Leitsatz

Überträgt ein Veräußerer ein verpachtetes Geschäftshaus und setzt der Erwerber die Verpachtung nur hinsichtlich eines Teils des Gebäudes fort, liegt hinsichtlich dieses Grundstücksteils eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG vor. Dies gilt un­abhängig davon, ob der verpachtete Gebäudeteil "zivilrechtlich selbstständig" ist oder nicht.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1a, § 15a Abs. 1, 4, 6 und 10 UStG, Art. 5 Abs. 8 6. EG-RL (= RL 388/77/EWG), Art. 19 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Die Klägerin errichtete in den Jahren 1999 bis 2001 ein Geschäftshaus, verpachtete es anschließend steuerpflichtig und nahm aus den Eingangsleistungen den vollen Vorsteuerabzug vor.

Im Jahr 2007 veräußerte sie das Haus steuerfrei. Die Erwerberin führte die Pachtverhältnisse im Obergeschoss mit C und D unverändert fort, während sie das Erdgeschoss in der Folgezeit für eigene unternehmerische Zwecke nutzte.

Das FA nahm daraufhin im Umsatzsteuerbescheid für 2007 gemäß § 15a Abs. 4 und 6 UStG eine Vorsteuerberichtigung vor. Diese Berichtigung könne nicht gemäß § 15a Abs. 10 UStG unterbleiben, weil eine Geschäftsveräußerung weder ganz noch teilweise vorliege.

Das FG folgte dieser Auffassung (Hessisches FG vom 12.11.2014, 6 K 2574/11, Haufe-Index 7604152, EFG 2015, 681).

 

Entscheidung

Die Revision der Klägerin war begründet. Das FG hatte zu Unrecht angenommen, dass hinsichtlich des an C und D verpachteten Gebäudeteils (Obergeschoss) keine Geschäftsveräußerung vorliegt.

Eine Geschäftsveräußerung liegt gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG u.a. dann vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich übereignet wird. Der Erwerber muss beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb fortzuführen, darf ihn aber in seinem Zuschnitt ändern oder modernisieren.

Entgegen der Annahme des FG sind die an C und D verpachteten Räume ein selbstständiger Unternehmensteil. Der in Art. 19 MwStSystRL verwendete – und für die Auslegung des § 1 Abs. 1a UStG heranzuziehende – Begriff des Teilvermögens, das Gegenstand einer Geschäftsveräußerung sein kann, bezieht sich auf eine Kombination von Bestandteilen eines Unternehmens, die zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausreicht, auch wenn diese Tätigkeit nur Teil eines größeren Unternehmens ist, von dem sie abgespalten wurde. Bei teilweiser Verpachtung eines Grundstücks muss der verpachtete Grundstücksteil kein "zivilrechtlich selbstständiges Wirtschaftsgut" sein.

Auch die weitere Begründung des FG, eine Geschäftsveräußerung in Bezug auf die an C und D verpachteten Räume scheide ferner deshalb aus, weil die Erwerberin nicht die gesamte Verpachtungstätigkeit der Klägerin fortgeführt habe, hielt der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Denn für das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung ist unerheblich, ob der Veräußerer gleichzeitig mit der Übertragung eine andere wirtschaftliche Tätigkeit einstellt.

Die Sache war allerdings nicht spruchreif; es sind vom FG noch weitere Feststellungen zur Höhe der (mithin lediglich in Bezug auf das Erdgeschoss vorzunehmenden) Vorsteuerberichtigung zu treffen.

 

Hinweis

Bei einer Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG) wird nach § 15a Abs. 10 UStG der für das Wirtschaftsgut maßgebliche Berichtigungszeitraum nicht unterbrochen. Dadurch werden Geschäftsveräußerungen i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG von einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG ausgenommen

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 6.7.2016 – XI R 1/15

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