Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwertbemessung in Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung

 

Leitsatz (NV)

In Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung ist der Streitwert nach der ständigen Rechtsprechung des BFH mit 10 v. H. des Betrages zu bemessen, nach dem der Wert des Streitgegenstandes im Hauptsacheverfahren zu bemessen ist.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 1; BFHEntlG a.F. Art. 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA -) hat den Kläger und Revisionskläger (Kläger) mit Bescheid vom 30. August 1972 auf Zahlung von Eingangsabgaben in Höhe von 42 149,10 DM zuzüglich 3 769 DM Hinterziehungszinsen in Anspruch genommen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das HZA ab. Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) durch Urteil vom 11. Mai 1983 ab.

Zur Zulässigkeit seiner mit Schriftsatz vom 18. August 1983 eingelegten Revision führt der Kläger aus: Bei der Bemessung des Streitwerts in Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung sei auf das finanzielle Interesse abzustellen, das sich nach voraussichtlicher Dauer der Aussetzung, dem üblichen Zinssatz und der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen richte. Von dem Grundsatz, daß der Streitwert mit 10 v. H. des streitigen Steuerbetrages zu bemessen sei, könne auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dann abgewichen werden, wenn im Einzelfall besondere Umstände dem entgegenstünden. Das treffe im Streitfall zu.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.

Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Nach der im Streitfall noch anzuwendenden Regelung in Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) i. d. F. bis zur Änderung durch das Gesetz zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985 (BGBl I 1985, 1274), durch das die Streitwertrevision abgeschafft worden ist, findet die Revision, sofern sie nicht zugelassen oder nach § 116 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne Zulassung statthaft ist, nur statt, wenn der Wert des Streitgegenstandes 10 000 DM übersteigt.

In Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung ist der Streitwert nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschlüsse des Senats vom 13. März 1985 VII R 22/85, BFH/NV 1986, 346, und vom 12. März 1985 VII R 150/81, BFH/ NV 1986, 752, je mit weiteren Hinweisen) mit 10 v. H. des Betrages zu bemessen, nach dem der Wert des Streitgegenstandes im Hauptsacheverfahren zu bestimmen ist. Der Senat folgt dieser Rechtsprechung auch im Streitfall. Danach beträgt der für die Entscheidung über die Zulässigkeit der Revision maßgebende Streitwert 4 591,81 DM, übersteigt also 10 000 DM nicht.

Der Auffassung des Klägers, aufgrund besonderer Umstände sei der Wert des Streitgegenstandes im Streitfall höher zu bemessen, vermag der Senat auch unter Berücksichtigung der vom Kläger aufgezeigten Rechtsprechung des BFH nicht zu folgen.

Das Urteil des BFH vom 9. November 1962 IV 44/58 U (BFHE 76, 214, BStBl III 1963, 76), in dem der Streitwert aus Gründen der Vereinfachung mit 10 v. H. des Steuerbetrages bemessen worden ist, betrifft eine Stundung und nicht eine Aussetzung der Vollziehung. Die Ausführungen in diesem Urteil, nach denen der Pauschsatz von 10 v. H. dann nicht in Betracht kommen soll, wenn von vornherein feste Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß dieser Pauschbetrag den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalles nicht gerecht wird, indem etwa die Stundung von vornherein für einen bestimmten oder bestimmbaren sehr langen Zeitraum begehrt wird, können im Streitfall schon deshalb keine Anwendung finden, weil sie, wie bemerkt, die Stundung und nicht die Aussetzung der Vollziehung betreffen. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß zwar die Pauschalierung des Streitwerts in Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung ähnlich wie in dem vorgenannten Verfahren wegen Stundung auf der Erwägung beruht, daß es in Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung um das Interesse des Antragstellers geht, den streitigen Betrag nicht alsbald zahlen zu müssen (vgl. Beschluß des Senats vom 10. Dezember 1980 VII S 16/80, BFHE 132, 206, BStBl II 1981, 276). Eine Aussetzung der Vollziehung kommt aber allenfalls bis zum rechts- oder bestandskräftigen Abschluß des Hauptsacheverfahrens in Betracht, dessen Dauer nicht von vornherein bestimmt oder bestimmbar ist, so daß es bei einem Streit über die Aussetzung der Vollziehung zumindest in der Regel an festen Anhaltspunkten zur genauen Bestimmung der mit der Aussetzung der Vollziehung angestrebten Vorteile fehlt.

Der Beschluß des Senats vom 1. März 1977 VII B 81/76 (BFHE 121, 311, BStBl II 1977, 354) enthält entgegen der Auffassung des Klägers ebenfalls keine Abweichung von der aufgezeigten ständigen Rechtsprechung des BFH zur Bemessung des Streitwerts in Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung. Er betrifft vielmehr die Festsetzung des Streitwerts für ein Begehren - auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung -, das der Senat als auf den Erlaß einer einstweiligen Anordnung gerichtet angesehen hat. Bei der Bemessung des Streitwerts für dieses Verfahren ist der Senat außerdem, da das Hauptsacheverfahren eine Aussetzung der Vollziehung zum Gegenstand hatte, in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des BFH von einem Streitwert in Höhe von 10 v. H. des streitigen Steuerhaftungsbetrages ausgegangen.

In dem Beschluß vom 3. Oktober 1986 III R 138/85 (BFH / NV 1987, 114) hat der BFH zwar ausgeführt, daß der Streitwert eines Verfahrens wegen Aussetzung der Vollziehung unmittelbar in entsprechender Anwendung des § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes zu bestimmen sei, wenn das geldwerte Interesse des Klägers sich auch nicht schätzungsweise ermitteln lasse, und daß der so ermittelte Streitwert nicht mehr auf 10 v. H. zu kürzen sei. Auch die für diese Entscheidung maßgebenden Voraussetzungen liegen im Streitfall jedoch nicht vor.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415170

BFH/NV 1988, 180

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