Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckung eines Duldungsbescheids während des Konkurses

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Antrag beim BFH auf Aussetzung der Vollziehung bis zur Entscheidung über die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, wenn das FA mit Berufung auf die klageabweisende Entscheidung des FG die Vollstreckung aus dem angefochtenen Bescheid angekündigt hat.

2. Es erscheint als möglich, daß die im Hauptverfahren angezogenen Vorschriften des § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AnfG auch für die Vollstreckung eines Duldungsbescheides als Teil des Verfahrens über den Anfechtungsanspruch Geltung beanspruchen können und demgemäß Vollstreckungsmaßnahmen durch das FA als Konkursgläubiger während des Konkurses des Schuldners rechtswidrig sein könnten.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 3-4; AnfG § 13; FGO § 138 Abs. 1, 2 VGFGEntlG Art. 3 § 7 Abs. 1

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des Antragstellers gegen den Anfechtungs- und Duldungsbescheid des Antragsgegners (Finanzamt - FA -) als unbegründet ab und ließ die Revision zu. Im Laufe des Klageverfahrens war über das Vermögen des Schuldners des Antragstellers (und duldungspflichtigen Anfechtungsgegners) der Konkurs eröffnet worden. Noch während der Frist zur Einlegung der Revision kündigte das FA dem Antragsteller die Vollstreckung aus dem streitbefangenen Bescheid an, woraufhin der Antragsteller beim Bundesfinanzhof (BFH) einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bis zur Entscheidung über die Revision stellte. Nunmehr setzte das FA aufgrund des an den BFH gerichteten Antrags die Vollziehung des Anfechtungs- und Duldungsbescheids aus.

Im vorliegenden Verfahren beantragte das FA die Verwerfung des Aussetzungsantrags, da der Antragsteller bei ihm einen Antrag nach § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht gestellt habe, so daß es ihm nicht möglich gewesen sei, sich mit den Einwendungen des Antragstellers in der Revisionsinstanz sachlich auseinanderzusetzen. Dem Antrag - an den BFH - sei stillschweigend gefolgt worden; der Antragsteller könne sich daher nicht auf Art. 3 § 7 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) berufen.

Unter dem ... zeigte der Antragsteller die Aussetzung durch das FA an und erklärte seinen Antrag - an den BFH - für erledigt.

Das FA hält den Antrag zwar weiterhin für unzulässig, erklärte gleichwohl aber ebenfalls die Hauptsache für erledigt.

 

Entscheidungsgründe

Nachdem übereinstimmende Erledigungserklärungen vorliegen, hat der Senat nur noch über die Kosten zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung ergeht, wenn während des gerichtlichen Aussetzungsverfahrens die Finanzbehörde dem Begehren des Antragstellers entspricht, nach § 138 Abs. 1 FGO und nicht nach § 138 Abs. 2 FGO, denn der Rechtsstreit hat sich dann nicht durch Rücknahme oder Änderung eines in diesem Verfahren angefochtenen Verwaltungsakts erledigt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluß vom 16. November 1967 V B 9/67, BFHE 90, 456, BStBl II 1968, 120; ferner die Nachweise bei Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 138 FGO Tz. 57, 65; ebenso Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 138 Rdnr. 7, 31).

Unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes entspricht es billigem Ermessen, die Kosten dem FA aufzuerlegen, weil dieses Anlaß zur Antragstellung gegeben hat und der beim BFH gestellte Antrag voraussichtlich auch Erfolg gehabt hätte.

Entgegen der Auffassung des FA war der Antrag zulässig.

Nach Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 1 VGFGEntlG (jetzt § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO) ist zwar ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das Gericht nach § 69 Abs. 3 FGO nur zulässig, wenn die Finanzbehörde zuvor einen entsprechenden Antrag ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Nach Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VGFGEntlG (jetzt § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO) gilt dies aber nicht, wenn eine Vollstreckung droht; und nach Nr. 4 dieser Vorschrift gilt es auch nicht, wenn es dem Beteiligten wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles aus sonstigen als den in den Nrn. 1 bis 4 aufgeführten Gründen nicht zumutbar ist, zunächst einen Antrag bei der Finanzbehörde zu stellen.

Es kann dahinstehen, ob dem Antragsteller aufgrund der Ankündigung der Vollstreckung durch das FA diese i.S. von Nr. 3 der genannten Vorschrift drohte (vgl. insofern einerseits BFH-Beschluß vom 5. Juni 1985 II S 3/85, BFHE 143, 414, BStBl II 1985, 469, andererseits Senatsbeschluß vom 29. Oktober 1985 VII B 69/85, BFHE 145, 17, BStBl II 1986, 236), denn jedenfalls war ihm die unmittelbare Antragstellung bei der Finanzbehörde nicht mehr zumutbar, nachdem das FG seine Klage in der Hauptsache abgewiesen, damit den Standpunkt des FA zur Rechtmäßigkeit des Duldungsbescheides gebilligt und das FA mit Berufung hierauf die Vollstreckung aus dem Bescheid angekündigt hatte, der Antragsteller also nicht damit rechnen konnte, daß das FA einem allein mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheides begründeten Aussetzungsantrag stattgeben würde.

Der Aussetzungsantrag war aber auch begründet.

Der Senat läßt es dahinstehen, ob nicht schon stets dann ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts (§ 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO) anzunehmen sind, wenn das FG im Anschluß an sein die Klage abweisendes Urteil dessen Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuläßt. Im Streitfall jedenfalls hatte der Antragsteller nicht nur berechtigten Anlaß, nach Ankündigung der Vollstreckung durch das FA den mit Einlegung der Revision zuständig gewordenen BFH unmittelbar anzurufen. Es bestanden auch ernstliche Zweifel an der Vollziehbarkeit des Duldungsbescheides in dem Zeitpunkt, da über das Vermögen des Schuldners des Anfechtungsgegners (Antragsteller) bereits der Konkurs eröffnet worden war. Der Senat hat der Revision im Hauptverfahren stattgegeben, weil das FG-Urteil wegen der kraft Gesetzes erfolgten Unterbrechung des Gerichtsverfahrens aufgrund des Konkurses nicht hätte ergehen dürfen. Der Senat hält es für möglich, daß die im Hauptverfahren angezogenen Vorschriften des § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens auch für die Vollstreckung des Duldungsbescheides als Teil des Verfahrens über den Anfechtungsanspruch Geltung beanspruchen können und demgemäß Vollstreckungsmaßnahmen durch das FA als Konkursgläubiger während des Konkurses des Schuldners rechtswidrig sein könnten; jedenfalls hätte der beschließende Senat, wäre das FA nicht seinerseits entsprechend tätig geworden, wegen dieser besonderen verfahrensrechtlichen Situation dem Aussetzungsantrag voraussichtlich nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 FGO stattgegeben.

Bei dieser Sachlage erscheint es billig, die Kosten des in der Hauptsache erledigten Verfahrens dem FA als derjenigen Partei aufzuerlegen, die bei Durchführung des Verfahrens voraussichtlich unterlegen wäre (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 138 Rdnr. 27, 31).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419927

BFH/NV 1994, 893

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