Entscheidungsstichwort (Thema)

Regelmäßig keine ErbSt für vom Erblasser bestimmte Testamentsvollstreckervergütung

 

Leitsatz (amtlich)

Die vom Erblasser bestimmte Testamentsvollstreckervergütung unterliegt, auch soweit sie eine angemessene Höhe überschreitet, im Regelfall nicht der Erbschaftsteuer, sondern in vollem Umfang der Einkommensteuer.

 

Normenkette

ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 18 Abs. 1 Nrn. 1, 3; BGB § 2221

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Entscheidung vom 09.01.2002; Aktenzeichen 4 K 7055/99 Erb)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein Steuerberater, wurde von der mit ihm nicht familiär verbundenen, im Jahr 1993 verstorbenen Erblasserin durch Testament zum Testamentsvollstrecker ernannt. Zum Ersatztestamentsvollstrecker war ein anderer Steuerberater bestimmt. Aufgrund der testamentarischen Regelungen erhielt der Kläger für seine Tätigkeit als Testamentsvollstrecker eine Vergütung. Das für seinen Wohnsitz zuständige Finanzamt berücksichtigte die ihm zugeflossene Vergütung in voller Höhe bei der Festsetzung der Einkommensteuer und unterwarf sie zudem mit dem Nettobetrag der Umsatzsteuer.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) beurteilte den nach seiner Ansicht die angemessene Höhe i.S. des § 2221 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) übersteigenden Teil der Vergütung als einen ―unabhängig von der einkommensteuer- und umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung― nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) zu besteuernden Erwerb von Todes wegen (Vermächtnis, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) und setzte dafür gegenüber dem Kläger Erbschaftsteuer fest. Der Einspruch führte nur zu einer Herabsetzung dieser Steuer. Das Finanzgericht (FG) setzte die Erbschaftsteuer lediglich weiter herab und führte zur Begründung der Klageabweisung im Übrigen aus, die Doppelbelastung des unangemessenen Teils der Nettovergütung mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer sei zulässig, ohne dass es darauf ankomme, ob die Vergünstigung des seinerzeit geltenden, inzwischen durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I, 402) mit Wirkung vom 1. Januar 1999 aufgehobenen § 35 des Einkommensteuergesetzes (EStG a.F.) zu gewähren sei.

Mit der Revision wendet sich der Kläger gegen diese Beurteilung.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und die Erbschaftsteuerbescheide vom 16. März und 18. Juni 1998 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung vom 28. September 1999 und der Erbschaftsteuerbescheide vom 16. März und 18. Juni 1998 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass der von ihm als unangemessen hoch angesehene Teil der Testamentsvollstreckervergütung der Erbschaftsteuer unterliege.

1. Die Voraussetzungen für die Festsetzung von Erbschaftsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG liegen nicht vor.

Als nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB). Eine vom Erblasser als Testamentsvollstreckerhonorar bezeichnete Vergütung, die tatsächlich und rechtlich mit der Testamentsvollstreckung zusammenhängt, weil sie der Testamentsvollstrecker nur dann erhält, wenn er sein Amt ausübt, ist kein Vermächtnis im Sinne dieser Vorschrift, auch soweit sie eine angemessene Höhe i.S. des § 2221 BGB übersteigt. Einer Beurteilung als Vermächtnis steht entgegen, dass der Testamentsvollstrecker aufgrund der Verfügungen des Erblassers im Testament einen Anspruch auf die Vergütung nur im Hinblick auf die Führung seines Amts hat. Der Testamentsvollstreckervergütung fehlt, auch wenn sie überhöht ist, als Teil eines Leistungsaustausches das Merkmal der Unentgeltlichkeit.

