im Juli 1962 veräußerte er sein Geschäft. Der bis zu diesem Zeitpunkt ermittelte laufende Gewinn betrug 2710 DM. Der Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG betrug 17 999 DM. Außerdem errechnete sich ein weiterer laufender Gewinn des Streitjahres in Höhe von 7618,60 DM dadurch, daß das FA eine Hinzurechnung infolge des Wechsels der Gewinnermittlungsart durch den Stpfl. von der überschußrechnung zum Vermögensvergleich vornahm. Alle genannten Gewinnteile sind unstreitig.

Das Begehren des Stpfl., den durch die Hinzurechnung errechneten Gewinn von 7618,60 DM unter Anwendung des Abschn. 19 Abs. 2 EStR 1962 auf das Streitjahr und die beiden folgenden Jahre gleichmäßig zu verteilen, lehnte das FA ab.

Die Sprungklage der Stpfl. hatte Erfolg. Das FG hielt die Regelung in Abschn. 19 Abs. 2 EStR für einen Milderungserlaß mit Rechtsnormcharakter im Sinn der Rechtsprechung des BFH (vgl. Gutachten des BFH IV D 1/51 S vom 22. November 1951, BFH 56, 14, BStBl III 1952, 6; Urteile des BFH V 58/51 U vom 23. Oktober 1952, BFH 57, 60, BStBl III 1953, 22 und I 285/56 U vom 7. Mai 1957, BFH 65, 82, BStBl III 1957, 264). Die Milderung sei darin zu erblicken, daß dem Stpfl. gestattet werde, die sich aus dem übergang zum Bestandsvergleich ergebenden Zurechnungsbeträge entgegen dem Grundsatz, daß der Gewinn für das Jahr zu versteuern sei, für das er ermittelt werde, auf das Jahr des übergangs und die beiden folgenden Jahre zu verteilen. Die EStR böten keinen Anhalt dafür, daß die Beseitigung von Härten, die sich beim übergang zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich durch außergewöhnlich hohe Gewinne und damit außergewöhnlich hohe Steuern ergeben könnten, nur gelten solle, wenn der Betrieb fortgeführt werde.

Mit seiner als Revision zu behandelnden Rb. macht das FA vorwiegend geltend: im Falle der Veräußerung eines Betriebes, der bis zum Zeitpunkt der Veräußerung den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittle, sei nicht nach Abschn. 19 Abs. 2 EStR, sondern nach Abschn. 17 Abs. 5 EStR zu verfahren. In dieser Regelung fehle der entscheidende Hinweis auf Abschn. 19 Abs. 2 EStR. Die der Regelung in Abschn. 19 Abs. 2 EStR zugrunde liegenden Billigkeitserwägungen träfen für den Fall der Betriebsveräußerung nicht zu. Gerade bei Aufgabe eines Betriebes seien in aller Regel ausreichend flüssige Geldmittel vorhanden.

 

Entscheidungsgründe

Seine Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Sprungklage der Stpfl. als unbegründet.

Die Frage der rechtlichen Natur des Abschn. 19 Abs. 2 EStR 1962 läßt der Senat dahingestellt. Denn selbst wenn ein Milderungserlaß mit Rechtsnormcharakter - wie es das FG will - oder eine Billigkeitsanordnung im Sinn des § 131 Abs. 2, 5 AO vorläge, so könnte diese doch nicht auf Fälle angewendet werden, in denen der Steuerpflichtige mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG seinen Betrieb veräußert. Die vom FA geltend gemachten überlegungen schlagen durch. Insbesondere hätte es nahe gelegen, in Abschn. 17 Abs. 5 EStR 1962, das den hier vorliegenden Fall unter Berufung auf das Urteil des BFH IV 98/60 S vom 23. November 1961, BFH 74, 535, BStBl III 1962, 199, behandelt, auch auf Abschn. 19 Abs. 2 EStR und nicht nur auf die Abs. 1 und 3 zu verweisen. Aus dem Unterbleiben eines solchen Hinweises ergibt sich, daß die Verwaltung diesen Fall in die Billigkeitsregelung des Abschn. 19 Abs. 2 EStR nicht einbeziehen wollte. Gestützt wird diese Auffassung auch durch die Fassung des Abschn. 19 Abs. 2 in den EStR 1965, in der der Fall der Veräußerung des Betriebs innerhalb des Dreijahreszeitraums, für den die Verteilung gewährt wird, ausdrücklich von der Vergünstigung ausgenommen ist. Zutreffend weist das FA auch darauf hin, daß in den Fällen der Veräußerung des Betriebes dem Steuerpflichtigen im allgemeinen Mittel zufließen, die es ihm gestatten, die durch die Korrekturen ausgelöste höhere Einkommensteuer zu bezahlen. Schließlich ist der Senat der Auffassung, daß der hier erörterte Fall auch deshalb demjenigen des Wechsels der Gewinnermittlungsart bei Fortführung des Betriebes nicht gleichgestellt werden kann, weil nach dem Zeitpunkt der Betriebsveräußerung kein Raum mehr für eine spätere Abwicklung derjenigen Vorgänge bleibt, die die Gewinnkorrekturen auslösen. Mit der Betriebsveräußerung ist der Betrieb in der Regel auch steuerlich endgültig abgewickelt. Soweit Anlaß zur Gewährung steuerlicher Vergünstigungen besteht, sind diese gesetzlich festgelegt (§§ 16 Abs. 4, 34 Abs. 1, 2 EStG). Abschn. 19 Abs. 2 EStR 1962 ist daher, auch wenn er als Rechtsnorm anzuwenden wäre, insoweit einschränkend auszulegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412708

BStBl III 1967, 755

BFHE 1968, 17

BFHE 90, 17

DB 1968, 599

DStR 1967, 745

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