Leitsatz

1. Eine Gemeinde ist zum teilweisen Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten einer Sporthalle, die sie (auch) Vereinen gegen eine nicht kostendeckende Nutzungspauschale überlässt, berechtigt, wenn die Prüfung aller Umstände ergibt, dass der für eine wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinde erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Nutzungsüberlassung und Entgelt nicht gelöst ist.

2. Bei einer defizitären Leistungstätigkeit von Gemeinden im Rahmen der Daseinsvorsorge ist die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG grundsätzlich nicht (entsprechend) anwendbar.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, § 1, § 2 Abs. 3 Satz 1 a.F., § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 10 Abs. 5 UStG, Art. 27 Abs. 1 6. EG-RL (= EWGRL 388/77), Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2, Art. 132 Abs. 1 Buchst. m EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), § 93 Abs. 3 Satz 2, § 118 Abs. 1 und 2 FGO

 

Sachverhalt

Eine Stadt errichtete von 2010 bis 2014 eine Sporthalle mit angrenzender Gaststätte. Die vier Hallenteile umfassende Sporthalle sollte nach ihrer Fertigstellung für Zwecke des Schulsports genutzt werden. Zudem beabsichtige die Stadt, die Sporthalle auch an Vereine für Zwecke des Erwachsenensports zu überlassen.

Die Stadt hat die Überlassung aller ihrer Sport- und Mehrzweckhallen in einer Entgeltordnung geregelt. Danach erhebt sie für den Übungs-, Trainings- und Schulungsbetrieb im Erwachsenensport zur teilweisen Deckung der Betriebskosten eine Nutzungspauschale i.H.v. 1,50 EUR je Stunde und Hallenteil. Die Nutzungspauschale wird auf Grundlage der jeweils mit den Vereinen privatrechtlich vereinbarten Hallenbuchung (Belegungspläne) berechnet. Die Abrechnung erfolgt zweimal jährlich im Voraus. Für allgemeine Veranstaltungen der Vereine werden dagegen 0,25 EUR/qm, für kommerzielle Veranstaltungen allgemeiner Art (Veranstaltung von Wirtschaft, Handel und Verkehr) 1 EUR/qm und für kommerzielle Veranstaltungen besonderer Art (Tanz-, Show- und ähnliche Veranstaltungen von Privatpersonen oder privaten Interessengruppen) 2 EUR/qm sowie Zuschläge für Sonderleistungen und Nebenkosten erhoben.

Die Klägerin nahm an, bei der Überlassung der den Streitfall betreffenden Sporthalle an Vereine werde ein Kostendeckungsgrad von 12,03 % erreicht.

Das FA nahm einen Kostendeckungsgrad von 0 % an und lehnte deshalb den von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten der Sporthalle – soweit er anteilig auf die Überlassung der Sporthalle an die Vereine entfiel – in den Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre (2010 bis 2012) ab. Die Einsprüche blieben erfolglos.

Das FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.3.2015, 9 K 2732/13, Haufe-Index 8515796) gab der Klage statt. Es nahm an, die Klägerin habe in den Streitjahren beabsichtigt, durch die künftige Überlassung der Sporthalle auf privatrechtlicher Grundlage gegen Entgelt eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben. Die Hallenüberlassung habe nicht unentgeltlich erfolgen sollen. Maßgeblich für die Annahme eines Leistungsaustauschs sei lediglich, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe. Dies sei vorliegend der Fall, da die Nutzungspauschale i.H.v. 1,50 EUR je Stunde und Hallenteil für die Hallenüberlassung nicht allein für die Betriebskosten erbracht worden sei. Die Gegenleistung sei auch nicht derart von der Hauptleistung abgekoppelt, dass es an der erforderlichen Unmittelbarkeit zwischen Leistung und Gegenleistung fehle. Das Entgelt i.H.v. 1,50 EUR je Stunde und Hallenteil sei für gemeindeeigene Mehrzweckhallen allgemein üblich, entspreche der in den Nachbargemeinden durchgeführten Praxis und werde auch von der Gemeindeprüfungsanstalt nicht beanstandet.

Die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs sei auch nicht rechtsmissbräuchlich; denn die Klägerin habe keinen Sachverhalt künstlich geschaffen, um sich einen Steuervorteil zu verschaffen.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Das FG habe zu Recht erkannt, dass eine Leistung (Hallenüberlassung) gegen Entgelt (1,50 EUR je Stunde und Hallenteil) vorliege. Die wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil das von ihr erhobene Entgelt nur einen geringen Teil der Kosten deckte. Der Zusammenhang zwischen der Leistung und Gegenleistung weise im Streitfall die erforderliche Unmittelbarkeit auf, weil die Stadt ihre Leistung am allgemeinen Markt angeboten hat, das Entgelt marktüblich ist und von der tatsächlichen Nutzungsinanspruchnahme abhängt.

Das FG habe gleichfalls zu Recht erkannt, dass die stundenweise Überlassung von Sportanlagen nicht nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei ist und eine mögliche Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL mangels Berufung dem Vorsteuerabzug nicht entgegensteht.

Die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG sei weder direkt noch entsprechend anzuwenden.

 

Hinweis

Gibt es doch eine "Liebhaberei" im Umsatzsteuerrecht, zumindest für die öffentliche Hand? Diese Frage mag sich...

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