Soweit zivilrechtlich der unangemessene Teil der Testamentsvollstreckervergütung als Vermächtnis beurteilt wird, handelt es sich um eine für das Erbschaftsteuerrecht nicht verbindliche Fiktion, die dem Schutz der Nachlassgläubiger bei Nachlassinsolvenz dient. Während die Testamentsvollstreckervergütung in angemessener Höhe zu den Masseschulden (§ 324 Abs. 1 Nr. 6 der Insolvenzordnung ―InsO―, früher § 224 Nr. 6 der Konkursordnung ―KO―) zählt, wird sie im Übrigen zu den nachrangigen Ansprüchen nach § 327 Abs. 1 Nr. 2 InsO (früher § 226 Abs. 2 Nr. 5 KO) gerechnet (Zimmermann in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Aufl., § 2221 Rdnr. 3; Damrau in Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., § 2221 Rdnr. 4; Reimann in Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, Neubearbeitung 2003, § 2221 Rdnr. 24; Bauch in Braun, Insolvenzordnung, Kommentar, 2. Aufl., § 324 Rdnr. 8; Schallenberg/ Rafiqpoor in Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., § 324 Rdnr. 22; Siegmann in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 324 Rdnr. 12; Hess in Hess/Weis/Wienberg, Insolvenzordnung, Kommentar, 2. Aufl., § 324 Rdnr. 15). Dadurch wird verhindert, dass der Erblasser den Testamentsvollstrecker durch Festlegung einer überhöhten Vergütung zum Nachteil anderer Nachlassgläubiger bevorzugen kann.

Diese zivilrechtliche Beurteilung der Testamentsvollstreckervergütung verfolgt somit einen spezifischen Zweck, dem für die Erbschaftsteuer keine Bedeutung zukommt und der für diese Steuer deshalb nicht übernommen werden kann. Jeder gesetzliche Tatbestand ist aus sich selbst heraus ―nach seiner eigenen, spezifischen Teleologie― auszulegen. Dies gilt schon innerhalb des Normengefüges des BGB und des übrigen Zivilrechts. Umso mehr gilt dies dann, wenn ―wie hier― die Auslegung von Tatbestandsmerkmalen in solchen Gesetzen in Betracht kommt, die ganz verschiedenen Teilrechtsordnungen angehören (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 2. März 1994 II R 59/92, BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366, unter II. 1. f cc). So hindert die zivilrechtliche Behandlung des unangemessenen Teils der Testamentsvollstreckervergütung als Vermächtnis auch einkommensteuerrechtlich nicht, die Vergütung in vollem Umfang den Einkünften aus selbständiger Arbeit zuzurechnen (BFH-Urteil vom 6. September 1990 IV R 125/89, BFHE 161, 552, BStBl II 1990, 1028). Dabei besteht eine Vermutung dafür, dass eine vom Erblasser als Testamentsvollstreckerhonorar bezeichnete Vergütung tatsächlich und rechtlich mit der Testamentsvollstreckung zusammenhängt; denn sie ist im Gegensatz zum Vermächtnis dadurch gekennzeichnet, dass der Testamentsvollstrecker sie nur dann erhält, wenn er sein Amt ausübt (BFH-Urteil in BFHE 161, 552, BStBl II 1990, 1028).

Nur soweit die vom Erblasser als Testamentsvollstreckerhonorar bezeichnete Vergütung aufgrund besonderer Umstände tatsächlich und rechtlich nicht mit der Testamentsvollstreckung zusammenhängt und daher nicht zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 EStG zählt, kommt eine Beurteilung als Vermächtnis i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Betracht.

2. Da das FG diese Rechtsgrundsätze verkannt hat, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die vom Kläger bezogene Testamentsvollstreckervergütung unterliegt in vollem Umfang der Einkommensteuer und nicht teilweise der Erbschaftsteuer. Die Vermutung, dass die von der Erblasserin bestimmte Testamentsvollstreckervergütung tatsächlich und rechtlich mit der Testamentsvollstreckung zusammenhängt, ist nicht widerlegt. Die vom FG festgestellten Umstände, insbesondere, dass der Ersatztestamentsvollstrecker die gleiche Vergütung hätte erhalten sollen, bestätigen vielmehr diese Vermutung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1343316

BFH/NV 2005, 974

BStBl II 2005, 489

BFHE 2005, 441

BFHE 208, 441

BB 2005, 1098

DB 2005, 1148

DStR 2005, 825

DStRE 2005, 680

DStZ 2005, 359

HFR 2005, 663

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