Rz. 93h

Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ist dem Grunderwerbsteuerrecht bisher fremd gewesen. Insbesondere der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG ist einer solchen Betrachtungsweise nicht zugänglich. Die Einschaltung von RETT-Blockern konnte und kann daher nicht mit dem Argument begegnet werden, dass damit zwar keine rechtliche, wohl aber eine wirtschaftliche Anteilsvereinigung eintritt bzw. Anteilsübertragung erfolgt. Denn auf eine solche wirtschaftliche Dimension kommt es bei der rechtlichen Ausgestaltung des § 1 Abs. 3 GrEStG, der ausschließlich an objektive Merkmale anknüpft, nicht an (vgl. BFH v. 22.6.1966, II 165/62, BStBl III 1966, 554; siehe auch Rz. 89).

Ungeachtet dessen stellt sich die Frage, ob im Zusammenhang mit den Ergänzungstatbeständen § 42 AO angewendet werden kann, insbesondere ob in der Nutzung von RETT-Blockern ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu sehen ist, die eine Besteuerung entsprechend einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung (§ 42 Abs. 2 AO) verlangt. Die Hürden für die Rechtfertigung einer solchen Annahme sind indes sehr hoch. Eine Steuerumgehung setzt einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Steuervorteil voraus. Ein solcher dürfte jedoch in den einschlägigen Fällen nicht vorliegen. Denn es kann, soweit ein spezialgesetzlicher Tatbestand, wie z. B. der des § 1 Abs. 3 GrEStG, nicht erfüllt wird, nicht unterstellt werden, dass ein "gesetzlich nicht vorgesehener Vorteil "beansprucht wird (Fischer, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO, Rz. 24ff.). Mit der Ausgestaltung des § 1 Abs. 3 GrEStG hat der Gesetzgeber nur bestimmte zivilrechtliche Gestaltungen der Grunderwerbsteuer unterworfen. Damit hat er gleichzeitig andere zivilrechtliche Gestaltungen, die diesen gesetzlichen Vorgaben nicht entsprechen, für nicht besteuerungswürdig angesehen. Es ist das gute Recht eines Steuerpflichtigen, bei der Umsetzung seiner Vorhaben eine rechtliche Gestaltung zu wählen, die dem Rechnung trägt und zu einer geringeren oder auch zu gar keiner (grunderwerb-)steuerlichen Belastung führt (vgl. BFH v. 31.7.1991, II R 157/88, BFH/NV 1992, 57; BFH v. 9.11.2006, IV R 21/05, BStBl II 2010, 230; AEAO zu § 42 Nr. 2.2). Der Vorwurf einer unangemessenen rechtlichen Gestaltung dürfte ohnehin nur bei der Einschaltung von Gesellschaften als RETT-Blocker erhoben werden, denen keinerlei sinnvolle Funktion zugesprochen werden kann, nicht aber bei RETT-Blocker-Gesellschaften, für deren Einsatz beachtliche wirtschaftliche oder außersteuerliche Gründe sprechen (vgl. BFH v. 25.2.1991, GrS 7/89, BStBl II 1991, 691; BFH v. 20.3.2001, I R 63/99, BFH/NV 2002, 1197; BFH v. 23.3.2002 I R 39/01, BFH/NV 2003, 289).

Nicht unberücksichtigt kann auch bleiben, dass die Vorschrift des § 1 Abs. 3 GrEStG seinerzeit gerade dazu eingeführt wurde, um Steuerumgehungen zu verhindern und Missbräuche im Rahmen der Anteilsübertragung einzuschränken. Es verbietet sich daher, über diese spezialgesetzlichen Steuerumgehungsvorschriften hinaus die Generalklausel des § 42 AO zur Abwehr von Umgehungen bei der Grunderwerbsteuer heranzuziehen (vgl. BFH v. 15.12.1999, I R 29/97, BStBl II 2002, 527; BFH v. 29.5.2011, II B 133/10, BFH/NV 2011, 1539; Fischer, in Boruttau, GrEStG, 17. Aufl. 2011, § 1 Rz. 824 und Rz. 904; Hofmann, GrEStG, 9. Aufl. 2010, § 1 Rz. 25 und Rz. 137; Heine, UVR 2009, 219 und UVR 2013, 152; Illing, DStZ 2013, 504, unter II.; Mayer, BB 2012, 873). Ebenso muss in diesem Zusammenhang beachtet werden, dass nach der Rechtsprechung des BFH und der Finanzgerichte zu § 1 Abs. 3 GrEStG a. F. das Zurückbehalten von Zwerganteilen zur Vermeidung der Verwirklichung des Tatbestands (Vereinigung/Übertragung aller Anteile) nicht als missbräuchliche Gestaltung i. S. v. § 42 AO angesehen wurde (vgl. BFH v. 16.3.1966, II 26/63, BStBl III 1966, 254).

Allerdings ist die Frage, ob der Einsatz von RETT-Blocker-Strukturen aus grunderwerbsteuerrechtlicher Sicht einen Gestaltungsmissbrauch i. S. v. § 42 AO darstellt, höchstrichterlich noch nicht geklärt. Nach der im Verfahren wegen Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung ergangenen Entscheidung des FG München v. 20.12.2010, 4 V 1816/10, n. v., bestehen jedoch im Fall der Zwischenschaltung einer Blocker-KG, in dem der vermögensmäßige Anteil des Fremdgesellschafters an der Blocker-KG 0 % und der Anteil der Blocker-KG an der grundbesitzenden Gesellschaft 5,1 % beträgt, im Rahmen der summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Anwendung der Vorschrift des § 42 AO durch das Finanzamt. Das Hauptsacheverfahren ist unter dem Az. 4 K 1094/10 anhängig.

Die o. a. Grundsätze gelten auch für den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG. Auch dort sind die Hürden für eine Anwendung des § 42 AO entsprechend hoch. Nach FG Baden-Württemberg v. 27.7.2011, 2 K 364/08, EFG 2013, 395, soll kein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO vorliegen, wenn zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei einer Personengesellschaft innerhalb von 5 Jahren lediglich 94,9 % der Anteil...

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