Leitsatz

1. Für das Vorliegen einer Geschäftsbeziehung i.S. des § 1 Abs. 4 AStG kommt es seit der Neufassung durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz nicht mehr darauf an, ob die Darlehensnehmerin ihre unternehmerische Funktion mangels Eigenkapitalausstattung nicht erfüllen könnte.

2. Wird die Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG auf einen Zinsverzicht gegenüber einer ausländischen Darlehensnehmerin gestützt, muss dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt werden, den Nachweis für etwaige wirtschaftliche Gründe für den Abschluss des (nicht fremdüblichen) Geschäfts zu erbringen (EuGH-Urteil Hornbach-Baumarkt vom 31.05.2018, C‐382/16, EU:C:2018:366, HFR 2018, 580). Diese Prüfung ist den nationalen Gerichten vorbehalten und vorrangig Aufgabe der Finanzgerichte.

3. Die Bestimmungen des Unionsrechts sind vom Zeitpunkt des Beitritts eines Mitgliedstaats an verbindlich, so dass sie für zukünftige Auswirkungen vor dem Beitritt entstandener Sachverhalte gelten; demgegenüber entfalten diese keine "Vorwirkung" für vor dem Beitritt bereits abgeschlossene Sachverhalte.

4. Aus der Formulierung "unbeschadet anderer Vorschriften" in § 1 Abs. 1 AStG ergibt sich kein Vorrang des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG. Beide Vorschriften überlagern einander vielmehr in dem Sinne, dass sich eine Gewinnkorrektur nach der einen Vorschrift erübrigt, wenn sie bereits nach der anderen vollzogen wurde. Soweit die Rechtsfolgen der beiden Vorschriften nicht voneinander abweichen, kann der Rechtsanwender wählen, welche von ihnen er vorrangig prüft.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 und Abs. 4 AStG i.d.F. des StVergAbG, § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG, Art. 43 EG, Art. 49 AEUV

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine inländische GmbH, war in den Streitjahren 2003 und 2004 Alleingesellschafterin und zugleich Organträgerin der A GmbH mit Sitz im Inland; daneben war sie Alleingesellschafterin der C s.r.o., einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in der Tschechischen Republik.

Zur Finanzierung eines Grundstückskaufs und zur Erschließung eines Grundstücks gewährten sowohl die Klägerin als auch die A GmbH der C s.r.o. Darlehen mit einer Laufzeit von zehn Jahren und einer Verzinsung von 6,3 % p.a. Sämtliche Darlehen wurden durch Erklärung vom 18.9.2003 rückwirkend ab dem 1. 1.2003 sowie für die Zukunft zinsfrei gestellt. Das FA X rechnete in den Streitjahren Zinseinnahmen in Höhe von jeweils 6,3 % außerbilanziell wieder hinzu.

Die Klage hatte keinen Erfolg (Sächsisches FG vom 26.1.2016, 3 K 653/11, Haufe-Index 9471815, EFG 2016, 1328).

 

Entscheidung

Auf die Revision der Klägerin hat der BFH das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und die Streitsache zurückverwiesen, damit das FG notwendige Feststellungen zu verschiedenen rechtserheblichen Punkten (u.a. "Hornbach-Prüfung", Werthaltigkeit von Zinsforderungen) treffen kann.

 

Hinweis

1. Die Entscheidung reiht sich in eine ganze Folge von Urteilen des I. Senats des BFH zur sogenannten Sperrwirkung des Art. 9 OECD-MA ein. Aus diesem Grund muss an dieser Stelle zunächst auf das Grundsatzurteil vom 27.2.2019, I R 73/16 (BFH/PR 2019, 202) sowie auf diverse Parallel- und Folgeurteile verwiesen werden, die in dieser Zeitschrift bereits vorgestellt wurden (z.B. BFH, Urteil vom 27.2.2019, I R 81/17, BFH/PR 2019, 337; Urteil vom 9.6.2019, I R 32/17, BFH/PR 2020, 118).

2. Der relativ einfache Lebenssachverhalt (s.u.) führt in steuerrechtlicher Hinsicht zu einer Vielzahl komplexer Fragestellungen, die die Anwendung des nationalen wie des Unionsrechts betreffen und die in der Besprechungsentscheidung auf der Grundlage der nunmehr ständigen Rechtsprechung zur sog. Sperrwirkung und der Anwendung des § 1 Abs. 1 AStG auf Darlehensgewährungen im Konzern nacheinander abgehandelt werden. Die wesentlichen Aussagen können hier wie folgt dargestellt werden:

3. Unionsrechtlich behandelt das Urteil zunächst die Frage, wie eine Einkünftekorrektur gemäß § 1 Abs. 1 AStG zu würdigen ist, wenn die Vorgänge rund um den Beitritt eines Staates zur EU spielen. Im Streitfall ging es um eine tschechische Gesellschaft als Darlehensnehmerin und um Zinsforderungen der Konzernobergesellschaft und einer inländischen Schwesterkapitalgesellschaft aus den jeweiligen Darlehensverträgen. Auf die Zinsansprüche wurde rückwirkend und dann auch für die Zukunft verzichtet (Zinslosstellung der Darlehen). "Mitten" in diesem "Verzichtszeitraum" trat die Tschechische Republik der EU bei.

a) Der BFH stellt klar, dass die Wirkungen des Zinsverzichts für die Zeit nach dem EU-Beitritt nach Maßgabe des EuGH-UrteilsHornbachzu beurteilen sind (EuGH, Urteil vom 31.5.2018, C-382/16, Hornbach, Haufe-Index 11754147). Danach können der auf § 1 Abs. 1 AStG gestützten Einkünftekorrektur (steuerliche Neutralisierung der Wirkungen der Zinslosstellung) "wirtschaftliche Gründe" i.S.d. EuGH-Entscheidung entgegengehalten werden. Geboten ist eine Abwägung, die grundsätzlich dem FG als Tatgericht obliegt.

b) Soweit die Zinslosstellung auch Zeiträume vor dem EU-Beitritt betrifft, beruft sich der BFH auf einsc...

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