Leitsatz

Die Steuerbefreiung für den Erwerb eines Familienheims durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner entfällt rückwirkend, wenn der Erwerber das Eigentum an dem Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb auf einen Dritten überträgt. Das gilt auch dann, wenn er die Selbstnutzung zu Wohnzwecken aufgrund eines lebenslangen Nießbrauchs fortsetzt.

 

Normenkette

§ 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Alleinerbin ihres im Jahr 2013 verstorbenen Ehemannes (E). Zum Nachlass gehört u.a. ein hälftiger Miteigentumsanteil an einem Einfamilienhaus, das E bis zu seinem Tod zusammen mit der Klägerin bewohnt hatte. Seither wohnt die Klägerin dort allein. Im Jahr 2014 übertrug sie das Einfamilienhaus unentgeltlich unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchs auf ihre Tochter (T) und blieb weiterhin in dem Einfamilienhaus wohnen.

Das FA vertrat die Auffassung, durch die schenkweise Übertragung des Einfamilienhauses auf T sei die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG für den Erwerb des Miteigentumsanteils von E durch die Klägerin aufgrund des Nachversteuerungstatbestands des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG rückwirkend entfallen. Es setzte die Erbschaftsteuer gegen die Klägerin dementsprechend fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Münster, Urteil vom 28.9.2016, 3 K 3757/15 Erb, Haufe-Index 9942945, EFG 2016, 2077).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG ist unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen der Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an einem sog. Familienheim von Todes wegen durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner steuerfrei.

Familienheim ist ein bebautes Grundstück, auf dem der Erblasser bis zum Erbfall eine Wohnung oder ein Haus zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. War der Erblasser aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert, ist dies unschädlich. Beim Erwerber muss die Immobilie unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt sein.

2. Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG, sog. Nachversteuerungstatbestand).

3. Ob der Nachversteuerungstatbestand auch in Fällen greift, in denen der Erwerber das Familienheim zwar weiterhin bewohnt, das Eigentum daran aber innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb auf einen Dritten überträgt, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt und in der Literatur umstritten. Der BFH bejahte diese Frage in Übereinstimmung mit der Ansicht der Finanzverwaltung. Satz 5 des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG setze ein (Fort‐)Bestehen des durch den Erwerb geschaffenen Rechtszustandes und damit von Eigentum oder Miteigentum des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners am Familienheim für den Erhalt der Steuerbefreiung voraus. Ein bloßer Nießbrauch genüge nicht.

4. Die Frage ist somit für die Praxis entschieden. Die Steuerbefreiung hängt im Regelfall davon ab, dass der Erwerber das Familienheim in den zehn Jahren nach dem Erwerb zu eigenen Wohnzwecken selbst nutzt und Eigentümer bleibt.

Ausnahme bei Zwangsauszug

Eine Ausnahme vom Selbstnutzungsgebot bei fortbestehender Eigentümerstellung gilt, wenn der Erwerber die Selbstnutzung aus zwingenden Gründen beenden muss. In diesem Fall dürfte es auch unschädlich sein, wenn der Erwerber das Eigentum an dem Familienheim, das er endgültig nicht mehr selbst bewohnen kann, innerhalb der Frist von zehn Jahren auf einen Dritten überträgt. Der BFH hatte dies aber nicht zu entscheiden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 11.7.2019 – II R 38/16

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