Leitsatz

Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG 2006 sind sowohl für jeden Gesellschafter als auch für jeden einzelnen Sacheinlagegegenstand gesondert zu prüfen. Dies gilt auch bei Einbringung mehrerer Mitunternehmeranteile mit positiven und negativen Kapitalkonten.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG 2006, § 40 Abs. 2 FGO

 

Sachverhalt

Die zwei Kläger waren je zur Hälfte Gesellschafter von zwei Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR 1 und GbR 2), die je ein Unternehmen betrieben. Im Streitjahr 2010 gründeten die Kläger eine GmbH, an der sie je zur Hälfte beteiligt waren und in die sie ihre Mitunternehmeranteile an den GbRs im Wege der Sacheinlage einbrachten. Das Kapital der GbR 1 war negativ, das der GbR 2 positiv. Die Kläger waren der Ansicht, dass das negative Kapitalkonto der einen mit dem positiven Kapitalkonto der anderen GbR zu saldieren sei. Demgegenüber vertrat das FA die Auffassung, dass eine Saldierung un­zulässig und die Buchwerte der eingebrachten Wirtschaftsgüter der GbR 1 wegen ihres negativen Kapitals aufzustocken seien, woraus sich ein Veräußerungsgewinn ergebe.

Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab, ­weil es mit dem FA davon ausging, dass die ­Wertansätze der beiden von den Klägern eingebrachten ­Mitunternehmeranteile an der GbR 1 aufzustocken waren (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.2.2016, 11 K 12073/15, Haufe-Index 9213282, EFG 2016, 954).

 

Entscheidung

Auf die Revision der Kläger hat der BFH die ­Entscheidung der Vorinstanz in der Sache (Auf­stockungspflicht) bestätigt, das FG-Urteil be­treffend das Streitjahr 2010 aber dennoch aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, weil noch Feststellungen zu einer bisher nicht im Streit stehenden Besteuerungsgrundlage (betrieblicher Charakter einer Verbindlichkeit der GbR 1) zu treffen waren.

 

Hinweis

1. Bei einer Einbringung mehrerer (im Streitfall vier) Mitunternehmeranteile durch mehrere (im Streitfall zwei) Gesellschafter ist für jeden Anteil und jeden Gesellschafter gesondert zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Buchwertansatz vorliegen. Das ist die Quintessenz der Besprechungsentscheidung.

2. Während es schon bislang in Rechtsprechung und Literatur unstreitig war, dass die Bewertung des eingebrachten Mitunternehmeranteils für jeden Gesellschafter gesondert vorzunehmen ist, war noch unklar, ob bei der Einbringung mehrerer Anteile durch ein und denselben Gesellschafter eine Gesamtbetrachtung hinsichtlich der verschiedenen Sacheinlagegegenstände zulässig ist. Eine solche Gesamtbetrachtung hat aus Sicht der Steuerpflichtigen vor allem den Charme, die bei der Einbringung eines "überschuldeten" Mitunternehmeranteils drohende Aufdeckung stiller Reserven zu vermeiden. Denn in einer solchen "Überschuldungssituation" sind die stillen Reserven so weit aufzudecken, wie es zum Ausgleich des Negativkapitals erforderlich ist. Steht allerdings positives Saldierungspotenzial bei einem anderen, gleichzeitig eingebrachten Mitunternehmeranteil zur Verfügung, ließe sich diese missliche Steuerfolge vermeiden.

3. Der BFH hat sich allerdings für eine strenge Einzelbetrachtung ausgesprochen, die anteilsübergreifende Saldierungen ausschließt. Seines Erachtens ist das Gesetz schon von seinem Wortlaut her nicht auf eine Gesamtbetrachtung angelegt, weil dort einzelne Sacheinlagegegenstände (Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil) angesprochen werden. Zudem kann man in den Gesetzesmaterialien u.a. nachlesen, dass "hinsichtlich eines jeden Mitunternehmeranteils ein gesonderter Einbringungsvorgang" vorliegt.

4. Prozessual bewegt sich die Besprechungsentscheidung auf gesichertem Terrain. Die einbringenden Kläger durften aus eigenem Recht den für die GmbH ergangenen Körperschaftsteuerbescheid angreifen. Die Zulässigkeit einer solchen Drittanfechtungsklage hat der BFH aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 19 Abs. 4 GG) in Einbringungsfällen anerkannt. Denn für die Besteuerung des Einbringenden "zählt" materiell-rechtlich allein der Wertansatz aufseiten der Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 3 UmwStG n.F.). Hat diese – oder das FA – den Wert fälschlicherweise zu hoch ange­setzt, ist der Einbringende daran gebunden. Eine ­solche materielle Bindung muss dann aber auch prozessual durch die Gewährung eines Drittanfechtungsrechts flankiert werden, ansonsten bliebe nämlich der Einbringende gänzlich ohne Rechtsschutz (vgl. BFH, Urteil vom 25.4.2012, I R 2/11, BFH/NV 2012, 1649).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 13.9.2018 – I R 19/16

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