Leitsatz

1. Die beim Leistungsbezug zu treffende Zuordnungsentscheidung ist spätestens im Rahmen der Jahressteuererklärung bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist von Steuererklärungen (31. 5. des Folgejahrs) zu dokumentieren.

2. Das gilt auch für den in zeitlicher Hinsicht "gestreckten" Vorgang der Herstellung eines Gebäudes.

3. Eine in Voranmeldungen (nicht) getroffene Zuordnungsentscheidung kann nur innerhalb der für die Jahresfestsetzung maßgebenden Dokumentationsfrist (31. 5. des Folgejahrs) korrigiert werden.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 1, Abs. 2, § 16, § 18 UStG 2005, Art. 17 Abs. 2 Buchst. a, Art. 22 Abs. 4 Buchst. a und Abs. 6 Buchst. a der 6. EG-RL, § 109, § 149 AO, § 68, § 100 Abs. 1, § 127 FGO

 

Sachverhalt

Der Kläger errichtete 2007 ein (ab Januar 2008 für seine Wohn- und unternehmerischen Zwecke genutztes) Einfamilienhaus (EFH). Erst in den im Juni 2008 berichtigten vierteljährlichen USt-Voranmeldungen machte er erfolglos Vorsteuer aus der Herstellung des EFH geltend. Das FG wies die Klage ab (Niedersächsisches FG, Urteil vom 7.5.2010, 16 K 189/09, Haufe-Index 2529538, EFG 2011, 87), weil die Zuordnungsentscheidung nicht zeitnah, in den Voranmeldungen, dokumentiert worden sei. Auch andere – erkennbare – objektive Anhaltspunkte für die Zuordnung lägen nicht vor.

 

Entscheidung

Die Revision hatte keinen Erfolg. Denn im Streitfall hatte der Kläger für das Streitjahr 2007 in seinen bis zum Stichtag abgegebenen Erklärungen (hier: USt-Voranmeldungen) keine Vorsteuern aus der Gebäudeherstellung geltend gemacht. Selbst aus der Bauplanung – deren Relevanz für die Dokumentation der Zuordnungsentscheidung bei der Errichtung von Wohnhäusern mit Vorsicht zu betrachten ist – ergaben sich für eine unternehmerische Nutzung keine Anhaltspunkte. Auch berichtigte Voranmeldungen nach dem 31. Mai des Folgejahres – wie im Streitfall – bleiben unberücksichtigt.

 

Hinweis

1. Zwei durch Entscheidungen des EuGH vorprogrammierte Grundsätze sind der Rahmen für diese Entscheidung: Die Möglichkeit der uneingeschränkten Zuordnung eines gemischt – unternehmerisch und privat – genutzten Gegenstands zum Unternehmen mit der Berechtigung zum Vorsteuerabzug und der Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer bei Anschaffung oder Herstellung des Gegenstands. Die Entscheidung betrifft nicht die gemischt wirtschaftliche/nichtwirtschaftliche Verwendung, bei der – anders als bei der teilweisen Verwendung für private Zwecke – keine Zuordnung zum nichtwirtschaftlichen Bereich möglich ist.

a) Der Unternehmer kann den gemischt genutzten Gegenstand insgesamt seinem Unternehmen zuordnen, ihn in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen oder nur teilweise zuordnen.
b) Der Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer bei Anschaffung oder Herstellung des Gegenstands setzt eine Zuordnungsentscheidung in diesem Zeitpunkt voraus.

2. Die Zuordnungsentscheidung muss – für das FA erkennbar – zumindest zeitnah dokumentiert werden. Indiz gegen oder für die Zuordnung ist die Nicht-/Geltendmachung des Vorsteuerabzugs. Indiz kann aber auch die bilanzielle und ertragsteuerrechtliche Behandlung sein. Bereits eine formlose Erklärung an das FA über die erfolgte Zuordnung sorgt für Klarheit.

Gibt es keine Beweisanzeichen für eine Zuordnung zum Unternehmen, kann diese grundsätzlich nicht unterstellt werden. Sind Vorsteuerbeträge angefallen für die Anschaffung oder Herstellung eines nur für unternehmerische Zwecke verwendbaren Gegenstands (z.B. Baukran), ist – vom BFH allerdings noch nicht entschieden – grundsätzlich von einem Leistungsbezug "für das Unternehmen" auszugehen.

3. Der Grundsatz der Sofortentscheidung erfordert eine zeitnahe Dokumentation. Weil der Unternehmer seine USt (Steuer und u.a. Vorsteuer) selbst berechnen und erklären muss (§ 16, § 18 UStG), kommt als – letzter – Anknüpfungspunkt für eine zeitnahe Dokumentation nur die Frist für die Abgabe der USt-Erklärung in Betracht. Anders als das FG im Besprechungsfall knüpft der BFH an den für alle Unternehmer gleichermaßen geltenden Zeitpunkt für die Abgabe der USt-Jahreserklärung an. Dafür spricht insbesondere der nur vorläufige Charakter der Voranmeldungen, die sowohl in verfahrens- als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht in aller Regel nur vorläufige Rechtsfolgen herbeiführen. Entscheidend ist danach, dass bis zum Ablauf der allgemeinen Frist für die Abgabe der USt-Jahreserklärung die Zuordnungsentscheidung – ggf. durch eine formlose Erklärung gegenüber dem FA – dokumentiert werden muss. Fristverlängerungen bleiben unbeachtlich.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 7.7.2011 – V R 21/10

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