Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage, ob die ausschüttende Kapitalgesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig ist, ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht während des ganzen Wirtschaftsjahres bestanden hat, dessen Gewinn ausgeschüttet wird.

Ein Gewinnausschüttungsbeschluß einer GmbH ist jedenfalls dann vom Finanzamt steuerlich zu berücksichtigen, wenn er vor Durchführung der Veranlagung beim Finanzamt vorliegt. § 4 Abs. 2 EStG ist nicht anwendbar.

 

Normenkette

KStG § 19 Abs. 3; KStDV § 29

 

Tatbestand

Am 30. Dezember 1959 fand eine Gesellschafterversammlung der ... GmbH statt. Auf dieser Gesellschafterversammlung wurden u. a. nacheinander folgende Beschlüsse gefaßt:

Für das Geschäftsjahr 1958 wird eine Dividende von 650 000 DM ausgeschüttet.

Für die Zeit vom 1. Januar 1959 bis zum 30. September 1959 wird eine Interims-Dividende von 650 000 DM ausgeschüttet.

Das Vermögen der ... GmbH und ihre Verbindlichkeiten gehen unter Ausschluß der Liquidation auf Grund des Umwandlungsgesetzes vom 12. November 1956 vom Zeitpunkt der Eintragung der Umwandlung ab auf eine zu diesem Zwecke gleichzeitig errichtete Gesellschaft bürgerlichen Rechts über. Der Umwandlung liegt die Bilanz zum 30. September 1959 zugrunde. Mit der Eintragung der Umwandlung ist die ... GmbH erloschen.

Die Umwandlung wurde in das Handelsregister am ... März 1960 eingetragen. Die Dividenden wurden im Anschluß an die Unterzeichnung des Ausschüttungsbeschlusses durch übergabe von Verrechnungsschecks ausgezahlt.

Streitig ist, ob die Ausschüttungen trotz der Umwandlung berücksichtigungsfähige Ausschüttungen im Sinne von § 19 Abs. 3 KStG sind.

Das Finanzamt hat dies verneint; § 2 Abs. 2 des Gesetzes über Steuererleichterungen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 11. Oktober 1957 (UmwStG) - BGBl 1957 I S. 1713 - fingiere mit Wirkung für die Steuern vom Einkommen, Ertrag und Vermögen der umgewandelten Kapitalgesellschaft, der übernehmenden Personengesellschaft sowie der Gesellschafter, daß die Umwandlung bereits am Stichtag vollzogen worden sei. Steuerrechtlich gelte die GmbH daher ab 30. September 1959 als erloschen. Den zwischen dem Umwandlungsstichtag und dem Tag der Beschlußfassung getätigten Gewinnausschüttungen werde daher steuerrechtlich auch der Charakter einer Ausschüttung im Sinne des § 19 KStG genommen. Sie seien steuerlich als Entnahmen aus der Personengesellschaft zu behandeln; daher sei für den Begriff der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen im Sinne des § 19 Abs. 3 KStG kein Raum mehr.

Die Steuerpflichtige ist dagegen der Ansicht, die Beachtung der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften für die Beschlußfassung über die Gewinnverteilung sei die einzige Voraussetzung für die Berücksichtigungsfähigkeit von Ausschüttungen nach § 19 Abs. 3 KStG. Da der Beschluß einstimmig in einer ordnungsgemäß abgehaltenen Gesellschafterversammlung gefaßt worden sei, sei das Tatbestandsmerkmal des § 19 Abs. 3 KStG erfüllt. Es treffe auch nicht zu, daß die GmbH mit dem Umwandlungsstichtag (30. September 1959) erloschen sei. Nach § 2 Abs. 2 UmwStG seien lediglich einige für die Besteuerung wichtige Größen, nämlich das Einkommen, der Ertrag und das Vermögen so zu berechnen, als ob das Vermögen am Umwandlungsstichtag auf die übernehmende Personengesellschaft übertragen und die GmbH aufgelöst worden wäre. Daraus ergebe sich eindeutig, daß die GmbH auch steuerlich über den Umwandlungsstichtag hinaus bestanden habe.

