Entscheidungsstichwort (Thema)

Kauf eines bebauten Grundstücks statt des Abschlusses zweier grunderwerbsteuerrechtlich selbständiger Verträge (Grundstückskaufvertrag und Werkvertrag)

 

Leitsatz (NV)

Die Rechtmäßigkeit eines GrESt-Bescheides, in dem die GrESt auf der Grundlage von Grundstücks- und Gebäudekaufpreis festgesetzt ist, unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln, wenn die Ast. auf Grund rechtlicher Verknüpfung von Grundstückskaufvertrag und Werkvertrag ein bebautes Grundstück erworben haben.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 3, 2 S. 2; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nrn. 1, 6-7, Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Mit Kaufvertrag zur Urkunde des Notars H in F (URNr. 57/84) vom 26. April 1984 erwarben die Ast. zu gleichen Anteilen ein Trenngrundstück, das in der Urkunde näher bezeichnet ist, zum Kaufpreis von . . . DM zuzüglich . . . DM Ablösebetrag für die Herstellung von Kinderspielplätzen. In diesem Vertrag verpflichteten sich die Ast., ,,das Kaufgrundstück innerhalb von zwei Jahren . . . mit einem Eigenheim entsprechend den als Anlage zu der Urkunde URNr. 9/1984 vom 16. April 1984 des Urkundsnotars beigefügten Plänen und Baubeschreibung zu bebauen . . .". Während dieses Zeitraumes war die weitere Veräußerung des Kaufgrundbesitzes nicht gestattet. Bei Verstoß gegen die Bebauungsverpflichtung bzw. das Veräußerungsverbot sollte der Verkäufer zum Vertragsrücktritt berechtigt sein. Bei Rücktritt vor Baubeginn hatten die Erwerber lediglich Anspruch auf Entschädigung in Höhe des Kaufpreises ohne Beilegung von Zinsen; sollte der Rücktritt nach Baubeginn erfolgen, war darüber hinaus eine Entschädigung für die auf dem Grundstück erbrachte Bauleistung zu vergüten, ,,soweit dieser Wert bei der Weiterveräußerung des Kaufbesitzes mit dem nicht fertiggestellten Gebäude durch den Veräußerer erzielbar ist". Die Erwerber konnten auch einen Nachfolger benennen. Zur Sicherung des Rückauflassungsanspruchs war eine Auflassungsvormerkung gleichzeitig mit der Eigentumsumschreibung auf die Erwerber einzutragen, zu deren Löschung nach Vorlage der Baufertigstellungsanzeige durch die Veräußerin verpflichtete.

Bereits am 24. Februar 1984 hatten die Ast. mit der X-BAU GmbH (X) einen Werkvertrag abgeschlossen, der von den Ast., der X und deren Vertriebsbeauftragten unterzeichnet ist. Zum Ort der Leistung heißt es in diesem Vertrag, das Haus werde als Teil der Reihenhausbebauung auf dem aus der Anlage ersichtlichen Grundstück errichtet; der Bauherr werde das Grundstück erwerben. Der Werkvertrag sieht für den Bauherrn ein Kündigungsrecht vor, wenn ihm der Erwerb des Grundstückes durch die Stadt F oder ,,dessen Vertreter" unmöglich gemacht werde. Kündigt der Bauherr vor Baubeginn ohne Angaben von Gründen, schuldet er 12 v. H. des Gesamtpreises als Reuegeld. In dem Werkvertrag wird der X der Auftrag zur Erstellung eines Hauses ,,gemäß der Baubeschreibung Anlage 1 und der Planzeichnung Anlage 2 . . ." auf dem vorher bezeichneten Grundstück erteilt. Die Planzeichnungen sind mit denen der Anlage zur Urkunde URNr. 9/1984 vom 16. April 1984, die im Grundstückskaufvertrag erwähnt ist, identisch. Weiter heißt es in Ziff. 9.1 des Werkvertrages: ,,Der Kaufpreis beträgt einschließlich der am Tage des Vertragsschlusses gültigen Mehrwertsteuer: DM . . ." Die Werbeunterlagen der X tragen ein Titelblatt mit folgenden Angaben: ,, Bauvorhaben F 6 Reihenhäuser - Planung und Generalunternehmer X-Bau GmbH . . . - Grundstückseigentümer und Veräußerer Entwicklungsgesellschaft F mbH . . .". In den Werbeunterlagen heißt es dann: ,,Eigentümer des Grundstücks ist die Entwicklungsgsellschaft F. Von dieser Gesellschaft werden Sie das Grundstück direkt erwerben."

