Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Gewerbesteuerliche Dauerschulden entstehen auch dann nicht, wenn der Kaufmann in Abweichung von dem im Urteil I 202/64 U vom 22. Juni 1965 (BStBl 1965 III S. 484, Slg. Bd. 82 S. 657) entschiedenen Fall des Wechsel-Scheck-Verfahrens nur von einem Hauptlieferanten ausgestellte Wechsel zur Abdeckung betragsmäßig übereinstimmender Warenlieferungen akzeptiert.

 

Normenkette

GewStG § 8 Ziff. 1, § 12 Abs. 2 Ziff. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei einer GmbH, die ihre einzelnen Wareneinkäufe mit gleich hohen, von ihrer Hauptgesellschafterin für sie ausgestellten und von ihr selbst akzeptierten Wechseln begleicht, hinzurechnungspflichtige Dauerschulden bzw. Dauerschuldzinsen im Sinne der §§ 12 Abs. 2 Ziff. 1, 8 Ziff. 1 GewStG vorliegen.

Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -) betreibt den Großhandel in Eisenwaren, Installationsbedarf, öfen usw. Ihre Hauptgesellschafterin mit 2/3 Kapitalanteil ist die D-AG. Für etwa 40 v. H. aller Lieferantenrechnungen betraut die Stpfl. die D-AG mit der Begleichung der Rechnungsbeträge. Dazu wird der D-AG von der Stpfl. ein betragsmäßig mit der einzelnen Lieferantenrechnung und auch hinsichtlich der Laufzeit übereinstimmendes Wechselakzept überreicht, das von der D-AG als Ausstellerin gezeichnet wird. Zahlstelle ist eine von drei Banken, bei denen die Stpfl. Konten unterhält. Die D-AG zahlt daraufhin die Lieferanten der Stpfl. aus und berechnet dieser 7 v. H. Wechseldiskont abzüglich Spesen und gibt in der Regel die Akzepte zur Refinanzierung an ihre Banken, die sie bei Fälligkeit an den Zahlstellen der Stpfl. einlösen. Die hingegebenen Wechsel bucht die Stpfl. auf Schuldwechselkonto gegenüber der D-AG. Dieses Verfahren wird nach der Erklärung der Stpfl. nach "jahrzehntealten Grundsätzen" angewendet.

Der Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) und das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1965 S. 277 veröffentlicht ist, haben bei diesem Sachverhalt die Entstehung von Dauerschulden und Dauerschuldzinsen im Sinne der §§ 8 Ziff. 1 und 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG in Höhe des Mindestbetrags der Schuld im Streitjahr angenommen. Das FG hat es abgelehnt, aus der Zugehörigkeit des Wechselkredits zu den laufenden Geschäftsverbindlichkeiten auf eine enge Verknüpfung zu den einzelnen Warengeschäften zu schließen, da der Kredit nicht aus dem Warenverkauf selbst abgedeckt, sondern allgemein zum Zweck der Begleichung von Lieferantenschulden aufgenommen worden sei. Der Wareneinkauf sei allenfalls der äußere Anlaß für die Ausstellung der Wechsel gewesen.

Selbst wenn jedoch zwischen Akzepthingabe und Warengeschäft ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe, könnten wegen der Begründung des Kredits in Gesellschaftsverhältnissen keine laufenden Verbindlichkeiten angenommen werden. Schuldgrund sei ein zwischen der Stpfl. und ihrer Hauptgesellschafterin bestehender Darlehnsvertrag, bei dem das Kreditvolumen nicht beschränkt worden sei. Die Rechnungsbegleichung erfolge in der vorgesehenen Weise aus konzerninternen Gründen. Daß das Darlehen die wesentliche wirtschaftliche Grundlage der Stpfl. darstelle, ergebe sich aus dem Vergleich der Bilanzpositionen. Daß mit Hilfe von Bankkrediten das gleiche Ergebnis ohne gewerbesteuerliche Hinzurechnung hätte erreicht werden können, ändere nichts an der rechtlichen Beurteilung.

Die Rb. (Revision) wird wie folgt begründet: Entgegen dem klaren Akteninhalt sei das FG davon ausgegangen, daß zwischen den Warenkrediten und den Warengeschäften der Stpfl. kein wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe. Das Urteil des FG stehe in Widerspruch zu der Rechtsprechung der höchsten Gerichte in den letzten 50 Jahren. Alle vom FG als Stütze seiner eigenen Rechtsansicht angeführten Urteile sprächen für die Stpfl. Das erstmals in der Urteilsbegründung angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) I 37/60 U vom 14. Juni 1960 (BStBl 1961 III S. 123, Slg. Bd. 72 S. 326) sei zu § 15 EStG ergangen und betreffe Rechtsverhältnisse innerhalb einer Personengesellschaft, nicht innerhalb einer Kapitalgesellschaft.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Gewerbesteuer-Meßbetragsfestsetzung des FA.

Von den nach § 8 Ziff. 1 und § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG in Betracht kommenden Hinzurechnungsfällen ist hier streitig, ob das von der Stpfl. geübte Verfahren einer nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals diente. Abgesehen von dem Fall eines durchlaufenden Kredits stellt jede Schuldaufnahme im Rahmen eines Gewerbebetriebs grundsätzlich eine Verstärkung des Betriebskapitals dar. Ob dadurch eine Dauerschuld entsteht, d. h. ob das Betriebskapital nicht nur vorübergehend verstärkt wird, ist immer Tatfrage. Dabei kommt es nicht allein auf die Abmachungen der Parteien, sondern vor allem auf den Charakter der Schuld an, d. h. ob sie, wie z. B. Waren- und Wechselschulden und die zur Tilgung von Warenverbindlichkeiten und Löhnen aufgenommenen Bankschulden, zum laufenden Geschäftsverkehr gehören oder das dauernd dem Betrieb gewidmete Kapital verstärken. Im letzten Fall werden sie als Dauerschulden behandelt, wenn sie nicht innerhalb von 12 Monaten getilgt werden.