Eine Fiktion, daß die Umwandlung bereits am Stichtag vollzogen werde, sei in § 2 Abs. 2 UmwStG nicht enthalten. § 2 Abs. 2 UmwStG spreche an keiner Stelle von den "Steuern vom Einkommen, vom Ertrag und vom Vermögen", sondern nur vom "Einkommen, Ertrag und Vermögen". Der Ausschüttungsbeschluß wirke sich weder auf das Einkommen und den Ertrag der GmbH nach dem Umwandlungsstichtag noch auf das Einkommen und den Ertrag vor dem Umwandlungsstichtag aus. Er wirke sich lediglich auf den Steuersatz eines Veranlagungszeitraums vor dem Umwandlungsstichtag aus und könne daher von § 2 Abs. 2 UmwStG nicht berührt werden. Tarifvorschriften oder Vorschriften über Steuersätze in anderen Steuergesetzen hätten durch § 2 Abs. 2 UmwStG keine änderung erfahren. Diese Bestimmung betreffe vielmehr nur die Zeit nach dem Umwandlungsstichtag, während der Ausschüttungsbeschluß die Zeit vor dem Umwandlungsstichtag betreffe.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht führt u. a. aus, mit steuerlicher Wirkung seien Gewinnausschüttungen nach dem Umwandlungsstichtag nicht mehr denkbar, weil der Umwandlungsbeschluß auf den Umwandlungsstichtag zurückwirke und das Vermögen der umgewandelten Kapitalgesellschaft so zu ermitteln sei, als ob es bereits am Umwandlungsstichtag übertragen worden wäre. Die Rückbeziehung für Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen sei eine gesetzliche Fiktion, deren Folgen zwingend seien.

Da nach dem Umwandlungsstichtag erfolgte Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter einer GmbH, die an der Umwandlung teilnehmen, auf Grund des § 2 Abs. 2 UmwStG rückwirkend als Entnahmen anzusehen, also "zurückzudrehen" seien, verlören sie ihren Charakter als Gewinnausschüttungen. Sie seien für Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen als nicht geschehen anzusehen. Die Grundvoraussetzung für das Vorliegen von Gewinnausschüttungen, daß tatsächlich Werte aus dem Vermögen der Gesellschaft den Gesellschaftern übertragen werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 2/52 U vom 1. April 1952, BStBl 1952 III S. 148, Slg. Bd. 56 S. 380), komme durch die Rückgängigmachung der Wertübertragungen in Fortfall. Steuerlich handele es sich bei ihnen nur noch um Entnahmen aus der Personengesellschaft, auf die die Kapitalgesellschaft umgewandelt sei. Entnahmen aus einer Personengesellschaft berechtigten aber nicht zu einer Ermäßigung der Körperschaftsteuer für die umgewandelte Kapitalgesellschaft.

Die Steuerpflichtige hat Rb. eingelegt und mündliche Verhandlung beantragt. Dem Senat erschien es zweckmäßig, vorerst einen Bescheid zu erlassen (§ 294 Abs. 2 AO).

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.

Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß sich gemäß § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG 1958 die Körperschaftsteuer für berücksichtigungsfähige Ausschüttungen auf 26,5 v. H. des Einkommens ermäßigt; berücksichtigungsfähige Ausschüttungen sind nach § 19 Abs. 3 KStG die auf Grund eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vorgenommenen Gewinnausschüttungen. Ein Gewinnverteilungsbeschluß liegt unstreitig vor. Der Vorinstanz kann aber nicht in der Ansicht gefolgt werden, eine Gewinnausschüttung sei nach dem Umwandlungsstichtag nicht mehr denkbar, da die Kapitalgesellschaft von da an vermögenslos gewesen sei.

Zwar sind gemäß § 2 Abs. 2 UmwStG das Einkommen, der Ertrag und das Vermögen der umgewandelten GmbH und der Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft so zu ermitteln, als ob bereits an dem Umwandlungsstichtage das Vermögen der Kapitalgesellschaft auf die Personengesellschaft übertragen und die Kapitalgesellschaft aufgelöst worden wäre. Wie der erkennende Senat im Urteil I 180/62 U vom 6. November 1963 (BStBl 1964 III S. 209) ausgeführt hat, wird hiernach für die genannten Steuern fingiert, daß die Umwandlung bereits am Umwandlungsstichtag vollzogen wird und die Steuerpflicht der umgewandelten GmbH erlischt. Die von der GmbH nach dem Umwandlungsstichtag ausgeführten Geschäftsvorfälle werden darum für die Besteuerung des Einkommens der Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes zugerechnet; der von der GmbH in dieser Zeit bis zu ihrem tatsächlichen Erlöschen erzielte Gewinn ist durch die Rückbeziehung der Umwandlung nach § 2 Abs. 2 UmwStG als Gewinn der Personengesellschaft zu versteuern.

