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Unternehmen sollen nach der Gesetzesbegründung flexibel auf Veränderungen der Marktverhältnisse reagieren können. Dies bedeutet insbesondere, dass sie schnell reagieren können müssen. Vor diesem Hintergrund erscheinen die 5-jährigen Vor- und Nachbehaltensfristen im Zusammenhang mit Steuervergünstigungen bei Umwandlungen als kontraproduktiv. Welcher Missbrauch sich daraus ergeben soll, dass eine Konzerngesellschaft, die von einer konzerninternen Restrukturierung unmittelbar oder mittelbar betroffen ist, ihre Beteiligung an der zu verschmelzenden Tochtergesellschaft noch keine 5 Jahre hält, drängt sich nicht auf. Dies gilt insbesondere bei Konzerngesellschaften, die ihre Beteiligungen innerhalb der letzten fünf Jahre grunderwerbsteuerpflichtig erworben haben.[1]

Dessen ungeachtet nahm die Finanzverwaltung in der Vergangenheit eine restriktive Haltung ein, wie die nachfolgenden Ausführungen belegen. Gegen diese wenden sich in z. T. scharfer Form Teile der Literatur.[2]

Die durch einen Umwandlungsvorgang begünstigungsfähigen Erwerbsvorgänge setzen danach voraus, dass an diesem Umwandlungsvorgang ausschließlich entweder das herrschende Unternehmen und eine oder mehrere von diesem abhängige Gesellschaft(en) oder mehrere von dem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6 a S. 3 GrEStG). Unerheblich ist, ob sich der Sitz der beteiligten Gesellschaften im Inland oder Ausland befindet. Der für den jeweiligen Umwandlungsvorgang zu bestimmende Verbund besteht aus dem herrschenden Unternehmen und der oder den am Umwandlungsvorgang beteiligten abhängigen Gesellschaft(en) sowie den dieses Beteiligungsverhältnis vermittelnden abhängigen Gesellschaften. Der Umwandlungsvorgang, durch den der Verbund begründet oder beendet wird, ist nicht begünstigt. Wird ein Verbund durch Ausgliederung oder Abspaltung zur Neugründung aus einem herrschenden Unternehmen begründet, liegt kein begünstigungsfähiger Vorgang vor (vgl. Beispiel 1 zu Tz. 4). Diese Rechtsauffassung ist allerdings umstritten. Nach FG Düsseldorf v. 4.11.2015, 7 K 1553/15 GE, BB 2015, 3093, ist die Steuervergünstigung des § 6 a GrEStG nicht bereits deshalb zu versagen, weil das herrschende Unternehmen seine Beteiligung an dem beherrschten Unternehmen noch keine fünf Jahre gehalten hat, da das beherrschte Unternehmen neu gegründet wurde. Die Vorbehaltensfrist diene der Verhinderung von Steuerumgehungen durch missbräuchliche Gestaltungen. Bei einem ausschließlich konzerninternen Vorgang sei ein solcher Missbrauch objektiv ausgeschlossen, denn durch den Umwandlungsvorgang würden keine Grundstücke aus dem Konzernverbund gelöst. Im Übrigen trage die Nachbehaltensfrist des § 6 a GrEStG einem eventuellen Missbrauch hinreichend Rechnung. Die Zeit der Vermögenszugehörigkeit beim übertragenden Rechtsträger sei insofern dem neu gegründeten Rechtsträger zuzurechnen. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt (Az. des BFH: II R 56/15). Der BFH hat mit Beschluss v. 25.11.2015 (n. v.) das BMF gem. § 122 Abs. 2 FGO zum Beitritt aufgefordert. Das BMF sollte u. a. auch in unionsrechtlicher Hinsicht prüfen, ob es sich bei § 6 a GrEStG um eine neu eingeführte Beihilfe i. S. d. Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union handle. Das BMF ist dem Revisionsverfahren beigetreten. Mittlerweile hat er das Urteil des FG Düsseldorf bestätigt; die Finanzverwaltung wendet das Urteil jetzt ebenfalls an.

Spiegelbildlich läge kein begünstigungsfähiger Vorgang vor, wenn die letzte am Umwandlungsvorgang beteiligte abhängige Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen verschmolzen wird.

Diese Betrachtungsweise stößt in der Literatur auf heftige Kritik (z. B. Lieber/Wagner, GrESt bei Umwandlungen, Der Betrieb 2012, 1772ff.). Ansatzpunkt ist hierbei der Wortlaut der Regelung, welcher den Begriff des Verbundes nicht kennt. In der Tat ist die Auffassung der Finanzverwaltung angreifbar; ist sie doch erkennbar von dem Versuch geprägt, missbräuchlichen Auswüchsen der nicht unbedingt als geglückt empfundenen Vorschrift des § 6 a GrEStG zu begegnen. Dass dem kein Erfolg beschieden war, hat die Finanzverwaltung mittlerweile erkannt und sich ausdrücklich von dem Begriff des Verbundes, der im Gesetz in der Tat nicht zu finden gewesen ist, bereits am Beginn des neuen Erlasses getrennt. Erkennbar ist hier aber bereits, dass der BFH sich auch mit verfassungsrechtlichen Zweifeln wird auseinandersetzen müssen. Denn spätestens seit der Entscheidung des BVerfG vom 17.12.2014, 1 BvL 21, 12, zur Erbschaftsteuer ist evident, dass der Gesetzgeber privilegieren darf, was er mit der Einführung des § 6 a GrEStG unzweifelhaft getan hat. Wird diese Privilegierung aber vorgenommen, hat sie sich an sachbezogenen Maßstäben zu orientieren und nicht an willkürlichen Kriterien. Dieser Anforderung genügt § 6 a S. 4 GrEStG nicht. Der Gestaltungsberatung bleibt indes bis zur gerichtlichen Klärung nichts anderes übrig, als sich nach der Verwaltungsauffassung zu richten. Dass der Gesetzge...

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