Leitsatz

Das wirtschaftliche Eigentum an Aktien, die im Rahmen einer sog. Wertpapierleihe an den Entleiher zivilrechtlich übereignet wurden, kann ausnahmsweise beim Verleiher verbleiben, wenn die Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles ergibt, dass dem Entleiher lediglich eine formale zivilrechtliche Rechtsposition verschafft werden sollte. § 8b KStG 2002 i.d.F. des UntStRefG 2008 findet dann beim Entleiher bezogen auf die "entliehenen" Anteile und die daraus resultierenden Einkünfte insgesamt keine Anwendung.

 

Normenkette

§ 8b Abs. 1 und Abs. 10 Satz 1 KStG 2002 (i.d.F. des UntStRefG 2008), § 20 Abs. 2a EStG 2002, § 39, § 42 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin, ein Maschinenbauunternehmen in der Rechtsform der GmbH, ermittelte im Streitjahr 2007 ihren Gewinn durch Bestandsvergleich unter Zugrundelegung eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres vom 1.8. bis 31.7. des Folgejahres.

Am 15.9.2006 schloß sie mit einem in Großbritannien ansässigen Finanzinstitut einen Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen. Danach waren die Vertragsparteien sich einig, dass mit der Lieferung das unbeschränkte Eigentum an den Darlehenspapieren auf den Darlehensnehmer übergeht. Weiterhin hatte der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber für jedes Wertpapierdarlehen ein Entgelt zu zahlen. Dem Darlehensgeber sollten die während der Laufzeit des Darlehens auf die Darlehenspapiere geleisteten Zinsen, Gewinnanteile sowie sonstigen Ausschüttungen zustehen; der Darlehensnehmer hatte in dieser Höhe Kompensationszahlung zu leisten.

In Ausfüllung des Rahmenvertrags tätigte die Klägerin jeweils als Darlehensnehmerin mehrere Einzelabschlüsse im Zeitraum Oktober 2006 bis März 2007. Sämtliche Wertpapiergeschäfte beliefen sich jeweils auf einen Umfang von etwa 30 Mio. EUR. Hierbei wurden jeweils Aktien unterschiedlicher englischer Gesellschaften in bestimmter Stückzahl zu einem bestimmten Kurs, woraus sich nach Multiplikation dieser Gesamtwert ergab, ausgeliehen und nach 14 Tagen in gleicher Stückzahl und zum gleichen Kurs zurückgegeben. Im unmittelbaren zeitlichen Anschluss daran wurde das nächste Geschäft mit anderen Aktien binnen 14 Tagen abgewickelt. In den jeweiligen 14-Tages-Zeitraum fielen die Stichtage der Dividendenberechtigungen (Record date). Die Klägerin erhielt die Dividenden und leistete zeit- und betragsgleich Kompensation an das Finanzinstitut. Als Sicherheit für die Darlehen diente eine mit einem Zinssatz von 3,693 % verzinste Geldanlage der Klägerin im Finanzinstitut i.H.v. 25 Mio. EUR, aus der sie im Wirtschaftsjahr 2006/2007 Zinserträge i.H.v. 474.447,92 EUR (davon 230.812,50 EUR im Jahr 2006 und 243.635,42 EUR im Jahr 2007) erzielte.

Aus den geliehenen Wertpapieren erhielt die Klägerin im Wirtschaftsjahr 2006/2007 an Dividenden insgesamt 9.836.737,99 EUR (davon 5.853.062,31 EUR im Jahr 2006 und 3.983.675,68 EUR im Jahr 2007). Entsprechend dem Rahmenvertrag mit dem Finanzinstitut leistete sie Kompensationszahlungen i.H.d. erhaltenden Dividenden (davon 5.853.062,31 EUR im Jahr 2006 und 3.983.675,68 EUR im Jahr 2007) zzgl. eines Darlehensentgelts i.H.v. jeweils 2 % pro Jahr bezogen auf die Marktwerte der Darlehenspapiere und die Darlehenszeiträume, insgesamt 305.069,30 EUR (davon 150.000 EUR im Jahr 2006 und 155.069,30 EUR im Jahr 2007).

In ihrer KSt-Erklärung für 2007 erklärte die Klägerin u.a. die Dividendengutschriften als steuerfreie Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG 2002. Die Kompensationszahlungen sowie die Darlehensentgelte behandelte sie als Betriebsausgaben und berücksichtigte i.H.v. 5 % der Dividenden die pauschale Kürzung von Betriebsausgaben gemäß § 8b Abs. 5 KStG 2002.

Das FA folgte dem nicht. Es war der Ansicht, dass die Regelung in § 8b Abs. 10 KStG 2002 i.d.F. des UntStRefG 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) auf die im Wirtschaftsjahr 2006/2007 durchgeführten Wertpapierdarlehen nach § 34 Abs. 7 Satz 9 KStG 2002 i.d.F. des UntStRefG 2008 Anwendung findet. Die an das Finanzinstitut gezahlten Entgelte seien somit nicht als Betriebsausgaben abzuziehen und die pauschale Kürzung von Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG 2002 sei nicht vorzunehmen. Es erhöhte sodann die nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben in entsprechendem Umfang von insgesamt 10.141.807,29 EUR.

Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos (Niedersächsisches FG, Urteil vom 21.11.2013, 6 K 366/12, Haufe-Index 6528203, EFG 2014, 494): Es sei verfassungsrechtlich zulässig, dass der Gesetzgeber mit der zeitlichen Anwendungsbestimmung in § 34 Abs. 7 Satz 9 KStG 2002 n.F. die Geltung der Regelungen zur Wertpapierleihe in § 8b Abs. 10 KStG 2002 n.F. bereits für den VZ 2007 angeordnet hatte. Außerdem stehe dem Klageerfolg § 42 AO entgegen.

 

Entscheidung

Der BFH hat das FG aus anderen Gründen bestätigt. Die Klägerin sei bei der gebotenen Gesamtwürdigung der getroffenen Absprachen im Rahmenvertrag nicht wirtschaftliche Eigentümerin der "verliehenen" Aktien geworden. Weil § 8b Abs. 10 Satz 1 KStG 2002 n.F. tatbestandlich deswegen nicht einschl...

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