Das FA setzte mit Bescheiden vom 1. Juni 1984 unter Zugrundelegung einer Besteuerungsgrundlage von je 1/2 aus der Summe des Grundstücks- und Gebäudekaufpreises gegen jeden der Ast. je . . . DM GrESt fest. Die Bescheide tragen folgende Erläuterungen: ,,Die von Ihnen abgeschlossenen Verträge (Werkvertrag und Kaufvertrag) bilden ein einheitliches, auf den Erwerb des fertigen Hauses gerichtetes Vertragswerk (BFH-Urteil vom 23. 6. 1982 II R 155/80, BStBl II 1982, 741). Der GrESt unterliegt daher die Gegenleistung für das Grundstück und das Gebäude."

Mit den Einsprüchen, über die noch nicht entschieden ist, wehren sich die Ast. gegen die Einbeziehung des Gebäudekaufpreises in die Besteuerungsgrundlage. Sie legten in Ablichtung ein Schreiben der Stadt F an die Entwicklungsgesellschaft vom März 1984 betreffend den ,,Vertrag mit der Firma X" und unter Bezugnahme auf ,,die von der Fa. X eingereichten Unterlagen: Lageplan, Erd-, Ober- und Dachgeschoßgrundrisse, Straßen- und Gartenansicht, Leistungs- und Ausstattungsbeschreibung" bei. In dem Schreiben heißt es: ,,Gegen den Abschluß eines Vertrages bestehen planungsrechtlich keine Bedenken. Der Erwerber ist jedoch auf folgendes hinzuweisen . . . (folgt 1. mit 5.). Die vertraglichen Regelungen sind auch für die Rechtsnachfolger als verbindlich festzulegen." Dieses ,,Schreiben" ist offenbar (zumindest teilweise) Gegenstand der im Kaufvertrag erwähnten Anlage zur Urkunde URNr. 9/1984 vom 16. April 1984. Nach Ablehnung eines Antrages auf Aussetzung der Vollziehung durch das FA haben die Ast. Antrag aus § 69 Abs. 3 FGO beim FG gestellt. Zur Begründung haben sie vorgetragen: Im Grundstückskaufvertrag sei lediglich die Verpflichtung übernommen worden, das Grundstück nach bestimmten Plänen und Baubeschreibungen zu bebauen. Einzelheiten über die Art der Bebauung seien in der dazugehörigen Urkunde URNr. 9/84 vom 16. April 1984 enthalten. Auch enthalte der notariell beurkundete Kaufvertrag keine Vereinbarung darüber, daß die Bauarbeiten von einem bestimmten Bauunternehmer durchzuführen seien. Es seien weder Vollmachten erteilt noch ein Treuhänder eingesetzt worden. Die X und die Entwicklungsgesellschaft F seien weder unmittelbar noch mittelbar über Dritte aneinander beteiligt. Auch bestehe keine wirtschaftliche Verflechtung. Allein aus der Tatsache, daß es für die Ast. zweckmäßig gewesen sei, die X als Werkunternehmer in Anspruch zu nehmen, könne keine vertragliche Verklammerung zwischen Grundstückskaufvertrag und Werkvertrag hergeleitet werden. Sie legten ein Schreiben der Entwicklungsgesellschaft vom April 1984 vor, in welchem ,,wunschgemäß bestätigt wird, daß das Baugrundstück ohne Bindung an einen Baubetreuer oder Bauträger veräußert wurde. Der Grundstückskaufvertrag" sei nicht vom Abschluß eines Werkvertrages abhängig gemacht worden; die Vorlage von Werkverträgen sei keine Bedingung im notariell beurkundeten Kaufvertrag gewesen. Allerdings habe im Hinblick auf die Reihenhausbetreuung durch Beifügung von Planunterlagen zur notariellen Mutterurkunde vom 16. April 1984 sichergestellt werden müssen, daß das Bauvorhaben entsprechend diesen Unterlagen ausgeführt werde, um eine städtebaulich einheitliche Lösung und gute Gestaltung zu erreichen. Das FG hat den Antrag abgelehnt. Es ist der Auffassung, die Würdigung der Einzelumstände ergäbe, daß es den Ast. nicht nur darum gegangen sei, von der Entwicklungsgesellschaft ein unbebautes Grundstück zu erwerben. Die Ast. seien vielmehr von einem Vertriebsbeauftragten der X, die ihrerseits die Planung der Reihenhausanlage zunächst bis zur Genehmigungsreife betrieben habe, zum Erwerb eines bestimmten Reihenhauses geworben worden. Erst nach Abschluß des Werkvertrages sei den Ast. die Möglichkeit eröffnet worden, das dazu gehörige Baugrundstück von der Entwicklungsgesellschaft F zu erwerben. Die Verknüpfung der Verträge sei de facto durch ein geschicktes zeitliches Nacheinander hergestellt worden. Nach Sachlage sei davon auszugehen, daß beide Verträge miteinander stehen und fallen sollten und daß ohne vorherige Unterzeichnung des Werkvertrages - auch wenn eine verbal im Vertragswerk festgelegte Bindung fehlte - der Grundstückserwerb praktisch nicht zu realisieren war.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde verfolgen die Ast. ihr Begehren auf Aussetzung der Vollziehung weiter. Sie tragen vor, die X habe die Grundstücke nicht vermittelt, sondern lediglich die Leistung eines Planes und eines Werkes versprochen. Da die Ast. ohnehin aus den Werbeunterlagen der X gewußt hätten, daß das Grundstück der Entwicklungsgesellschaft gehöre, hätten sie sich auch ohne Einschaltung der X an diese wenden können, um das Grundstück zu erwerben. Unerheblich sei, ob möglicherweise hinsichtlich der Planungsunterlagen eine Lizengebühr an X zu zahlen gewesen wäre.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde der Ast. ist unbegründet. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen GrESt-Bescheide, die die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO rechtfertigten, liegen nicht vor.

Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, es bestünden keine ernstlichen Zweifel daran, daß die Ast. (aufgrund rechtlicher Verknüpfung des mit der X abgeschlossenen Werkvertrages und des mit der Entwicklungsgesellschaft F abgeschlossenen Grundstückskaufvertrages) ein bebautes Grundstück erworben haben. Wie der Senat zuletzt durch die Urteile vom 23. Juni 1982 II R 155/80 (BFHE 136, 427, BStBl II 1982, 741) und vom 21. Dezember 1981 II R 124/79 (BFHE 135, 217, BStBl II 1982, 330) entschieden hat, können mehrere Verträge in ihrem rechtlichen Bestand so miteinander verbunden sein, daß ein rechtlich einheitlicher Vertrag vorliegt, der auf den Erwerb eines bebauten Grundstückes gerichtet ist. Das ist dann der Fall, wenn die Vereinbarungen nach dem Willen der Beteiligten derart voneinander abhängig sind, daß sie miteinander ,,stehen und fallen" sollen. Für die Annahme eines einheitlichen Vertrages genügt es, wenn nur einer der Vertragspartner einen solchen Einheitswillen erkennen läßt und der andere Vertragspartner ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt (vgl. auch das Urteil des BGH vom 6. November 1980 VII ZR 12/80, NJW 1981, 274). Ob an den mehreren Verträgen jeweils die nämlichen Vertragspartner beteiligt sind oder nicht und ob im Falle unterschiedlicher Vertragspartner des Erwerbers diese Vertragspartner wirtschaftlich verflochten sind, ist dabei ohne Bedeutung. Im vorliegenden Fall wird die durch den Abschluß getrennter Verträge zunächst begründete tatsächliche Vermutung, es handle sich um voneinander abhängige Vertragswerke, durch folgende Momente entkräftet: Die Baubeschreibung und die Planzeichnung, die das von der X aufgrund des Vertrages vom 24. Februar 1984 zu erstellende Bauwerk bezeichnen, sind die nämlichen, zu deren Errichtung sich die Ast. im Grundstückskaufvertrag verpflichtet haben. Gesichert wurde diese Doppelverpflichtung durch das Verbot der Weiterveräußerung während der Bebauungsfrist. Des weiteren hatte die X bereits in ihren Prospekten deutlich gemacht, daß ein etwaiger Bewerber das Grundstück erwerben könne. Dementsprechend heißt es auch im Werkvertrag, der ,,Bauherr" werde das Grundstück erwerben, auf dem das Haus als Teil einer Reihenhausbebauung errichtet werde. Auch die den Ast. nicht verborgen gebliebenen Vertragsbeziehungen zwischen der X einerseits und der Grundstückseigentümerin andererseits, die die X in die Lage versetzten, etwaigen Vertragspartnern Sicherheit im Hinblick auf den Erwerb des Grundstücks zu geben, sprechen für die Einheitlichkeit des Vertragswerkes und den darauf gerichteten Willen zumindest der X, den die Erwerber zumindest anerkannt haben.

