Leitsatz

Mehrere Steuerfälle erfordern grundsätzlich entweder eine Festsetzung in getrennten Steuerbescheiden oder – bei körperlicher Zusammenfassung in einem Schriftstück – die genaue Angabe, welche Lebenssachverhalte (Besteuerungstatbestände) dem Steuerbescheid zugrunde liegen, sowie eine gesonderte Steuerfestsetzung für jeden einzelnen Lebenssachverhalt (Steuerfall).

 

Normenkette

§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, § 119 Abs. 1, § 157 Abs. 1 Satz 2 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger buchte im August 2014 bei einem Reiseveranstalter für sich und seine Lebensgefährtin eine fünfmonatige Kreuzfahrt. Der Reiseveranstalter erteilte dem Kläger zwei Rechnungen für die Kosten der Kreuzfahrt über insgesamt 500.000 EUR. In diesem Betrag sind die Kosten für die Anreise beider Personen enthalten. Während der Reise entstanden weitere Kosten i.H.v. insgesamt 45.000 EUR für beide Personen (Ausflüge, Restaurantbesuche, Inanspruchnahme von Spa‐, Fitness‐ und Frisördienstleistungen an Bord). Diese zusätzlichen Leistungen wurden gesondert gebucht und über das "Bordkonto" taggenau abgerechnet. Die Aufwendungen für die Reise wurden vollumfänglich vom Kläger getragen.

Das FA legte der Festsetzung von Schenkungsteuer gegenüber dem Kläger, der die Steuer übernommen hatte, einen steuerpflichtigen Erwerb der Lebensgefährtin i.H.v. rund 300.000 EUR zugrunde, in den u.a. die halben Gesamtreisekosten eingegangen waren. In der Einspruchsentscheidung differenzierte das FA zwischen "Buchung der Reise" (500.000 EUR), "Flug D‐E" (900 EUR) und "Ausflüge und Verpflegung" (45.000 EUR).

Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, der Tatbestand einer freigebigen Zuwendung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sei nicht erfüllt (FG Hamburg, Urteil vom 12.6.2018, 3 K 77/17, Haufe-Index 11808717, EFG 2018, 1559).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide erweise sich im Ergebnis bereits deshalb als zutreffend, weil sowohl der Schenkungsteuerbescheid als auch die Einspruchsentscheidung den Bestimmtheitsanforderungen des § 119 Abs. 1 AO nicht entsprächen. Es liege keine einheitliche Zuwendung vor. Vielmehr handle es sich bei der Übernahme der Kosten für die Kabine und die auf dem Bordkonto gebuchten Leistungen jeweils um einzelne und voneinander zu unterscheidende selbstständige Leistungen. Es fehle an einem einheitlichen Steuerentstehungszeitpunkt. Eine Zusammenfassung aller über das Bordkonto abgerechneten Leistungen sei nicht zulässig gewesen. Jede einzelne Leistung wäre darauf zu überprüfen, ob es sich um einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang handle.

An Bord getätigte Ausgaben könnten zwar freigebige Zuwendungen sein, aber auch Aufwendungen oder Anschaffungen für den Kläger selbst oder schließlich Aufwendungen der Lebensführung. Es wäre zu prüfen gewesen, ob eine Steuerbefreiung z.B. wegen Unterhaltsleistungen (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG) oder Gelegenheitsgeschenken (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG) vorliege. Im Hinblick auf die Frist des § 14 ErbStG hätten die maßgebenden Zeitpunkte benannt werden müssen. Die Anwendung des § 14 Abs. 1 ErbStG sei nur bei taggenauer Ermittlung des Zehn-Jahres-Zeitraums möglich.

Ob es sich bei den vom Kläger erbrachten Leistungen um steuerbare Zuwendungen an seine Lebensgefährtin handelt, ließ der BFH offen.

 

Hinweis

1. Schriftliche Steuerbescheide müssen inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO). Erforderlich ist u.a. die Bezeichnung der festgesetzten Steuer nach Art und Betrag (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO).

Mehrere Steuerfälle erfordern entweder eine Festsetzung in getrennten Steuerbescheiden oder – bei körperlicher Zusammenfassung in einem Schriftstück – die genaue Angabe, welche Lebenssachverhalte (Besteuerungstatbestände) dem Steuerbescheid zugrunde liegen, sowie eine gesonderte Steuerfestsetzung für jeden einzelnen Lebenssachverhalt (Steuerfall). Es ist deshalb grundsätzlich unzulässig, bei mehreren Lebenssachverhalten die verschiedenen Steuerschulden desselben Steuerschuldners in einem Betrag unaufgegliedert zusammenzufassen.

2. Bei der Schenkungsteuer führen diese Grundsätze je nach den Umständen des Einzelfalls mitunter zu Problemen.

a) Jede freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) stellt materiell-rechtlich grundsätzlich einen eigenständigen steuerbegründenden Tatbestand dar (§ 38 AO i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Rechtlich selbstständig zu beurteilende Zuwendungen liegen insbesondere vor, wenn die Zuwendungen nicht auf einem einheitlichen Schenkungsversprechen beruhen, den Zuwendungen kein obligatorisches Forderungsrecht zugrunde liegt, das ein Stammrecht des Bedachten auf die einzelnen Zuwendungen begründet und kein einheitlicher Steuerentstehungszeitpunkt vorliegt.

b) Die Schenkungsteuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Eine Schenkung oder freigebige Zuwendung ist ausgeführt, wenn der Bedachte das erhalten hat, was ihm nach der Schenkungsabrede, im Fall der freigebige...

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