Leitsatz

Der Beteiligungsbegriff gem. § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. d. StEntlG 1999/2000/2002 ist veranlagungszeitraumbezogen auszulegen, indem das Tatbestandsmerkmal "innerhalb der letzten 5 Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt" in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der in diesem Veranlagungszeitraum jeweils geltenden Beteiligungsgrenze zu bestimmen ist.

 

Normenkette

§ 17 Abs. 1, § 52 Abs. 1 EStG 1999

 

Sachverhalt

K veräußerte seine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft im Dezember 1999. Er war zu 9,22 % an der AG beteiligt und in den Jahren zuvor bis zu 13,52 %. Das FA wie auch das FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.12.2011, 6 K 3822/11, Haufe-Index 2908179, EFG 2012, 693) unterwarfen den Gewinn zunächst nach dem BFH-Urteil vom 1.3.2005, VIII R 25/02 (BFH/NV 2005, 960) in vollem Umfang der Besteuerung. Nachdem das BVerfG dieses Urteil mit Beschluss vom 7.7.2010 (BVerfGE 127, 61 ff.) aufgehoben und § 17 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. d. StEntlG 1999/2000/2002 teilweise als nichtig erkannt hatte, erließ das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1999, indem es bezugnehmend auf das BMF-Schreiben v. 20.12.2010 (BStBl I 2011, 16) für den Zeitraum vom 31.3.1999 bis zum 1.12.1999 einen (geminderten) Veräußerungsgewinn von 8.312.278 DM erfasste. Den Einspruch wies es als unbegründet zurück. Auch die Klage hatte keinen Erfolg, wohl aber die Revision des K.

 

Entscheidung

Der BFH legte das "einfache" Recht anders als bisher aus und kam aus den Erwägungen, wie sie in den Praxis-Hinweisen dargestellt wurden, zu dem Ergebnis einer nicht steuerbaren Veräußerung, da K nie wesentlich an der Kapitalgesellschaft beteiligt war. Er gab der Klage des K statt.

 

Hinweis

Diese Entscheidung ist nur für den Zeitraum bedeutsam, in dem noch die Wesentlichkeitsgrenze galt. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. d. Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 v. 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402) gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten 5 Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Eine wesentliche Beteiligung war gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mindestens 10 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG).

1. Diese Fassung des Gesetzes war gem. § 52 Abs. 1 EStG i.d.F. d. Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 erstmals für den VZ 1999 anzuwenden. Veräußerte jemand im Jahr 1999 eine Beteiligung von 10 %, war dieser Vorgang steuerbar. Veräußerte er allerdings eine Beteiligung von – wie im Fall hier – unter 10 %, lag ein steuerbares Veräußerungsgeschäft nur vor, wenn er innerhalb der letzten 5 Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Da die Wesentlichkeitsgrenze von 10 % nach § 52 Abs. 1 EStG erstmals für den VZ 1999 gilt, folgt daraus umgekehrt zugleich, dass sie für frühere VZ nicht anwendbar ist. Deshalb ist es unerheblich, ob der Steuerpflichtige, der im Jahr 1999 eine Beteiligung unter 10 % veräußerte, innerhalb der letzten 5Jahre am Kapital der Gesellschaft über 10 %, aber nur bis einschließlich 25 % beteiligt war. Denn in den VZ vor 1999 war eine wesentliche Beteiligung nur dann gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (so § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG in früheren Fassungen).

2. Dieser sog. veranlagungszeitraumbezogene Beteiligungsbegriff (so für Verlustfälle bereits BFH, Urteil vom 29.5.2008, IX R 62/05, BFH/NV 2008, 1726; zur nachfolgenden Rechtslage BFH, Urteil vom 24.1.2012, IX R 8/10, BFH/NV 2012, 1210, 33 Rz. 28) widerspricht nicht der Entwurfsbegründung, wonach "eine wesentliche Beteiligung" eben erst "künftig" bereits gegeben ist, wenn der Gesellschafter mindestens 10 % der Anteile an der Kapitalgesellschaft hält (BT-Drucks. 14/265, 179); dies entsprach der überwiegenden Auffassung im Schrifttum, indes nicht der damaligen Rechtsprechung des BFH (vgl. zu den unterschiedlichen Auffassungen eingehend BFH, Urteil vom 1.3.2005, VIII R 25/02, BFH/NV 2005, 960). Das BVerfG hat dieses Urteil aber aufgehoben (Beschluss v. 7.7.2010, BVerfGE 127, 61 ff.). Damit ist dieses Urteil nicht mehr existent und die dort entschiedene Rechtsfrage wieder offen.

Der BFH beantwortet diese Rechtsfrage nun in dem Sinne, dass der Beteiligungsbegriff veranlagungszeitraumbezogen auszulegen ist, indem das Tatbestandsmerkmal "innerhalb der letzten 5 Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt" in § 17 Abs. 1 EStG für jeden abgeschlossenen VZ nach der in diesem VZ jeweils geltenden Beteiligungsgrenze zu bestimmen ist.

3. Diese Interpretation des Gesetzes vermeidet, dass es überhaupt zurückwirkt. Sie ist mit dem Fünfjahreszeitraum des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG vereinbar. Durch diese im gesetzlichen Tatbestand angelegte Rückbezüglichkeit soll Gestaltungen entgegengewirkt werden, den Rechtsfolgen des § 17 EStG ...

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