1 Systematische Einordnung

Die Vollstreckung fälliger Steuerforderungen ist grundsätzlich nur im Inland zulässig. Deutsche Vollstreckungsmaßnahmen im Ausland würden gegen die Souveränität des ausl. Staats verstoßen. Infolgedessen bereitet die Einziehung von Forderungen bei grenzüberschreitenden Wirtschaftsbeziehungen, insbesondere bei beschränkter Stpfl., besondere Schwierigkeiten. Die Staaten vereinbaren daher eine gegenseitige Hilfeleistung bei der Vollstreckung. Allerdings hat sich die Vollstreckungshilfe als nicht sehr effektiv erwiesen. Nach Ermittlungen der EU-Kommission[1] wurden in der Vergangenheit nur etwa 5 % der Beträge tatsächlich beigetrieben, um deren Beitreibung ersucht wurde. Insbesondere die EU versucht daher, die grenzüberschreitende Beitreibung effektiver zu gestalten.

[1] BT-Drs. 17/6263.

2 Inhalt

Die EU hat die Amtshilfe bei der Beitreibung von Steuerforderungen in einer Richtlinie[1] geregelt, die Deutschland im EU-Beitreibungsgesetz[2] umgesetzt hat. Danach leistet Deutschland anderen EU-Staaten Amtshilfe bei der Durchsetzung von Steuern sowie bei Erstattungen, Abschöpfungen, Geldstrafen, Geldbußen, Gebühren, Zinsen und Kosten. Die Vollstreckung wird nach einer Prüfung des Ersuchens durch das BZSt bzw. die Bundesstelle Vollstreckung Zoll beim Hauptzollamt Hannover von den zuständigen FÄ bzw. Hauptzollämtern durchgeführt. Die Vollstreckung erfolgt nach den §§ 249ff. AO. Die Amtshilfe umfasst die Erteilung von Auskünften, die für die Beitreibung erheblich sein können, die Zustellung der mit der Vollstreckung zusammenhängenden Dokumente sowie Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahmen. Ein Beitreibungsersuchen ist erst zulässig, wenn ein inl. Beitreibungsversuch erfolglos gewesen ist, aussichtslos erscheint oder unverhältnismäßige Schwierigkeiten aufwerfen würde. Im Regelfall darf die Steuerforderung nicht mehr anfechtbar sein. Für Forderungen des deutschen Fiskus wirken Vollstreckungsmaßnahmen des ausl. Staats als Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung entsprechend den §§ 228ff. AO.

Keine Amtshilfe zur Beitreibung wird geleistet, wenn die Forderung zum Zeitpunkt des erstmaligen Ersuchens älter als 5 Jahre war oder wenn die Forderung insgesamt älter als 10 Jahre ist, jeweils gerechnet ab Fälligkeit der Forderung, wobei für bestrittene Forderungen ein späterer Fristbeginn gilt. Nach der Amtshilferichtlinie steht in diesem Fall die Leistung der Amtshilfe im Ermessen des ersuchten Staates, nach § 14 Abs. 2 EUAHiG lehnt Deutschland in diesen Fällen die Amtshilfe grundsätzlich ab. Im Übrigen wird die Vollstreckungshilfe nur abgelehnt, wenn die zu vollstreckende Forderung weniger als 1.500 EUR beträgt oder wenn die Vollstreckung unbillig wäre.

Außerdem enthalten einige DBA Bestimmungen über die Amtshilfe bei der Steuererhebung entsprechend Art. 27 OECD-MA. Von den Nicht-EU-Staaten betrifft dies Algerien, Kanada, Norwegen und die USA. Daneben bestehen besondere Amtshilfeabkommen, die auch die Vollstreckung von Steuerforderungen umfassen, mit Finnland, Italien, den Niederlanden und Österreich.

Das BMF hat ein Merkblatt zur Amtshilfe bei der Beitreibung herausgegeben.[3]

[1] Richtlinie 2010/24/EU des Rates v. 16.3.2010, ABl. EU L 84, 1.
[2] Gesetz v. 7.12.2011, BStBl I 2011, 1171.

3 Praxisfragen

Gegen Vollstreckungsmaßnahmen, die deutsche Behörden aufgrund eines Ersuchens eines ausl. Staats vornehmen, kann sich der Stpfl. mit den allgemeinen Rechtsbehelfen wehren. Da Vollstreckungsmaßnahmen grundsätzlich Verwaltungsakte sind, ist der Einspruch gegeben. Vorläufiger Rechtsschutz wird dann durch Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO, § 69 FGO gewährt. Daneben kommen die besonderen vollstreckungsrechtlichen Maßnahmen, nämlich der Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO und die Drittwiderspruchsklage nach § 262 AO, in Betracht. Allerdings kann das Gericht des ersuchten Staates nicht über die Rechtmäßigkeit, Wirksamkeit der Zustellung des Steuerbescheids, Bestandskraft, Fälligkeit und Verjährung der Steuerschuld entscheiden. Diese Einwendungen sind bei der ersuchenden Behörde geltend zu machen.[1]

Stellt die deutsche Finanzbehörde ein Vollstreckungsersuchen, kann der Stpfl. eine Leistungsklage nach § 40 Abs. 1 Alt. 3 FGO mit dem Ziel erheben, die Finanzbehörde zur Rücknahme des Ersuchens zu verpflichten.[2] Möglich ist auch eine vorbeugende Unterlassungsklage. In beiden Fällen ist kein Vorverfahren (Einspruch) durchzuführen.

Nähere Bestimmungen, wann die Vollstreckung unbillig ist, enthält das EUBeitrG nicht. "Unbillig" dürfte die Vollstreckung aber sein, wenn gegen den ordre public verstoßen worden ist. Ein solcher Verstoß liegt etwa vor, wenn wesentlich gegen die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens, etwa gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, verstoßen wurde. Entsprechendes gilt, wenn die Rechtsschutzmöglichkeiten des Stpfl. eingeschränkt wurden, etwa dadurch, dass der Verwaltungsakt bzw. die Zahlungsaufforderung in einer dem Stpfl. fremden Sprache verfasst wurde und die Anfecht...

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