Rz. 55

Nach § 3 Nr. 6 GrEStG ist der Erwerb eines Grundstücks zwischen Personen, die miteinander in gerader Linie verwandt sind, von der Grunderwerbsteuer befreit. Den Abkömmlingen stehen die Stiefkinder und den Verwandten in gerader Linie sowie den Stiefkindern ihre Ehegatten gleich.

Personen sind in gerader Linie miteinander verwandt, wenn eine von der anderen abstammt (§ 1589 Abs. 1 BGB). In diesem Sinne verwandt sind demnach Urenkel, Enkel, Kinder, Eltern, Großeltern, Urgroßeltern und alle weiteren Verwandten in aufsteigender sowie absteigender gerader Linie. Die Steuerbefreiung erstreckt sich sowohl auf Grundstückserwerbe durch entsprechende Verwandte in absteigender Linie – z. B. Sohn von Vater – als auch durch entsprechende Verwandte in aufsteigender Linie – z. B. Mutter von Tochter – (vgl. BFH v. 7.7.1965, BStBl III 1965, 513).

In gerader Linie mit ihren Eltern, Großeltern, usw. verwandt sind nicht nur eheliche Kinder, sondern auch nichteheliche Kinder. Eine Ausnahme gilt nur für uneheliche Kinder, die vor dem 1.7.1949 geboren worden sind; diese sind mit ihrem Vater nicht verwandt (vgl. hierzu Abschn. 4.4.3, Rz. 22).

 

Rz. 56

Ein durch ein Ehepaar angenommenes minderjähriges Kind wird durch die Annahme dessen gemeinschaftliches eheliches Kind. Dasselbe gilt, wenn ein Ehegatte ein Kind des anderen Ehegatten annimmt. In den anderen Fällen erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines Kindes des Annehmenden (§ 1754 Abs. 1 und 2 BGB). Das angenommene minderjährige Kind wird damit zum leiblichen Kind des annehmenden Ehepaars oder des Annehmenden. Gleichzeitig erlischt aber das Verwandtschaftsverhältnis des angenommenen minderjährigen Kindes zu seinen bisherigen Verwandten (§§ 1755, 1756 BGB). Bei der Annahme eines nichtehelichen minderjährigen Kindes durch den Ehegatten der Mutter oder des Vaters erlischt die Verwandtschaft aber nur im Verhältnis zu dem anderen Elternteil und dessen Verwandten (§ 1755 Abs. 2 BGB). Trotz des Erlöschens des Verwandtschaftsverhältnisses des Kindes und seiner Abkömmlinge zu den bisherigen Verwandten in den vorgenannten Fällen sind Grundstückserwerbe zwischen diesen Personen, sofern die Erwerbsvorgänge nach dem 13.12.2010 verwirklicht worden sind bzw. werden, nach § 3 Nr. 6 S. 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit (vgl. Art. 29 Nr. 1d JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl I 2010, 1768). Diese Befreiung und Gleichstellung sind nach Ansicht des Gesetzgebers dem persönlichen Näheverhältnis dieser Personen geschuldet, die den Verwandten in gerader Linie zustehende Befreiung soll auch den lediglich "leiblichen Verwandten" gewährt werden.

Demgegenüber hat die Adoption volljähriger Kinder andere rechtliche Folgen. Zwar erhält der Angenommene ebenfalls die Stellung eines ehelichen Kindes (vgl. § 1767 Abs. 2 S. 1 BGB), die Wirkungen der Annahme erstrecken sich aber nicht auf die Verwandten des Annehmenden (§ 1770 Abs. 1 S. 1 BGB). Auch bleibt das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Angenommenen zu seinen bisherigen (leiblichen) Verwandten unberührt (§ 1770 Abs. 2 BGB). Die Adoption des volljährigen Kindes erfolgt durch einen auf Antrag des Annehmenden vom Vormundschaftsgericht ausgesprochenen Beschluss (§ 1752 Abs. 1 und § 1768 Abs. 1 BGB), der weder anfechtbar ist noch Wirkungen in die Vergangenheit entfaltet. Das Annahmeverhältnis kann nur in den Fällen der §§ 1760, 1763 BGB – z. B. wenn das Annahmeverhältnis ohne die Einwilligung des Kindes begründet worden ist – vom Vormundschaftsgericht wieder aufgehoben werden (§ 1759 BGB). Für Adoptionen im Beitrittsgebiet sind ab dem 3.10.1990 grundsätzlich die Vorschriften der §§ 1741ff. BGB anzuwenden (Art. 234 § 1 EGBGB und §§ 66 f. Familiengesetzbuch der DDR). Für Adoptionsfälle vor dem 3.10.1990 vgl. Art. 234 § 13 Abs. 1 EGBGB, § 73 Familiengesetzbuch der DDR.

§ 3 Nr. 6 GrEStG ist nicht auf den Erwerb eines Grundstücks des Volladoptierten durch dessen früheren leiblichen Verwandten und den umgekehrten Erwerbsfall anzuwenden. Da durch die Adoption das frühere Verwandtschaftsverhältnis erloschen ist und § 3 Nr. 6 GrEStG eine Verwandtschaft in gerader Linie verlangt, sind die Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift an und für sich nicht erfüllt. Angesichts des klaren Wortlauts wird eine andere Auslegung nicht möglich sein. Wenn der Gesetzgeber hier eine andere grunderwerbsteuerliche Behandlung haben wollte, hätte er dies entsprechend durch den Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck bringen müssen.

 

Rz. 57

Stiefkinder sind den Abkömmlingen gleichgestellt (§ 3 Nr. 6 S. 2 GrEStG). Der Begriff des Stiefkindes wird in der Vorschrift nicht näher erläutert und kommt auch im bürgerlichen Recht nicht vor (vgl. aber die Umschreibungen in §§ 1444 Abs. 2, 1466 und 1371 Abs. 4 BGB). Unabhängig davon bezeichnet man als Stiefkind das nicht gemeinschaftliche Kind des anderen Ehegatten (vgl. BFH v. 19.4.1989, BStBl II 1989, 627). Stiefkind kann auch das vom anderen Ehegatten angenommene Kind sein (BFH v. 31.1.1973, BStBl II 1973, 453). Keine Stiefkinder sind Kinder, di...

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