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Das Verhältnis der Grunderwerbsteuer zur Umsatzsteuer bestimmt sich nach § 4 Nr. 9a UStG. Diese Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. j und k sowie auf Art. 371 i. V. m. Anhang X Teil B Nr. 9 der Richtlinie des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG. Danach besteht für die Mitgliedstaaten die Befugnis, die Lieferung von Gebäuden und Gebäudeteilen von der Umsatzsteuer zu befreien. Nach § 4 Nr. 9a UStG sind Umsätze, die unter das GrEStG fallen, umsatzsteuerfrei. Die Grunderwerbsteuer tritt also für Grundstücke an die Stelle der Umsatzsteuer. Die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 9a UStG setzt nicht voraus, dass die Grundstücksveräußerung grunderwerbsteuerpflichtig ist; es kommt nur darauf an, dass sie grunderwerbsteuerbar ist. Wenn z. B. ein Grundstücksverkauf grunderwerbsteuerbar, aber wegen einer Befreiungsvorschrift des Grunderwerbsteuergesetzes grunderwerbsteuerfrei ist, oder wenn die Grunderwerbsteuer aus Billigkeitsgründen erlassen wird, so bleibt die Umsatzsteuerfreiheit trotzdem bestehen. Umgekehrt ist ein Umsatz, der nicht unter das GrEStG fällt, aber zu Unrecht zur Grunderwerbsteuer veranlagt ist, nicht umsatzsteuerfrei (vgl. RFH v. 14.12.1934, VA 360/34, RStBl 1935, 843).

Unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fällt grundsätzlich auch die Veräußerung eines Grundstücks. Grundstücksumsätze sind allerdings umsatzsteuerlich nur relevant, wenn sie von einem Unternehmer im Inland im Rahmen seines Unternehmens gegen Entgelt ausgeführt werden. Der Leistungsempfänger muss hierbei kein Unternehmer sein. Unter Einhaltung dieser Voraussetzungen führt der Verkauf eines Grundstücks trotz der unterschiedlichen Anknüpfungspunkte bei der Grunderwerbsteuer (obligatorisches Verpflichtungsgeschäft) und der Umsatzsteuer (Erfüllungsgeschäft) zu einer umsatzsteuerbaren, jedoch § 4 Nr. 9a UStG umsatzsteuerfreien Lieferung und damit zur Vermeidung einer Doppelbelastung mit Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer, soweit nicht zulässigerweise auf die Umsatzsteuerfreiheit nach § 9 Abs. 1 UStG verzichtet wird.

Ungeachtet dessen ergibt sich eine Konkurrenzfrage zwischen Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer und eine hierin begründete mögliche Doppelbelastung insbesondere dann, wenn der Leistende, der Leistungsempfänger und das Leistungsobjekt umsatzsteuerlich und grunderwerbsteuerlich unterschiedlich bestimmt werden. Diese Divergenz wird vor allem beim sog. einheitlichen Leistungsgegenstand "bebautes Grundstück" (sog. einheitliches Vertragswerk) offensichtlich. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH zur Grunderwerbsteuer ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei einem objektiv sachlichen Zusammenhang zwischen einem Grundstückskaufvertrag und weiteren, die künftige Bebauung des Grundstücks betreffenden Verträgen mit Dritten das Grundstück in bebautem Zustand. Zur Bemessungsgrundlage gehören insoweit alle Leistungen des Erwerbers, die dieser an Dritte und den Grundstücksveräußerer gewährt, um das Eigentum an dem (bebauten) Grundstück zu erwerben. Der Grunderwerbsteuer unterliegen damit in diesen Fällen auch die Baukosten, einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer. Gleichwohl liegt darin weder eine den Wertungen des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG widersprechende Doppelbelastung (vgl. BFH v. 1.3.2000, II R 37/99, HFR 2000, 732 m. w. N.) noch eine verfassungsrechtlich unzulässige Doppelbesteuerung (BVerfG v. 27.12.1991, 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212). Die Einbeziehung künftiger Bauleistungen in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage ist auch europarechtskonform (vgl. EuGH v. 27.11.2008, C-156/08, DStR 2009, 233), insbesondere auch, weil die deutsche Grunderwerbsteuer nicht den Charakter einer Umsatzsteuer i. S. v. Art. 33 der 6. EG-MwStRL (jetzt Art. 401 MwStSystRL) hat (vgl. EuGH v. 8.7.1986, C-73/85, EGHE 1986, 2441, und BFH v. 2.4.2008, II R 53/06, BStBl II 2009, 5). Die Grundsätze zum einheitlichen Vertragswerk geben allerdings immer wieder Anlass für erneute grunderwerbsteuerrechtliche Auseinandersetzungen, wie FG Niedersachsen v. 26.8.2011, 7 K 192/09, 7 K 193/09, EFG 2012, 730 zeigt. Dieses hat entgegen der ständigen BFH-Rechtsprechung die Rechtsauffassung vertreten, dass ein Bauerrichtungsvertrag (Werkvertrag), der im Zusammenhang mit dem Erwerb eines unbebauten Grundstücks (Kaufvertrag) abgeschlossen wird und der für den Bauherrn eine Belastung mit Umsatzsteuer auslöst, regelmäßig nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt und mangels Bezeichnung der Verpflichtung zur Ausführung der Bauerrichtungsleistungen in § 1 GrEStG als steuerbarer Vorgang hierfür keine Grunderwerbsteuer anfallen kann, sondern allein Umsatzsteuer. Der BFH ist dieser Argumentation jedoch entgegengetreten und hat an seiner ständigen Rechtsprechung zum einheitlichen Vertragswerk festgehalten. Er hat insbesondere festgestellt, dass gegen seine Rechtsprechung zum einheitlichen Erwerbsgegenstand im Grunderwerbsteuerrecht keine unions- oder verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen und diese auch nicht im Widers...

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