Leitsatz (amtlich)

Ist ein Steuerbescheid auch wegen der Einfuhrumsatzsteuer angefochten worden, so umfaßt der Wert des Streitgegenstands den Einfuhrumsatzsteuerbetrag auch dann, wenn der Steuerpflichtige zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist.

 

Normenkette

FGO § 140 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Kostengläubigerin und Beschwerdegegnerin (Beschwerdegegnerin) hatte durch Klage begehrt, den Steuerbescheid des ZA aufzuheben. Durch diesen Bescheid hatte das ZA Zoll und Einfuhrumsatzsteuer gefordert. Das FG hob den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung auf.

Der Urkundsbeamte des FG setzte die der Beschwerdegegnerin zu erstattenden Aufwendungen auf 1 286,89 DM fest. Dabei ging er von einem Streitwert in Höhe von 31 870 DM aus. Gegen den Beschluß legte der Kostenschuldner und Beschwerdeführer (HZA) Erinnerung ein mit dem Antrag, den Streitwert ohne Berücksichtigung der Einfuhrumsatzsteuer auf 16 748 DM festzusetzen. Das FG wies die Erinnerung durch Beschluß vom 19. März 1973 zurück und ließ die Beschwerde dagegen zu.

Gegen diesen Beschluß legte das HZA Beschwerde ein. Zur Begründung führt es folgendes aus. Nach § 140 Abs. 3 FGO werde der Streitwert unter Berücksichtigung der Sachanträge der Beteiligten nach freiem Ermessen bestimmt. Hierbei sei von dem finanziellen Interesse des Rechtsmittelführers auszugehen, das dieser an der von ihm angestrebten Entscheidung habe. Wende man diese Grundsätze auf den hier zur Entscheidung stehenden Fall an, so müsse man zu dem Ergebnis gelangen, daß es der Beschwerdegegnerin letztlich nur darum hatte gehen können, von der Anforderung des Zollbetrages freigestellt zu werden. Unstreitig sei nämlich die Beschwerdegegnerin zum Vorsteuerabzug berechtigt, so daß sie durch den Einfuhrumsatzsteuerbetrag im Ergebnis nicht belastet geblieben wäre. Zwar könne in einem Rechtsbehelfsverfahren aus den Sachanträgen nicht immer eindeutig entnommen werden, ob die angeforderten Einfuhrumsatzsteuerbeträge unangefochten bleiben sollten. Dies gehe aber fast immer - wie auch hier - aus dem Vorbringen des Rechtsbehelfsführers hervor.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Der Streitwert ist unter Berücksichtigung der Sachanträge der Beteiligten nach freiem Ermessen zu bestimmen (§ 140 Abs. 3 FGO). Nach ihren Sachanträgen hat die Beschwerdegegnerin im Streitfall die Aufhebung des Steuerbescheids in seiner Gesamtheit begehrt. Sie hat also ihr Klagebegehren nicht darauf eingeschränkt - was sie hätte tun können -, den Steuerbescheid nur insoweit aufzuheben, als er die Zölle betraf. Im Verfahren war also der Betrag von 31 870,90 DM (16 748,80 DM Zoll und 15 122,10 DM Einfuhrumsatzsteuer) streitig.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, von der abzugehen der Senat keinen Anlaß sieht, bemißt sich der Wert des Streitgegenstandes nach dem Steuerbetrag, um den in einem Steuerverfahren unmittelbar gestritten wird (Urteil vom 24. Januar 1958 VI 195/56 U, BFHE 66, 318, BStBl III 1958, 122; Beschluß vom 9. Oktober 1968 I B 8/68, BFHE 93, 413, BStBl II 1968, 827; Beschluß vom 14. Dezember 1970 IV B 87/70, BFHE 101, 41, BStBl II 1971, 206). Es ist also nicht das geldwerte Interesse in seiner Gesamtheit maßgebend, das ein Steuerpflichtiger an der Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens hat (vgl. Urteil des RFH vom 4. Februar 1921 II A 229/20, RFHE 5, 10; Gutachten des RFH vom 28. Mai 1938 GrS D 3/38, RFHE 44, 77, und das angeführte BFH-Urteil VI 195/56 U). Dieses Interesse wäre oft kaum einigermaßen zuverlässig festzustellen. Bei der Streitwertfestsetzung müssen daher Umstände außer Betracht bleiben, die zwar das finanzielle Interesse des Steuerpflichtigen am Streitgegenstand berühren, mit dem Verfahren aber nicht unmittelbar zusammenhängen.

Die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer und die Rückgängigmachung dieser Belastung im Wege des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1967 hängen nicht unmittelbar miteinander zusammen. Es handelt sich um zwei rechtlich zu trennende Akte, für die auch verschiedene Behörden zuständig sind. Der Gesetzgeber hat zur Vermeidung der Kumulierung der Umsatzsteuer und der Einfuhrumsatzsteuer gerade nicht vorgesehen - was er theoretisch hätte tun können -, daß die Einfuhrumsatzsteuer nur in jenen Fällen erhoben wird, in denen die Einfuhrware im Inland keiner erneuten Belastung unterliegt oder in denen eine Belastung erfolgen muß, um einen unbelasteten Verbrauch im Inland auszuschließen (vgl. Eckhardt/Weiß, Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer -, Kommentar, Anm. 60 zu § 1 Abs. 1 Nr. 3). Davon muß auch bei der Streitwertfestsetzung ausgegangen werden. Die Wirkung des mit der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer nicht unmittelbar zusammenhängenden, erst später und in anderer Zuständigkeit vorzunehmenden Aktes des Vorsteuerabzugs kann nicht berücksichtigt werden. Andernfalls müßte auch in jedem Fall der Streitwertfestsetzung die bisweilen rechtlich schwierige Frage entschieden werden, ob der Steuerpflichtige zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71076

BStBl II 1975, 196

BFHE 1975, 407

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