Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung; Rechtsfortbildung

 

Leitsatz (NV)

  1. Ist zu einer als grundsätzlich bedeutsam erachteten Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen, muss sich die Beschwerdebegründung damit auseinandersetzen und insbesondere unter Berücksichtigung anderweitiger einschlägiger Rechtsprechung und der Literatur im Einzelnen darlegen, dass und aus welchen Gründen dennoch ein weiterer Klärungsbedarf besteht (st. Rspr.). Dies gilt auch, wenn eine Zulassung der Revision im Hinblick auf eine vom BFH einzuholende Vorabentscheidung des EuGH begehrt wird.
  2. Eine Fortbildung des Rechts kann nur erforderlich sein, wenn über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, insbesondere, wenn der Streitfall im allgemeinen Interesse Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (st. Rspr.).
 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3; EStG § 50 Abs. 5 S. 2 Nr. 1

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig und war daher zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt.

Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zu, wenn eine Frage zu entscheiden ist, deren Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung des Rechts betrifft (ständige Rechtsprechung, vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 FGO Anm. 23 f.; Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 27. Mai 2002 VIII B 150/01, BFH/NV 2002, 1463). Diese Voraussetzungen müssen in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dies erfordert insbesondere Ausführungen dazu, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (BFH-Beschlüsse vom 4. Oktober 1996 VIII B 2/96, BFH/NV 1997, 411; vom 25. Mai 1999 V B 162/98, BFH/NV 1999, 1497).

Ist zu einer als grundsätzlich bedeutsam erachteten Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen, muss sich die Beschwerdebegründung damit auseinandersetzen und insbesondere unter Berücksichtigung anderweitiger einschlägiger Rechtsprechung und der Literatur im Einzelnen darlegen, dass und aus welchen Gründen dennoch ein weiterer Klärungsbedarf besteht (BFH-Beschlüsse vom 23. Januar 1992 II B 64/91, BFH/NV 1992, 676; vom 9. November 1999 VIII B 85/99, BFH/NV 2000, 472). Dies gilt auch, wenn eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Hinblick auf eine vom BFH einzuholende Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gemäß Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft begehrt wird (vgl. dazu allgemein BFH-Beschluss vom 24. Oktober 2002 VII B 17/02, BFH/NV 2003, 216; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 FGO Anm. 30, 37). Liegt zu einer bestimmten Rechtsfrage bereits eine (Vorab-)Entscheidung des EuGH vor, erfordert die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage daher substantiierte Ausführungen zu ihrer weiteren Klärungsbedürftigkeit.

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht, wenn er in der Sache lediglich ausführt, dass sich die Vorentscheidung auf Urteile des EuGH aus den Jahren 1996 und 1999 stütze und dabei verkenne, "dass sich das Gemeinschaftsrecht sowie die Strukturen der Gemeinschaften und der Europäischen Union weiter entwickelt haben." Im Hinblick auf das der Vorentscheidung zugrundegelegte EuGH-Urteil vom 14. September 1999 C-391/97 (EuGHE I 1999, 5451, BStBl II 1999, 841 ―"Frans Gschwind"―) wäre zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der vorliegenden Rechtssache jedenfalls zu verdeutlichen gewesen, inwieweit die dort (zu einem dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt) aufgezeigten Kriterien zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine diskriminierende Unterscheidung zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden hinsichtlich der Berücksichtigung ihrer persönlichen Lage und des Familienstandes nur vorliegen kann, einer Korrektur oder Weiterentwicklung bedürfen. Der bloße Hinweis des Klägers darauf, dass er bei einer späteren Aufgabe seiner Tätigkeit im Inland steuerlich anders zu behandeln gewesen wäre, ist dafür nicht hinreichend.

Im Übrigen lässt die Beschwerdebegründung jegliche Auseinandersetzung mit dem für das Finanzgericht (FG) entscheidungserheblichen § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2000) vermissen.

2. Soweit der Kläger eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) für erforderlich hält, entspricht die Beschwerdeschrift ebenfalls nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Eine Fortbildung des Rechts kann nur erforderlich sein, wenn über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, insbesondere, wenn der Streitfall im allgemeinen Interesse Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Oktober 2002 I B 147/01, BFH/NV 2003, 197). Auch zur Darlegung des Zulassungsgrundes des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO bedarf es daher substantiierter und konkreter Angaben dazu, weshalb eine Entscheidung des Revisionsgerichts zu einer bestimmten Rechtsfrage aus Gründen der Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. BFH-Beschluss vom 22. April 2002 XI B 101/01, BFH/NV 2002, 1047). Daran fehlt es vorliegend.

Im Übrigen ergeht dieser Beschluss nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne weitere Begründung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1061375

BFH/NV 2004, 63

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