Leitsatz

Werden im Rahmen mehrerer zeitgleich abgeschlossener, korrespondierender Verträge GmbH-Anteile übertragen und deren Höhe durch eine Kapitalerhöhung auf genau 25 % reduziert, so vermittelt die der Kapitalerhöhung vorgreifliche Anteilsübertragung kein wirtschaftliches Eigentum an einer wesentlichen Beteiligung, wenn nach dem Gesamtvertragskonzept die mit der übertragenen Beteiligung verbundenen Rechte von vornherein nur für eine Beteiligung von genau 25 % übergehen sollten.

 

Normenkette

§ 17 EStG

 

Sachverhalt

Der Sachverhalt wurde verkürzt bereits in den Praxis-Hinweisen dargestellt. K hatte vor den Kapitalerhöhungen keine tatsächliche Verfügungsbefugnis über eine Beteiligung von über 25 % erworben. Vielmehr vereinbarten die Beteiligten 1994 im Rahmen eines Vertragsgeflechts in Gestalt von Anteilsübertragungen und Kapitalerhöhungen, die zwei Gesellschaften mbH betrafen, einen endgültigen Anteilserwerb des K von 25 %. Die aus der Beteiligung im Vorfeld der Kapitalerhöhungen resultierenden Verwaltungsrechte konnte K ausschließlich in Gestalt einer entsprechend gebundenen Stimmrechtsausübung wahrnehmen. Die an den Verträgen im Jahr 1994 Beteiligten unterzeichneten diese als Teilakte eines von vornherein klaren Gesamtvertragskonzepts, nämlich jeder Partei genau 25 % der Anteile an den beiden Gesellschaften zu verschaffen. K veräußerte seine Beteiligungen 1997 und das FA erfasste die Veräußerungsgewinne. Seine Klage blieb erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 14.9.2010, 13 K 997/08 E, Haufe-Index 2652712, EFG 2011, 961).

 

Entscheidung

Der BFH hob diese Entscheidung auf und gab der Klage statt: Die Veräußerungen waren nicht steuerbar, weil K mit genau 25 % nicht wesentlich beteiligt gewesen war. Der BFH konnte die Verträge auslegen. Die insoweit abweichende Vertragsauslegung des FG band den BFH nicht, da sie in ihrer rein formalen Orientierung am Wortlaut der Verträge ohne Berücksichtigung der Gesamtumstände der Vertragsschlüsse anerkannte Regeln der Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) verletzte.

 

Hinweis

1. Es geht um GmbH-Beteiligungen. Im Rahmen eines Notartermins im Jahr 1994 waren mehrere Anteilsübertragungen sowie eine Kapitalerhöhung vereinbart worden, die im Ergebnis zu einer Beteiligung des K von genau 25 % führen sollten und auch führten. Lediglich aus technischen Gründen hatte K vor der abschließenden Kapitalerhöhung vorübergehend die maßgebliche Beteiligungsschwelle überschritten. Mit dieser Beteiligung war jedoch nach dem Willen aller Vertragsbeteiligten keinerlei wirtschaftliche Verfügungsbefugnis verbunden.

2. Ist also bei der Frage, ob jemand wesentlich beteiligt ist, rein formal-zivilrechtlich zu entscheiden, sodass eine Beteiligung lediglich aus technischen Gründen ausreicht, um die Wesentlichkeitsgrenze zu erreichen? Dies ist unter Verweis auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO zu verneinen.

3. Aber zunächst zum Steuertatbestand. Nach § 17 Abs. 1 EStG a.F. gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich (damals mehr als 25 %) beteiligt war.

4. Ob und wie hoch jemand beteiligt ist, richtet sich danach, ob und inwieweit ihm der Anteil nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO zugerechnet werden kann. Grundsätzlich ist die Eigentümerstellung maßgebend (§ 39 Abs. 1 AO), aber "abweichend" davon – also auch dann, wenn der Anteil zivilrechtlich zuordenbar ist – ist der Anteil dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen. Hätte K also zivilrechtlich mehr Anteile inne, fragt es sich, ob ihm nicht bei der besonderen Gestaltung des Falls wirtschaftlich nur 25 % zugeordnet werden können.

Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Ausschlaggebend ist nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte.

Wenn nun aber der Gesellschafter, dem zivilrechtlich mehr als 25 % des Kapitals zurechenbar ist, zu keinem realen Zeitpunkt die tatsächliche Möglichkeit hat, die aus seiner Beteiligung von über 25 % resultierenden Rechte jenseits seiner Mitwirkung an der jeweiligen Kapitalerhöhung auszuüben oder gar im Konfliktfall effektiv durchzusetzen, wenn seine über 25 % hinausgehende Position also allein in der im Rahmen der vertraglichen Gesamtkonzeption vorgesehenen und insoweit gebundenen Mitwirkung an der Herstellung der vorweg vereinbarten Gesellschaftsstruktur unter Reduzierung der eigenen Beteiligungsquote (auf 25 %) besteht, dann ist ihm auch nur ein Gesellschaftsanteil von 25 % zuzuordnen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 5.10.2011 – IX R 57/10

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