Leitsatz

Das Finanzgericht München ging der Frage nach, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen ein verbleibender Verlustvortrag festgestellt werden kann. Einen genauen Blick warf das Gericht auf die Vorschrift zur inhaltlichen Bindung der Verlustfeststellung an den Einkommensteuerbescheid.

 

Sachverhalt

Im Jahre 2009 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer eines Unternehmers für 2006 auf 63.000 Euro fest (Gesamtbetrag der Einkünfte: 215.000 Euro). Infolge einer Betriebsprüfung änderte das Amt den bestandskräftigen Bescheid knapp zwei Jahre später und erhöhte die festgesetzte Steuer auf 80.000 Euro. In einem dagegen gerichteten Einspruch machte der Unternehmer daraufhin erstmals für 2006 einen Auflösungsverlust nach § 17 EStG in Höhe von 570.000 Euro geltend und beantragte die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2006. Das Finanzamt führte den neu erklärten Verlust daraufhin zwar in einem geänderten Einkommensteuerbescheid unter dem Punkt "Besteuerungsgrundlagen" auf, sodass sich nach dem Verlustausgleich ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte und unter dem Punkt "Berechnung der Steuer" eine Steuer von 0 Euro ergab. Aufgrund der Anfechtungs-/Änderungsbeschränkung der §§ 351 bzw. 177 AO setzte das Amt die Steuer jedoch lediglich auf 63.000 Euro herab (festgesetzte Steuer vor Betriebsprüfung). Eine Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2006 lehnte das Amt ab.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht urteilte, dass das Finanzamt die Verlustfeststellung zu Recht abgelehnt hatte. Nach § 10d Abs. 4 S. 4 EStG i. d. F. des Jahressteuergesetzes 2010 müssen die Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags so berücksichtigt werden, wie sie in den entsprechenden Steuerfestsetzungen zu Grunde gelegt worden sind (inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid). Ist der Einkommensteuerbescheid des betreffenden Veranlagungszeitraums nicht mehr änderbar, entfällt auch die Verlustfeststellung.

Die in 2006 verbliebenen negativen Einkünfte durften nicht in eine Verlustfeststellung eingehen, da sie der Besteuerung nicht i. S. d. § 10d Abs. 4 S. 4 EStG"zu Grunde gelegt" worden sind. Denn das Finanzamt hatte die Einkommensteuer nicht auf 0 Euro festgesetzt, sondern wegen der eingetretenen Teilbestandskraft lediglich auf 63.000 Euro.

 

Hinweis

Besteuerungsgrundlagen werden also nur insoweit der Steuerfestsetzung "zu Grunde gelegt" i. S. d. § 10d Abs. 4 S. 4 EStG und sind damit "feststellungsfähig", wie sie sich auf die Höhe der festgesetzten Einkommensteuer ausgewirkt haben. Das Finanzgericht ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.

 

Link zur Entscheidung

FG München, Urteil vom 01.06.2015, 10 K 650/14

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