Rz. 4q

Zur Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn gehört neben dem eigentlichen Kaufpreis für das Grundstück (vgl. § 2 GrEStG Rz. 3ff.) jede (weitere bzw. sonstige) Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt. Für die Frage nach der Gegenleistung ist es nicht maßgebend, was die Vertragsschließenden als Gegenleistung für das Grundstück bezeichnen, sondern zu welchen Leistungen sie sich verpflichtet haben (vgl. § 8 GrEStG Rz. 3). Sind neben dem festgesetzten Kaufpreis (Barpreis) noch andere Leistungen des Erwerbers vereinbart, zählen auch diese zum vereinbarten Preis, soweit sie für den Erwerb des Grundstücks erbracht werden. Die Gegenleistung setzt sich in diesen Fällen aus dem Barkaufpreis und den weiteren vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen zusammen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass diese zusätzlichen Leistungen in dem Kaufvertrag selbst vereinbart werden. Vielmehr können auch solche Leistungen zur Gegenleistung gehören, die vor oder nach Verwirklichung des Erwerbsvorgangs vereinbart waren (vgl. BFH v. 3.12.1975, II R 122/70, BStBl II 1976, 299).

Unter den Begriff der sonstigen Leistungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG fallen damit sämtliche geldwerten Leistungen des Erwerbers, die als Gegenleistung anzusehen und nicht Kaufpreis im engeren Sinne oder vorbehaltene Nutzungen sind und auch nicht § 9 Abs. 2 GrEStG (vgl. Rz. 2427a) unterfallen. Voraussetzung für die Qualifizierung einer sonstigen Leistung als Gegenleistung ist jedoch, dass sich diese Leistung auf das erworbene Grundstück als solches, ggf. auch in seinem künftigen Zustand (einheitliches Vertragswerk, vgl. Rz. 35ff. und § 8 GrEStG Rz. 2), bezieht. Ein solcher Kausalzusammenhang besteht allerdings z. B. auch schon dann, wenn der Erwerber dem Verkäufer einen Ausgleich für die mit dem Verlust des Grundstücks verbundenen wirtschaftlichen Nachteile gewährt.

Ein Entgelt für die mit dem Eigentum am Grundstück verbundenen Rechte gehört grundsätzlich zur Gegenleistung, da diese Rechte nach § 96 BGB als Bestandteile des Grundstücks gelten (vgl. Loose, in Boruttau, GrEStG, 17. Aufl. 2011, § 9 Rz. 107).

 

Rz. 4r

Auch Leistungen, die schon vor Verwirklichung des eigentlichen Erwerbsvorgangs, also vor Abschluss eines Kaufvertrags oder eines anderen unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG fallenden Rechtsvorgangs erbracht werden, können bei einer kausalen Verknüpfung mit dem späteren Grundstückserwerb sonstige Leistung bzw. Gegenleistung sein. So können z. B. die vor einem Grundstückserwerb geleisteten Pachtzahlungen ausnahmsweise Teil der Gegenleistung sein, wenn ein Grundstückseigentümer im Interesse und entsprechend den Vorgaben eines anderen auf seinem Grundstück ein Gebäude errichtet, dem anderen ein Ankaufsrecht einräumt, diesem das Grundstück verpachtet und weiter vereinbart wird, dass sich der Kaufpreis bei Ausübung des Ankaufsrechts auf einen bestimmten Betrag für Grund und Boden bemisst und der Erwerber den Veräußerer von dessen Verpflichtungen gegenüber Dritten, herrührend aus der Gebäudeerstellung, freizustellen hat, wobei ausgehend von den Gebäudeherstellungskosten bis dahin geleistete Pachtzahlungen anzurechnen sind (vgl. BFH v. 3.12.1975, II R 122/70, BStBl II 1976, 299).

Die Möglichkeiten kaufvertraglicher Vereinbarungen über weitere (sonstige) Leistungen als grunderwerbsteuerliche Gegenleistung sind überaus vielfältig. Eine erschöpfende Darstellung dieser Möglichkeiten ist ausgeschlossen. Es können daher im Folgenden lediglich einige dieser möglichen vertraglichen Vereinbarungen angesprochen werden. Einen Überblick gibt auch der Katalog der Gegenleistungen i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (Rz. 8r).

 

Rz. 4s

Eine sonstige Leistung des Grundstückskäufers i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist in den Fällen zu sehen, in denen der Grundstückskäufer auf die ihm durch das funktionelle Synallagma (§§ 320, 322 BGB) vermittelte Rechtsposition, den Kaufpreis erst im Zuge der Erfüllung der Sachleistungsverpflichtung (Übereignung und Übergabe des Grundstücks) erbringen zu müssen, verzichtet und sich stattdessen zu einer Vorleistung des Kaufpreises an den Verkäufer verpflichtet. Mit dieser Vorleistung verschafft er dem Grundstücksverkäufer einen geldwerten Vorteil in Form einer vorzeitigen Kapitalnutzungsmöglichkeit, die als sonstige Leistung i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG anzusehen ist (vgl. hierzu im Einzelnen und ausführlich Rz. 2m).

Keine sonstige Leistung liegt demgegenüber bei Teilzahlungsbeträgen vor, die vom Erwerber eines Grundstücks mit noch zu errichtendem Gebäude im Rahmen des geschlossenen Werkvertrags vor der Übergabe des bezugsfertig errichteten Objekts als Abschlagszahlungen nach der Makler- und BauträgerverordnungMaBV – vereinbart und entrichtet werden (BFH v. 12.10.1994, II R 4/91, BStBl II 1995, 69; BFH v. 25.4.2002, II R 57/00, BFH/NV 2002, 1612, und BFH v. 14.6.2006, II R 12/05, BFH/NV 2006, 2126). Von Vorleistun...

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