Rz. 1

§ 6 GrEStG befreit in einem bestimmten Umfang die Überführung von Gesamthandseigentum in Bruchteilseigentum, Alleineigentum oder anderes Gesamt­handseigentum. Die Vorschrift stellt damit das grunderwerbsteuerrechtliche Pendant zu § 5 GrEStG dar und regelt spiegelbildlich den Umkehrfall dieser Vorschrift. Im Regelungsbereich des § 6 GrEStG werden Grundstücke nicht in Richtung einer Gesamthand, sondern weg von ihr bewegt, und zwar in verschiedenen Fallkonstellationen:

Nach § 6 Abs. 1 und 2 GrEStG wird die Übertragung eines Grundstücks von einer Gesamthand in das Miteigentum mehrerer ihrer Gesamthänder (§ 6 Abs. 1 GrEStG) oder in das Alleineigentum eines Gesamthänders (§ 6 Abs. 2 GrEStG) von der Grunderwerbsteuer ausgenommen, soweit der jeweilige Erwerber an der Gesamthand beteiligt ist. Damit entspricht § 6 Abs. 1 GrEStG der Vorschrift des § 5 Abs. 1 GrEStG und § 6 Abs. 2 GrEStG der Vorschrift des § 5 Abs. 2 GrEStG mit jeweils entgegengesetzter Übertragungsrichtung des Grundstücks. Mit diesen Bestimmungen des § 6 GrEStG soll insoweit keine Belastung mit Grunderwerbsteuer eintreten, als der Erwerber bereits vor dem Erwerbsvorgang im Rahmen seiner gesamthänderischen Berechtigung am Gesellschaftsvermögen und dementsprechend auch am Wert des erworbenen Grundstücks beteiligt war (vgl. BFH v. 23.1.1985, II R 35/82, BStBl II 1985, 336). Die Grunderwerbsteuer soll also nur in dem Umfang erhoben werden, als der Erwerber in eine (erweiterte) Berechtigung am Grundstück eintritt.

Nach der Systematik des GrEStG müsste eigentlich beim Erwerb des Grundstücks einer Gesamthand durch die an dieser Gesamthand Beteiligten in vollem Umfang Grunderwerbsteuer erhoben werden, weil die Gesamthand grunderwerbsteuerrechtlich ein selbstständiger Rechtsträger ist und daher in diesen Fällen der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht wird. Die Erhebung der vollen Grunderwerbsteuer wurde aber in diesen Fällen für nicht sachgerecht angesehen, weil eine solche Sachbehandlung der besonderen Rechtsnatur des Gesamthands­eigentums nicht gerecht werden würde. Denn zivilrechtlich sind Eigentümer des Vermögens einer Gesamthand deren Beteiligte in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Jeder an der Gesamthand Beteiligte hat ungeteiltes Eigentum am Gesamthandsvermögen, das jedoch durch das gleiche Recht der anderen Beteiligten eine Einschränkung erfährt. Aufgrund dieser besonderen Rechtsnatur soll insoweit keine Steuerbelastung eintreten, als der als Mit- oder Alleineigentümer erwerbende Gesamthänder an der Gesamthand beteiligt ist. Ebenso wie durch § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG sollen also auch durch die "Spiegelvorschriften" des § 6 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG Härten vermieden werden, die aufgrund von § 1 Abs. 1 GrEStG bei formaler Betrachtung einträten, wenn ein Grundstück zwischen Gesamthändern und der Gesamthand umgesetzt wird. Erhoben werden soll die Grunderwerbsteuer nur insoweit, als sich die Eigentumsrechte der jeweiligen Erwerber durch den Wegfall der Beteiligungen der anderen Gesamthänder verstärken.

Bei der Berechnung des Umfangs der nach § 6 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG nicht zu erhebenden Grunderwerbsteuer ist eine Gesamtbetrachtung hinsichtlich des Grundstücksübergangs anzustellen. Eine Aufspaltung in bürgerlich-rechtliche Einzelvorgänge oder eine "Kompensation" zwischen den Gesamthändern kommt nicht in Betracht.

 

Beispiel 1 (zu § 6 Abs. 1 GrEStG):

A, B und C sind Gesellschafter einer OHG und an deren Gesellschaftsvermögen zu jeweils 1/3 beteiligt. Die OHG überträgt ein Grundstück zu je 1/3 Miteigentum an A, B und C.

Die Grundstücksübertragung ist in vollem Umfang nach § 6 Abs. 1 GrEStG begünstigt, weil der Miteigentumsanteil der Gesellschafter A, B und C von jeweils 1/3 ihrer Beteiligung an der OHG entspricht.

 

Beispiel 2 (zu § 6 Abs. 2 GrEStG):

Wie Beispiel 1, jedoch überträgt die OHG jedem ihrer drei Gesellschafter ein Grundstück zu Alleineigentum.

Bei den drei Erwerbsvorgängen bleibt die Grunderwerbsteuer nach § 6 Abs. 2 GrEStG zu jeweils 1/3 unerhoben, weil die jetzigen Alleineigentümer A, B und C zuvor jeweils in dieser Höhe an den Grundstücken beteiligt waren.

§ 6 Abs. 3 GrEStG regelt den Fall eines Übergangs von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand. Hier findet eine Besteuerung insoweit nicht statt als an beiden Gesamthandsgemeinschaften identische Beteiligungsverhältnisse herrschen (z. B. bei einer Schwesterpersonengesellschaft). Diese Rechtsfolge ist die Konsequenz aus den tatsächlichen vermögensrechtlichen Gegebenheiten zwischen den am Übertragungsvorgang beteiligten und grunderwerbsteuerrechtlich selbstständigen Rechtsträgern und trägt dem Umstand Rechnung, dass eine entsprechende Befreiungswirkung auch bei einer Entnahme des Grundstücks aus der einen Gesamthand zu Miteigentum des Gesamthänders (begünstigt nach § 6 Abs. 1 GrEStG) und der anschließenden Einbringung des Grundstücks in die andere Gesamthand (begünstigt nach § 5 Abs. 1 GrEStG) eintreten würde.

§ 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG wurde zur Vermeidung von Gestaltungsmi...

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