Leitsatz

1. Ein Insolvenzverwalter, der nach § 80 Abs. 1 InsO i.V.m. § 34 Abs. 3 und 1 AO die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners (Steuerpflichtigen) zu erfüllen hat und im Besteuerungsverfahren die Erteilung eines Kontoauszugs für den Insolvenzschuldner beantragt, hat Anspruch darauf, dass das FA darüber nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet.

2. Im Rahmen der Ermessensentscheidung hat das FA das Interesse des Insolvenzverwalters an der Auskunft und den steuerrechtlichen Charakter dieser Auskunft, also den unmittelbaren Zusammenhang mit der Erfüllung steuerlicher Pflichten oder mit der Prüfung der vom FA angemeldeten Insolvenzforderungen zu berücksichtigen.

 

Normenkette

§ 34 Abs. 1 und 3, § 251 Abs. 2 und 3 AO, § 80 Abs. 1, § 174, § 178, § 185 InsO, § 102 FGO, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen für F. Das FA meldete Forderungen gegen F unter Beifügung einer Aufstellung aller offenen Steuerverbindlichkeiten und steuerlichen Nebenleistungen beim Kläger zur Insolvenztabelle an. Der Kläger beantragte daraufhin beim FA die Erteilung eines Kontoauszugs für F, um die ordnungsgemäße Bearbeitung des Insolvenzverfahrens sicherstellen zu können. Diesen Antrag lehnte das FA ab. Die Sprungklage hatte keinen Erfolg (Hessisches FG vom 31.8.2010, 7 K 3725/06, Haufe-Index 2685319).

 

Entscheidung

Auch die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Der BFH sah es als entscheidend an, dass der Kläger seinen Antrag auf Überlassung eines Kontoauszugs nicht hinreichend substanziiert hat. Auf die Frage, ob für den Antrag auf Erteilung des Kontoauszugs überhaupt der Finanzrechtsweg gegeben ist, konnte der BFH nicht eingehen. Denn nach § 155 FGO i.V.m. § 17a Abs. 5 GVG hat das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Außerdem fehlt es im Land Hessen, in dem der Streitfall angesiedelt ist, an einer den Auskunftsanspruch begründenden Norm des Landesrechts.

 

Hinweis

Für die Praxis der Insolvenzverwaltung hat die Frage besondere Bedeutung, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Insolvenzverwalter im Interesse einer ordnungsgemäßen Bearbeitung des Insolvenzverfahrens einen Anspruch gegen das FA auf Auskunft zu den Verhältnissen und den gespeicherten Daten des Insolvenzschuldners hat. Dazu gehört:

1. Die Entscheidung des FA über eine solche vom Insolvenzverwalter begehrte Auskunft ist eine Ermessensentscheidung. Die AO gewährt keinen Anspruch auf Akteneinsicht oder auf Auskunft zu einem Konto, aus dem sich Fälligkeit und Tilgung von Abgabenforderungen ergeben. Insoweit stehen dem Insolvenzverwalter keine weiterreichenden Ansprüche zu als dem Steuerpflichtigen (Insolvenzschuldner) selbst.

Rechtsgrundlage des Auskunftsanspruchs – und zwar sowohl des Steuerpflichtigen selbst als auch des Insolvenzverwalters – ist das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) i.V.m. dem Prozessgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG. Dabei reicht das Akteneinsichts- und Auskunftsrecht des Insolvenzverwalters grundsätzlich nicht weiter als das des Steuerschuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

2. Für die Ermessensabwägung des FA ist insbesondere maßgebend, ob die Auskunft der Wahrnehmung von Rechten in einem bestehenden Steuerrechtsverhältnis dienen kann. Auch ein Anspruch des Insolvenzverwalters auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Auskunftsgewährung kann auf dem Steuerrechtsverhältnis beruhen, soweit der Insolvenzverwalter die vom Finanzamt als Insolvenzgläubiger angemeldeten Abgabenforderungen zu prüfen hat.

3. Für die Ermessensentscheidung des FA über ein Auskunftsgesuch des Insolvenzverwalters kommt es letztlich darauf an, ob dieser Insolvenzverwalter ein berechtigtes Interesse an der begehrten Auskunft in Form eines Kontoauszugs hat. Dazu muss der Insolvenzverwalter bestimmte Darlegungsanforderungen erfüllen.

Er muss substanziiert darlegen, aus welchen Gründen er die Auskunft begehrt und dass die Auskunft auf dem Steuerrechtsverhältnis beruht. Fehlen solche Darlegungen, kann das FA schon deshalb die Erteilung eines Kontoauszugs ablehnen.

Wenn der Insolvenzverwalter ausreichend darlegt, dass er den angeforderten Kontoauszug zur Erfüllung steuerlicher Pflichten oder zur Prüfung vom FA angemeldeter Forderungen benötigt, kann das FA den Kontoauszug erteilen. Das Ermessen des FA ist allerdings nicht auf null reduziert. Es kann bei seiner Ermessensabwägung berücksichtigen, ob sich durch die begehrte Auskunft Anhaltspunkte für mögliche Anfechtungsgründe nach den §§ 129ff. InsO ergeben können. Jedenfalls hat der Insolvenzverwalter allein wegen des Verdachts anfechtbarer Zahlungen auf Steuerschulden keinen Auskunftsanspruch gegenüber dem Finanzamt.

4. Bislang ist – für die Praxis misslich – nicht abschließend geklärt, ob ein Anspruch auf Akteneinsicht auch nach den Informationsfreiheitsgesetzen besteht und ob ein solcher Anspruch bei den Finanz- oder aber bei den Verwaltungsgerichten g...

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