Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen einer wirksamen Klageerhebung

 

Leitsatz (NV)

Eine Klage ist auch dann schriftlich erhoben worden, wenn die Klageschrift nicht unterzeichnet wurde, sie aber eine eingehende, auf den Streitfall bezogene Klagebegründung sowie Namen und Anschrift des Klägers enthält und in einem Briefumschlag an das FG übersandt wurde, der vom Kläger handschriftlich adressiert und mit seiner Absenderangabe versehen worden ist (Anschluß an Urteil in BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131).

 

Normenkette

FGO § 64 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Bremen

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) machte in ihrem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1983 erfolglos Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Die in diesem Punkt ablehnende Einspruchsentscheidung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) wurde ihr durch Postzustellungsurkunde am 3. Juli 1985 zugestellt.

Am 1. August 1985 ging beim Finanzgericht (FG) ein Schriftsatz ein, der unter anderem wie folgt lautete:

,,Hiermit erhebe ich, (Vor- und Zuname), wohnhaft . . .str. . . . in . . ., Klage gegen das Finanzamt . . . In der Einspruchsentscheidung in der Lohnsteuerjahresausgleichssache für das Jahr 1983 vom 2. Juli 1985 (St. Nr. . . ., Listen-Nr. . . .) verweigert das Finanzamt . . . die Anerkennung meines Arbeitszimmers . . ."

Der Schriftsatz trug weder eine Unterschrift noch ein Datum. Er enthält eine eingehende, das geltend gemachte Arbeitszimmer betreffende Klagebegründung. In ihm ist ferner auf in Ablichtung als Anlage beigefügte Schreiben Bezug genommen, die - im Streitjahr und in früheren Jahren - im Zusammenhang mit der Anerkennung des Arbeitszimmers an das FA gerichtet waren.

Der die Klageschrift und die Anlagen enthaltende Briefumschlag ist als Absenderangabe handschriftlich mit dem Namen und der Anschrift der Klägerin versehen.

Nachdem der Vorsitzende des für die Sache zuständigen FG-Senats auf das Fehlen der Unterschrift hingewiesen hatte, holte die Klägerin diese am 8. August 1985, d. h. nach Ablauf der Klagefrist, nach. Der Namenszug entspricht hinsichtlich der Anzahl und der Größe der Buchstaben jenem, der auf dem die Klageschrift enthaltenden Briefumschlag angebracht ist.

Das FG vertrat in seinem Zwischenurteil vom 21. Februar 1986 die Auffassung, daß die Klage zulässig sei. Der die Frage einer formwirksamen Klageerhebung betreffenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei zwar insoweit zuzustimmen, als die Klage - oder zumindest ein ihr beigefügtes Begleitschreiben - die eigenhändige Unterschrift des Absenders enthalten müsse. Denn nur so werde jeder Zweifel darüber ausgeschlossen, daß es sich bei dem Schreiben nicht um einen versehentlich an das Gericht gelangten Entwurf handele. Die Unterschrift könne aber auch noch nach Ablauf der Klagefrist nachgeholt werden.

Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision. Es rügt die Verletzung des § 64 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Eine Klage, bei der die Unterschrift des Absenders außerhalb der Klagefrist hinzugefügt worden sei, sei nicht formwirksam erhoben.

Das FA beantragt, das Zwischenurteil des FG aufzuheben und die Klage als unzulässig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG ist im Ergebnis zu Recht von einer den Anforderungen des § 64 Abs. 1 Satz 1 FGO genügenden Klageschrift ausgegangen.

1. Der III. Senat des BFH hat in seinem - zeitlich nach der Entscheidung der Vorinstanz ergangenen - Urteil vom 3. Oktober 1986 III R 207/81 (BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131) die Auffassung vertreten, daß die gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 FGO erforderliche Schriftform auch dann gewahrt ist, wenn sich aus dem bei Gericht eingegangenen, nicht unterzeichneten bestimmenden Schriftsatz in Verbindung mit weiteren beigefügten Unterlagen die Urheberschaft und der Wille ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, ohne daß darüber Beweis erhoben werden müßte. Er hat in dem genannten Urteil diese Voraussetzungen als erfüllt angesehen, wenn die Klageschrift nebst Anlagen eine eingehende, auf den Streitfall bezogene Klagebegründung enthält und der Briefumschlag, in dem sich die Schriftstücke befanden, vom Kläger selbst handschriftlich adressiert und mit seiner vollen Absenderangabe versehen worden ist.

2. Hiervon ist auch im Streitfall auszugehen. Die Klage enthielt - maschinenschriftlich - Namen und Anschrift der Klägerin, die Bezeichnung der Einspruchsentscheidung und - unter Bezugnahme auf die beigefügten Anlagen - eine eingehende, auf den Streitfall bezogene Klagebegründung. Darüber hinaus ist der Briefumschlag, mit dem die Klageschrift nebst Anlagen ausweislich der FG-Akten übersandt worden ist, nach dem äußeren Erscheinungsbild von der Klägerin selbst handschriftlich adressiert und mit ihrer Absenderangabe versehen worden. Hieraus ergibt sich nach Meinung des Senats hinreichend deutlich, daß es sich bei der dem FG ohne Unterschrift übersandten Klage nicht nur um einen - ohne Wissen und Wollen der Klägerin versehentlich in den Postverkehr gelangten - Entwurf handelte.

3. Der Senat konnte die zu seiner Entscheidung notwendigen tatsächlichen Feststellungen ohne Beachtung der in § 118 Abs. 3 Satz 1 FGO enthaltenen Einschränkung selbst treffen, weil es sich bei der Frage einer formwirksamen Klageerhebung um eine Sachurteilsvoraussetzung handelt (z. B. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1984 IV R 274/83, BFHE 143, 198, BStBl II 1985, 367).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416804

BFH/NV 1990, 586

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