Leitsatz

Es wird die Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 43 Abs. 18 KAGG, der die Anwendung des § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG i.d.F. des sog. Korb II‐­Gesetzes auf alle noch nicht bestandskräftigen Festsetzungen auch des Veranlagungszeitraums 2003 ­anordnet, soweit Veräußerungen im Mai 2003 betroffen sind, infolge Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verfassungswidrig ist.

 

Normenkette

§ 8b Abs. 2, Abs. 3 KStG, § 43 Abs. 18, § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG, § 3c Abs. 2 EStG, Art. 2 Abs. 1, Art 20 Abs. 3 GG

 

Sachverhalt

Der Kläger veräußerte am 15.5.2003, 19.5.2003, 20.5.2003, 23.5.2003 und 29.8.2003 Anteilsscheine an drei Spezialfonds und erzielte hieraus Buchgewinne.

Der Kläger sah die dabei erzielten Buchgewinne als nach § 8b Abs. 2 und 3 KStG steuerfrei an. Einen Anleger-Aktiengewinn oder -verlust ermittelte er nicht.

Das FA veranlagte den Kläger zunächst erklärungsgemäß, ging jedoch nach einer Außenprüfung davon aus, dass ein Anleger-Aktienverlust (als sog. negativer Aktiengewinn) dem zu versteuernden Einkommen hinzuzurechnen, zugleich die Steuerfreistellung der Buchgewinne aus der Veräußerung der drei Fonds rückgängig zu machen sei.

Der Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, die (in § 43 Abs. 18 KAGG angeordnete) rückwirkende Anwendung des § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG auf die o.g. Veräußerungen vom Mai und August 2003 sei verfassungswidrig, blieb erfolglos.

Das FG (FG Münster, Urteil vom 20.6.2018, 10 K 3981/16 K, Haufe-Index 11907630, EFG 2018, 1478) wies die Klage ab. Es nahm an, die unechte Rückwirkung sei verfassungsgemäß.

 

Entscheidung

Der BFH legte die im Leitsatz genannte Frage dem BVerfG vor.

 

Hinweis

1. Das BVerfG (BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013, 1 BvL 5/08, BFH/NV 2014, 653) hatte im Jahr 2013 entschieden, dass § 43 Abs. 18 KAGG gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstößt und nichtig ist, soweit er eine (echte) Rückwirkung des § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG auf die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 anordnet. Die Prüfung, ob die (unechte) Rückwirkung im Jahr 2003 genauso zu beurteilen ist, klammerte das BVerfG aus (BVerfG, a.a.O., Rz. 37).

2. Die vom BVerfG damals offengelassene Frage trägt nun der BFH mit dem Besprechungsbeschluss teilweise an das BVerfG heran. Der BFH ist davon überzeugt, dass (nur) für Veräußerungen vor dem Gesetzentwurf der Bundesregierung für das sog. "Korb-II-Gesetz" (BR-Drucks. 560/03 vom 15.8.2003) § 43 Abs. 18 KAGG ebenfalls verfassungswidrig ist.

Insoweit sei zur Vermeidung von "Vertrauensschutzlücken" das Vertrauen der Steuerpflichtigen in das geltende Recht in seiner (späteren) Auslegung durch den BFH zu schützen, da die frühere Regelung nicht systemwidrig gewesen sei. Dass sie mög­licherweise rechtspolitisch verfehlt oder deren ­Inhalt umstritten gewesen sei, rechtfertige nicht eine (unecht) rückwirkende Inkraftsetzung einer gesetzlichen Neuregelung. Es bestehe auch ein "Vertrauen in das fehlerhafte Steuergesetz" (Rz. 39 ff., 45, 53 ff., 57).

3. Anders beurteilt der BFH die Rechtslage für Veräußerungen nach dem unter 2. genannten Gesetzentwurf (im Vorlagefall die Veräußerung vom 29.8.2003): Der Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein (rückwirkendes) Änderungsgesetz habe das Vertrauen der Steuerpflichtigen zerstört.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 23.10.2019, XI R 43/18

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