Hinzu kommt, daß sich aus den Umständen und der Erwähnung eines Vertrages zwischen X und der Grundstückseigentümerin ergibt, daß die X mit dieser Absprachen getroffen hatte, wonach diese zwar nicht den Grundstückskäufern den Abschluß eines Werkvertrages mit der X zur Bedingung machte, wohl aber sich verpflichtet hatte, nur mit von X vermittelten Personen Grundstückskaufverträge abzuschließen. Dabei darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß zeitlich vorrangig die Beziehungen zur X stehen.

In grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht ergibt sich daraus die Konsequenz, daß auch die von der X zu erbringende gegenständlich beschränkte Teilleistung der GrESt unterliegt. Denn derjenige, der aufgrund vertraglicher Bindung des Grundstückseigentümers an sich diesen zum Abschluß eines Kaufvertrages mit von ihm benannten Personen bestimmen kann und vereinbarungsgemäß von diesem Recht Gebrauch macht, wenn es in seinem eigenwirtschaftlichen, mit dem Grundstück (seiner Bebauung) zusammenhängenden Interesse steht, verwirklicht in seiner Person bezüglich des Grundstückes den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 i. V. m. § 1 Abs. 2 GrEStG 1983. In Ausnutzung der ihm eingeräumten Befugnisse bewirkt er, daß das unbebaute Grundstück des Eigentümers bei demjenigen, der es von diesem kauft, als bebautes Grundstück ,,ankommt". Mittels des einheitlichen - auf einen Leistungsgegenstand gerichteten - Vertragswerkes verschafft er dem Käufer aufgrund der ihm, dem (Verwertungs)Befugten, obliegenden Teilleistungspflicht in grunderwerbsteuerrechtlich relevanter Weise derart denjenigen Leistungsteil, der zusätzlich zur Übereignung des unbebauten Grundstückes aufgrund des Gesamtvertragswerkes geschuldet wird. Die eigenwirtschaftliche Komponente seiner Verwertungsbefugnis ausnützend, gibt er diese in Form des erstellten Gebäudes an den Erwerber weiter. Das einheitliche Vertragswerk unterliegt solchermaßen in seinen dem jeweiligen Vertragspartner obliegenden Teilleistungen der GrESt aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 1 Abs. 2 GrEStG 1983.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414136

BFH/NV 1986, 561

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