Leitsatz

1. Die gesetzlich gebotene Schriftform für behördliche und gerichtliche Entscheidungen wird auch durch Übersendung per Telefax gewahrt (ständige Rechtsprechung, BFH, Urteile vom 4.7.2002, V R 31/01, BFHE 198, 337, BStBl II 2003, 45; vom 18.8.2009, X R 25/06, BFHE 226, 77, BStBl II 2009, 965).

2. Die Festsetzungsfrist ist nach Maßgabe des § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO schon gewahrt, wenn der Steuerbescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde mit ihrem Wissen und Wollen verlassen hat und dem Adressaten tatsächlich (wenn auch erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist) zugegangen ist. Auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe auch hinsichtlich der Bekanntgabefiktionen im Anwendungsbereich des § 122 AO kommt es danach nicht an.

 

Normenkette

§ 119, § 87a Abs. 4, § 122, § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO

 

Sachverhalt

Das FA übersandte am 30.12.2008 einen Einkommensteuerbescheid per Telefax an das Büro der Empfangsbevollmächtigten der Klägerin; dort wurde der Bescheid am selben Tag ausgedruckt. Am 31.12.2008 lief die Festsetzungsfrist ab. Die Klägerin berief sich darauf, dass der gefaxte Bescheid die Festsetzungsfrist nicht gewahrt habe. Das FG wies die Klage ­ab (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.2.2013, 4 K 498/10, Haufe-Index 4748055, EFG 2013, 1545).

 

Entscheidung

Die Revision der Klägerin blieb ebenfalls erfolglos. Der BFH führte aus, der per Telefax übersandte Einkommensteuerbescheid sei wirksam bekanntgegeben worden und habe die Festsetzungsfrist gewahrt. Es handele sich nicht um einen elektronischen Verwaltungsakt, für den eine elektronische Signatur erforderlich gewesen wäre. Da die Bekanntgabe durch Übersendung des Telefaxes geschehen sei, komme es auch nicht auf die Bekanntgabefiktion in § 122 AO an.

 

Hinweis

Die modernen technischen Kommunikationsformen führen zu schnellerer und komfortablerer Übermittlung von Informationen, werfen aber auch immer wieder Rechtsfragen auf, weil der Gesetzgeber, wie auch die Rechtsprechung bisweilen Mühe haben, mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten. Interessant wird es vor allem dann, wenn im Verkehr zwischen dem Finanzamt und den Steuerpflichtigen (und ihren Beratern) neben der klassischen Übersendung von Schriftstücken im Original per Post alternativ mehrere technische Übermittlungswege zur Verfügung stehen.

1. Unter den technischen Übermittlungsmöglichkeiten ist als Erstes das heute fast schon klassische Telefax zu nennen. Ein Telefax (das beim Empfänger ausgedruckt worden ist) wahrt nach ständiger Rechtsprechung die gesetzliche Schriftform, und zwar in allen Gerichtszweigen.

a) Deshalb kann auch ein schriftlich zu erteilender Steuerbescheid per Telefax wirksam erlassen werden.
b) Ein gefaxter Steuerbescheid wahrt auch die Festsetzungsfrist gem. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO, wenn das Fax vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde – mit ihrem Wissen und Wollen – verlassen hat und dem Adressaten tatsächlich zugegangen ist (auch wenn der Faxausdruck beim Empfänger erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist vorgenommen wurde). Es ist also zur Wahrung der Festsetzungsfrist nicht erforderlich, dass der Steuerbescheid in Papierform die Finanzbehörde verlässt.

2.Ein per Telefax übersandter Bescheid hat zwar auch mit "Elektrik" zu tun, weil er durch die Telefonleitung geschickt wird. Gleichwohl ist er kein elektronischer Verwaltungsakt i.S.d. AO, für den nach § 87a Abs. 4 AO eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich ist (§ 119 Abs. 3 Satz 3 AO). Die beiden technischen Kommunikationswege stehen unabhängig nebeneinander, weil ein Computerfax oder Funkfax kein elektronisches ­Dokument darstellt. Per Telefax übermittelte Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidungen erfordern keinen besonderen Nachweis der Urheberschaft (Authentizität) und keinen besonderen Schutz vor nachträglicher Veränderung (Integrität). Insoweit unterscheiden sie sich maßgeblich von elektronischen Dokumenten, die leicht elektronisch änderbar sind und zu deren Absicherung die Regelungen zur qualifizierten elektronischen Signatur erforderlich sind.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.1.2014 – VIII R 28/13

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