Aber auch zum laufenden Geschäftsverkehr gehörende Schulden nehmen Dauerschuldcharakter an, wenn ihre Laufzeit 12 Monate übersteigt, es sei denn, daß die längere Schuldentilgungsfrist bei der Art des Geschäftsvorfalles üblich ist. Kontokorrentschulden sind im allgemeinen laufende Schulden, wenn nicht aus den Beziehungen der Beteiligten und entgegen der äußeren Form auf einen bestimmten, dem Unternehmen für längere Zeit gewidmeten Mindestkredit geschlossen werden muß. Der gewerbesteuerliche Hinzurechnungsbetrag richtet sich in diesem Fall nach dem Mindestbetrag der Schuld im Wirtschaftsjahr.

Für Wechselkredite gilt nichts anderes. Sie können mit den einzelnen Warenlieferungen zusammenhängen, aber auch bei kurzer Laufzeit Dauerschuldcharakter erlangen, wenn von vornherein die nicht nur vorübergehende Prolongierung der Wechsel beabsichtigt ist.

Die Vorinstanz hat in der hier vorgenommenen Gestaltung eine unmittelbare Verwendung der Wechselkredite zum Warengeschäft verneint und wegen der wesentlichen Bedeutung des hier verwendeten Kreditinstruments der Finanzwechsel anstelle von Warenwechseln Dauerschulden angenommen.

Der erkennende Senat hat diese nur bei streng formalrechtlicher Beurteilung denkbare Auslegung der Warenfinanzierung durch das sog. Wechsel-Scheck-Verfahren im Urteil I 202/64 U vom 22. Juni 1965 (BStBl 1965 III S. 484, Slg. Bd. 82 S. 657) abgelehnt. Das im Streitfall angewandte Verfahren unterscheidet sich von dem Sachverhalt des Urteils I 202/64 U einmal dadurch, daß zur Finanzierung nur Wechsel, nicht auch Schecks verwendet wurden, zum anderen dadurch, daß die Wechsel nicht zwischen den Lieferern und der steuerpflichtigen GmbH, sondern zwischen dieser und ihrer Hauptgesellschafterin begeben wurden, allerdings auch hier in der von der üblichen Technik abweichenden Rollenvertauschung. Die Stpfl. übergibt den von ihr akzeptierten Wechsel der kreditgebenden D-AG, die ihn als Ausstellerin zeichnet.

So wenig beim Wechsel-Scheck-Verfahren das unzweifelhaft mit der Einlösung des Schecks eintretende Erlöschen der Kaufpreisforderung den wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Finanzierung einer ganz bestimmten Warenforderung zu zerreißen und den dadurch für die GmbH maßgeblichen Charakter der Schuld zu ändern vermag, wie der erkennende Senat im Urteil I 202/64 U festgestellt hat, so wenig beeinflußt im Streitfall das Verhältnis der Wechselausstellerin zur Stpfl. das Wesen der Wechselschuld. Sie entspricht genau nach Umfang und Zeitdauer den einzelnen Warenverbindlichkeiten, die durchgängig kurzfristig sind. Die zusammengehörigen Waren- und Finanzierungsvorgänge lassen sich auch jederzeit individualisieren und nachweisen. Als Bankschulden wären sie wegen ihres eindeutigen Zusammenhangs mit den Warenvorgängen typische Schulden des laufenden Geschäftsverkehrs, da die Annahme eines Mindestkredits in bestimmter Höhe ausscheidet. Die finanzierende D-AG hat insoweit die Aufgabe einer Bank übernommen, und zwar nicht einmal in Form des üblichen Kontokorrentverkehrs, sondern zur betragsmäßig genauen Erfüllung jeder einzelnen Warenverbindlichkeit der Stpfl. Diesem zeitlich vorangehenden Vorgang folgt dann die entsprechende Abdeckung der Schuld an die D-AG über die Hausbanken der Stpfl. Damit schließt sich der Kreis eines aus Warenlieferung, Finanzierung und Tilgung der Forderung bestehenden zusammenhängenden Geschäftsvorgangs, bei dessen Abwicklung keine gewerbesteuerliche Dauerschuld entsteht.

Auch mit der vom FG vorgenommenen hilfsweisen Hervorhebung der im Gesellschaftsverhältnis zwischen der Stpfl. und der D-AG begründeten Kreditgewährung läßt sich die Vorentscheidung nicht halten. Das dafür angezogene Urteil des erkennenden Senats I 37/60 U, a. a. O., hatte die einkommensteuerrechtliche Behandlung von umfangreichen kreditierten Warenforderungen eines Personengesellschafters an seine Gesellschaft als Einlagen zum Gegenstand. Sie betraf die nur aus der besonderen Stellung der Personengesellschaften und ihrer Teilhaber nach § 15 Ziff. 2 EStG zu erklärende grundsätzliche Nichtanerkennung von Darlehen. Für das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern gelten andere Rechtsgrundsätze.

Auf die Revision ist daher die Vorentscheidung und die Gewerbesteuer-Meßbetragsfestsetzung des FA aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412029

BStBl III 1966, 280

BFHE 1966, 192

BFHE 85, 192

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge