Leitsatz

Zahlt die Familienkasse Kindergeld nach § 74 Abs. 1 EStG an einen Dritten (Abzweigungsempfänger) aus, so ist nur dieser nach § 37 Abs. 2 AO zur Erstattung verpflichtet, wenn die Zahlung ohne rechtlichen Grund erfolgte.

 

Normenkette

§ 37 Abs. 2 AO , § 74 Abs. 1 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger bezog Kindergeld für zwei haushaltszugehörige Kinder. Für ein drittes Kind, das bei seiner geschiedenen Ehefrau lebte, bezog er einen Zählkindervorteil von 100 DM monatlich. Hiervon hatte die Familienkasse einen monatlichen Teilbetrag von 34 DM abgezweigt und an die geschiedene Ehefrau ausgezahlt. Die Abzweigung erfolgte, weil der Kläger als Sozialhilfeempfänger für die Tochter nicht unterhaltspflichtig war und keinen Unterhalt zahlte (§ 74 Abs. 1 EStG).

Nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Tochter kein Kindergeld zustand, hob die Familienkasse die Kindergeld-Festsetzung insoweit auf und forderte vom Kläger den Zählkindervorteil (einschließlich des abgezweigten Betrags) zurück.

Die Klage hatte teilweise (nämlich hinsichtlich des abgezweigten Betrags) Erfolg. Soweit das Kindergeld im Weg der Abzweigung an die geschiedene Ehefrau ausgezahlt wurde, sei diese zur Rückzahlung verpflichtet.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung und wies die Revision der Familienkasse zurück. Das FG habe zu Recht entschieden, dass der Kläger nicht zur Rückzahlung des an seine geschiedene Ehefrau abgezweigten Kindergeldes verpflichtet sei. Diese sei als Abzweigungsempfängerin wirtschaftlich bereichert gewesen.

Im Streitfall sei auch § 37 Abs. 2 Satz 3 AO nicht entsprechend anwendbar, wonach sich im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung der Rückforderungsanspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsgläubiger richte. Die Fälle seien nicht vergleichbar, da über die Abzweigung des Kindergeldes durch Verwaltungsakt entschieden werde.

 

Hinweis

Hinzuweisen ist zunächst auf das BFH-Urteil vom 12.1.2001, VI R 181/97 (BFH-PR 2001, 202). Dort wurde bereits darauf aufmerksam gemacht, dass auch im Kindergeldrecht zwischen dem Festsetzungsverfahren (Kindergeldbescheid) und dem Erhebungsverfahren (Auszahlung des Kindergeldes) zu unterscheiden ist.

Die Fallgestaltungen sind vielgestaltig, in denen das Kindergeld nicht an den Kindergeldberechtigten, sondern an einen Dritten ausgezahlt wird (Abzweigung). Als Abzweigungsempfänger kommen z.B. Sozialleistungsträger, bei Verletzung der Unterhaltspflicht die Kinder selbst in Betracht (vgl. § 74 Abs. 1 EStG).

Über die Abzweigung im Rahmen des § 74 EStG wird von der Familienkasse durch Verwaltungsakt mit Doppelwirkung entschieden, nämlich für den Kindergeldberechtigten belastend (denn ihm wird dann das Kindergeld nicht ausgezahlt) und für den Dritten (Zahlungsempfänger) begünstigend. Aufgrund der Abzweigung erhält der Dritte eine eigene Rechtsposition.

Kommt es zu einer Aufhebung des Kindergeldbescheids aus welchen Gründen auch immer (und wird damit gleichzeitig die Abzweigung gegenstandslos), so stellt sich zwangsläufig die Frage, von wem das ausgezahlte Kindergeld zurückzufordern ist.

Der Rückforderungsbescheid muss grundsätzlich gegenüber dem Leistungsempfänger i.S.d. § 37 Abs. 2 AO erlassen werden. Grundsätzlich ist dies derjenige, an den die Behörde den Betrag willentlich gezahlt hat, wenn dieser die Zahlung aus eigenem (erworbenem) Recht erhalten hat. Deshalb wird z.B. in ständiger Rechtsprechung der Abtretungsempfänger (Zessionar), der Pfandgläubiger und der Pfändungsgläubiger als Leistungsempfänger angesehen.

Hat die Familienkasse demzufolge Kindergeld aufgrund einer Entscheidung nach § 74 Abs. 1 EStG an einen Dritten (Abzweigungsempfänger) ausgezahlt, so ist nur dieser und nicht der Kindergeldberechtigte selbst zur Rückzahlung verpflichtet. Denn die Familienkasse leistete die Kindergeldzahlung an den Abzweigungsempfänger zur Erfüllung des diesem zustehenden Auszahlungsanspruchs, wobei die Familienkasse mit der Auszahlung zugleich auch den Kindergeldanspruch des Kindergeldberechtigten erfüllte.

Abzugrenzen ist dieser Fall aber von solchen Gestaltungen, in denen ein Dritter eine Leistung nur als Bote, Treuhänder oder aufgrund einer Anweisung für den Kindergeldberechtigten in Empfang nimmt. Der Zahlungsempfänger hat hier lediglich die Funktion einer Zahlstelle; der Dritte wird nicht Leistungsempfänger bzw. Rückzahlungsverpflichteter.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 24.8.2001, VI R 83/99

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