Diese Fiktion bewirkt aber kein Erlöschen der GmbH, da diese gemäß § 5 des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 12. November 1956 (UmwG) - BGBl 1956 I S. 844 - erst mit der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister als aufgelöst gilt. Ein Gewinnverteilungsbeschluß nach dem Umwandlungsstichtag, der sich auf vor diesem Zeitpunkt liegende Gewinne bezieht, wird von der Fiktion des § 2 Abs. 2 UmwStG nicht erfaßt; die körperschaftsteuerliche Behandlung der vor dem Umwandlungsstichtag liegenden Veranlagungszeiträume wird durch die Rückbeziehung des Umwandlungsvorganges nicht beeinflußt.

Dem Finanzgericht kann nicht gefolgt werden, wenn es annimmt, es seien keine Werte aus dem Vermögen der GmbH auf die Gesellschafter übertragen worden. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob aus § 2 Abs. 2 UmwStG zu schließen ist, daß die GmbH vom Umwandlungsstichtag an vermögenslos war oder ob es sich hierbei nur um eine Vorschrift über die Vermögensermittlung handelt, die dazu führt, daß das Vermögen der GmbH nicht bei dieser, sondern bei der Personengesellschaft erfaßt wird. Die Frage, ob ausschüttungsfähige Beträge vorliegen, ist mit dem Urteil I 180/62 U (a. a. O.) nach den handelsrechtlichen Verhältnissen zu beurteilen; hiernach hatte die GmbH Vermögen, über das sie verfügen konnte. Es ist im vorliegenden Falle auch nicht die Rede davon, daß die ausgeschütteten Beträge auf die Gesellschaft zurückübertragen worden wären, noch ist ersichtlich, daß eine Verpflichtung hierzu gegeben war, wie das Finanzgericht meint. Auch die Voraussetzung des Gesetzes, daß die ausschüttende Kapitalgesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig sein muß, ist erfüllt. Der Dividendenausschüttungsbeschluß wirkt in übereinstimmung mit § 29 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes für das Jahr, für das ausgeschüttet wird. Der in Rede stehende Ausschüttungsbeschluß bezieht sich auf das Wirtschafts- (Kalender-) Jahr 1958, in dessen gesamten Verlauf die ausschüttende Gesellschaft unstreitig unbeschränkt steuerpflichtig war. Wie die Rechtslage bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr wäre, kann hier dahingestellt bleiben.

Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß die Gewinnausschüttung erst am 30. Dezember 1959, also nach Einreichung der Körperschaftsteuererklärung am 21. September 1959 beschlossen worden ist. Dem Finanzamt kann nicht in der Ansicht gefolgt werden, daß die nachträgliche Gewinnausschüttung eine Bilanzänderung im Sinne von § 4 Abs. 2 EStG darstellt, die der Genehmigung des Finanzamts bedarf. Bilanzänderung in diesem Sinne ist der Ersatz eines handels- und steuerrechtlich zulässigen Bilanzansatzes durch einen anderen ebenfalls zulässigen Bilanzansatz; eine solche Bilanzänderung hat eine Veränderung des Bilanzergebnisses zur Folge, die aber hier nicht eintritt. Der Gewinnverteilungsbeschluß liegt im allgemeinen zeitlich nach der Gewinnfeststellung, also nach Abschluß des Wirtschaftsjahres. In § 46 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nach dem die Gesellschafter über die Verteilung des Reingewinns beschließen, ist eine zeitliche Begrenzung für die Beschlußfassung nicht vorgesehen. Es ist zwar nicht anzuerkennen, daß der Gewinnausschüttungsbeschluß eine unbegrenzt lange Zeit nach Abschluß des Wirtschaftsjahres erfolgen kann, weil dies dem handelsrechtlichen Erfordernis nach einem zutreffenden Vermögensausweis widersprechen würde. Dies Bedenken greift im vorliegenden Falle nicht Platz; es besteht auch kein Anlaß, die Frage zu vertiefen, denn hier lag der Gewinnverteilungsbeschluß jedenfalls vor Durchführung der Veranlagung beim Finanzamt vor; dieser war darum bei der Veranlagung zu berücksichtigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411290

BStBl III 1964, 533

BFHE 1965, 162

BFHE 80, 162

BB 1964, 1159

DB 1964, 1397

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