Leitsatz

1. Die unentgeltliche Lieferung öffentlicher Straßen und Flächen durch einen Erschließungsträger in der Rechtsform einer GmbH an ihren Gesellschafter (Gemeinde) unterlag nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1993 der USt.

2. Die zur Erschließung dieser Grundstücke bezogenen Leistungen sind zur Ausführung dieser Umsätze verwandt worden.

3. Die GrESt, die der Käufer eines Grundstücks vereinbarungsgemäß zahlt, erhöht das Entgelt für die Grundstückslieferung nicht (Änderung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Nr. 9 Buchst. a, § 10 Abs. 1, § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG, Art. 5 Abs. 6, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a, Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Gemeinde ließ durch "ihre" GmbH ein Gewerbegebiet erschließen. Rechtliche Grundlage hierfür war ein Geschäftsbesorgungsvertrag. Die GmbH (Klägerin) handelte dabei im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Kostenträger der Erschließungsmaßnahmen war die Klägerin, die aber von der Gemeinde – nicht in vollem Umfang deckende – zweckgebundene Fördermittel erhielt. Die GmbH veräußerte nach der Erschließung an Investoren, im Streitjahr 1996 u.a. an eine öffentliche Einrichtung. Erschlossene öffentliche Flächen übertrug die GmbH ohne vereinbartes Entgelt an die Gemeinde.

Das FA ließ nur den auf die – seiner Auffassung nach entgeltliche – Übertragung an die Gemeinde entfallenden Anteil der Vorsteuer zum Abzug zu. Das FG meinte, die Erschließungsmaßnahmen beträfen – wirtschaftlich – nur die gewerblichen Gründstücke.

 

Entscheidung

Der BFH konnte nicht abschließend entscheiden; es fehlten Feststellungen zur Frage "Lieferung von Betriebsvorrichtungen" (Folge: Vorsteuerabzug, aber auch Besteuerung der Lieferung).

 

Hinweis

Umsatzsteuerfragen bei Erschließungsmaßnahmen, insbesondere der optimale Vorsteuerabzug bei minimaler Besteuerung, sind noch nicht alle entschieden.

1. Beachten Sie: Bei Erschließungsmaßnahmen ist zu berücksichtigen, dass für Betriebsvorrichtungen die Steuerfreiheit für Grundstückslieferungen nicht gilt.

2. Setzte eine Gemeinde eine "ihr gehörende" GmbH als Erschließungsträger ein, war zu beachten: § 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1993 noch ausdrücklich (nunmehr allgemein: § 3 Abs. 1b bzw. § 3 Abs. 9a UStG) bestimmte, dass u.a. Lieferungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 KStG an ihre Anteilseigner, Gesellschafter oder diesen nahe stehende Personen ausführen, für die die Leistungsempfänger kein Entgelt aufwenden, der USt unterlagen.

Das Gemeinschaftsrecht war – im Streitfall – nicht günstiger: Zwar sind danach Entnahmen für unternehmensfremde Zwecke nur steuerpflichtig, wenn der Gegenstand vorsteuerbelastet war (vgl. Art. 5 Abs. 6 der 6. EG-RL). Bemessungsgrundlage ist dann aber – mangels Einkaufspreises – der Selbstkostenpreis im Zeitpunkt der Bewirkung des Umsatzes (Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL). Dem Vorsteuerabzug für die Erschließungsleistungen des Grundstücks steht dann min?des?tens eine ebenso hohe Steuer des Erschließungsträgers für die unentgeltliche Übertragung der erschlossenen öffentlichen Flächen an die Gemeinde entgegen.

3. Zu beachten ist vor allem die Änderung der Rechtsprechung zur Einbeziehung der vom Käufer gezahlten GrESt. Die Kosten der Beurkundung, Auflassung und Eintragung und der entsprechenden Erklärungen gehören nicht zum Kaufpreis. Der Käufer ist selbst Gesamtschuldner der GrESt. Er zahlt deshalb seine eigene Schuld; dass mit deren Zahlung auch die (Gesamt-)Schuld des Verkäufers erfüllt wird, ist insoweit unerheblich.

4. Die Zuordnung von mit Vorsteuer belasteten ?Leistungsbezügen zu Verwendungsumsätzen "nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung von Eingangsumsätzen" ist mit der 6. EG-RL und der Rechtsprechung des EuGH nicht vereinbar. Nach der EuGH-Rechtsprechung ist Art. 17 der 6. EG-RL (entspricht § 15 UStG) so auszulegen, "dass grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Umsätzen der nachfolgenden Stufe, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, bestehen muss, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann" ( Vorrang der gegenständlichen Zurechnung von Eingangsumsätzen zu den Ausgangsumsätzen). Das Recht auf Vorsteuerabzug ergibt sich grundsätzlich daraus, dass die Aufwendungen für den Bezug der Eingangsumsätze Teil der Kosten der Ausgangsumsätze sind; der vom Steuerpflichtigen verfolgte endgültige Zweck ist dabei unerheblich.

Dabei ist es "Sache des nationalen Gerichts, das Kriterium des direkten und unmittelbaren Zusammenhangs auf den Sachverhalt des bei ihm anhängigen Rechtsstreits anzuwenden".

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.12.2005, V R 14/04

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