1 Systematische Einordnung

Von einer Verstrickung wird gesprochen, wenn das Besteuerungsrecht Deutschlands an dem Gewinn aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts begründet wird. Dies ist u. a. gegeben, wenn das Wirtschaftsgut einem inl. Betriebsvermögen – einer Betriebsstätte oder einer Gesellschaft – zugeordnet wird. Hierbei handelt es sich um das Gegenstück zu einer Steuerentstrickung.

2 Inhalt

§ 4 Abs. 1 S. 8 Halbs. 2 EStG[1] enthält hierzu eine Regelung, die auch für Körperschaften (infolge von § 8 Abs. 1 KStG) Bedeutung hat. Wird ein Wirtschaftsgut in eine inl. Betriebsstätte überführt oder erfolgt ein Wechsel von einer Freistellungs- in eine Anrechnungsbetriebsstätte, so wird dieser Vorgang als fiktive Einlage angesehen. Nach den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen wäre diese nach den in § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG genannten Grundsätzen zu bewerten. Danach hätte grundsätzlich ein Ansatz mit dem Teilwert zu erfolgen. Hiervon abweichend enthält § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG jedoch eine Sonderregelung. Diese sieht eine Bewertung mit dem gemeinen Wert vor. Hierdurch wird ein steuerfreier Step-up bewirkt, der zu einer verursachungsgerechten Aufteilung der Besteuerungsrechte beiträgt.

Voraussetzung für die Anwendung der Norm ist, dass Deutschland das Besteuerungsrecht an den laufenden Einkünften und möglichen Veräußerungsgewinnen vor der fraglichen Maßnahme nicht hatte, sondern erst durch diese erwirbt. Anders als in den Fällen des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG genügt es nicht, wenn das deutsche Besteuerungsrecht lediglich ausgedehnt wird. Dies wäre etwa der Fall, wenn eine ausl. Steuer zukünftig im Inland in geringerem Umfang angerechnet werden müsste. Die Anwendung scheidet auch aus, wenn ein Wirtschaftsgut aus einer Betriebsstätte, für die bisher die Anrechnungsmethode galt, in das inl. Betriebsvermögen überführt wird. Es fehlt dann an der Begründung des deutschen Besteuerungsrechts. In diesem Fall ist das überführte Wirtschaftsgut mit dem Buchwert fortzuführen, nicht mit dem (fiktiven) Wert der Einlage. Dies gilt auch, wenn ein deutsches Besteuerungsrecht an Nutzungen eines Wirtschaftsguts begründet wird. Der Gesetzeswortlaut stellt ausdrücklich nur auf die Begründung des Besteuerungsrechts hinsichtlich der Veräußerung des Wirtschaftsguts ab, nicht wie bei der Entstrickung auch hinsichtlich der Nutzung. Insoweit zeigt sich, dass der Verstrickungstatbestand in einigen Punkten von dem Entstrickungstatbestand abweicht. Dies betrifft folgende Fälle:

  • Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer ausl. Betriebsstätte mit Freistellungsmethode in das inl. Stammhaus,
  • Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem ausl. Stammhaus oder einer ausl. Betriebsstätte in eine inl. Betriebsstätte,
  • bei einem inl. Stammhaus Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer ausl. Betriebsstätte mit Freistellungsmethode in eine ausl. Betriebsstätte mit Anrechnungsmethode,
  • Kündigung eines DBA mit Freistellungsmethode oder Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode durch Änderung des DBA oder Wegfall der Erfüllung von Aktivitätsklauseln,
  • Begründung der unbeschränkten Stpfl. oder der abkommensrechtlichen Ansässigkeit im Inland bei Vorliegen ausl. Anrechnungsbetriebsstätten.
[1] Eingefügt durch Gesetz v. 7.12.2006, BStBl I 2007, 4.

3 Praxisfragen

Die Regelung ist unabhängig davon anzuwenden, welche steuerlichen Konsequenzen sich im Ausland ergeben. Folglich kann dieser Tatbestand auch dann einschlägig sein, wenn im Ausland keine steuerlichen Konsequenzen aus diesem Vorgang gezogen werden. Dies gilt insbesondere, wenn der ausl. Staat keine Entstrickungsbesteuerung vorsieht. Dies ist sachgerecht, weil bei einer Veräußerung nach § 12 Abs. 1 KStG eine isolierte deutsche Betrachtungsweise angewendet wird.

Es handelt sich um eine steuerliche Sonderregelung. Hieraus folgt, dass aus handelsrechtlicher Sicht kein Realisationstatbestand gegeben ist. Dies gilt insbesondere bei einer Überführung aus einer ausl. in eine inl. Betriebsstätte. Dieser Vorgang darf handelsrechtlich nicht zur Aufdeckung der stillen Reserven führen, weil eine Gewinnrealisation am Markt noch nicht erfolgt ist. Andernfalls würde gegen das Realisationsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 HGB verstoßen. Folglich muss in der Handelsbilanz weiterhin vom bisherigen Buchwert abgeschrieben werden. Ggf. ist zu prüfen, ob eine außerplanmäßige Abschreibung vorzunehmen ist, wenn der Zeitwert niedriger als der bisherige Buchwert ist. Insoweit wird das Maßgeblichkeitsprinzip des § 5 Abs. 1 EStG durchbrochen. Hieraus ergeben sich in den Folgejahren unterschiedlich hohe Abschreibungen in Handels- und Steuerbilanz. Dies führt zu erheblichen Konsequenzen, insbesondere im Bereich der latenten Steuern.

4 Beratungshinweise

Bei Umwandlungen kann es zu Problemen (etwa bei einer grenzüberschreitenden Hineinverschmelzung oder Einbringung) kommen, da das UmwStG keinen gesonderten Verstrickungstatbestand kennt. Grundsätzlich kann das Buchwertprivileg nur einheitlich in Anspruch genommen werden. Daher muss bereits vor der Umwandlung dafür gesorgt werden, dass im Ausland entstandene Reserve...

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