Leitsatz

Die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids über die künftige Steuerpflicht von Zinserträgen erstreckt sich nicht auf die Berücksichtigung von Versicherungsbeiträgen als Sonderausgaben. Der Hinweis im Feststellungsbescheid, dass die gesonderte Feststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist getroffen wurde, weil sie für solche Folgesteuern von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt des Ergehens des Bescheids noch nicht abgelaufen war, muss inhaltlich hinreichend bestimmt und unmissverständlich sein (§ 181 Abs. 5 S. 2 AO, § 119 Abs. 1 AO). Der Beginn der Festsetzungsfrist wird durch eine Anzeige eines Dritten gehemmt, wenn diese durch den Steuerpflichtigen berichtigt, bestätigt oder ergänzt hätte werden können (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO).

 

Sachverhalt

Der Kläger schloss mit seiner Bank einen Darlehensvertrag ab und trat ihr zur Sicherung die Rechte und Ansprüche aus einer Lebensversicherung ab. Die Bank als Sicherungsnehmerin zeigte auf einem amtlichen Vordruck dem Wohnsitzfinanzamt des Klägers an, dass Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung zur Tilgung und Sicherung eines Darlehens zum Neubau eines Asylantenwohnheims dienen (§ 29 Abs. 1 EStDV). Der Kläger bestätigte auf der Rückseite des Vordrucks die Angaben der Sicherungsnehmerin und fügte verschiedene Unterlagen bei. Nach einem Vermerk des Finanzamts löste die Abtretung keinen steuerschädlichen Tatbestand aus. Im Rahmen einer späteren turnusmäßigen Überprüfung forderte das Finanzamt den Kläger auf, einen aktuellen Verwendungs- und Finanzierungsnachweis vorzulegen. Der Kläger kam dieser Aufforderung nicht nach. Das Finanzamt erließ einen Bescheid betreffend die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Ein ausdrücklicher Hinweis, dass die gesonderte Feststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist erfolgte, war weder im Feststellungsbescheid noch in der Entspruchsentscheidung aufgenommen worden.

 

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Der Bescheid betreffend die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen war rechtswidrig und wurde vom Hessischen FG aufgehoben. Die Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheids ergebe sich nach Ansicht des Gerichts aus dem Fehlen des erforderlichen Hinweises, dass die gesonderte Feststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist erfolgte (§ 181 Abs. 5 S. 2 AO). Nach der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sei die Steuerpflicht der Zinsen aus den in den Versicherungsbeiträgen enthaltenen Sparanteilen gesondert festzusetzen (§ 9 VO zu § 180 Abs. 2 AO). Die Bindungswirkung dieses Feststellungsbescheids erstrecke sich nur auf die künftige Steuerpflicht der Zinserträge, nicht auch auf die Berücksichtigung der Versicherungsbeiträge als Sonderausgaben. Der Hinweis, dass die gesonderte Feststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist getroffen wurde, habe nicht nur Begründungsfunktion, sondern Regelungscharakter. Die in dem Hinweis liegende Regelung müsse den Bestimmtheitsanforderungen an einen Verwaltungsakt genügen und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass die Feststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist. Der Hinweis solle dem Steuerpflichtigen die Prüfung der Feststellungsverjährung ermöglichen, um die begrenzte Wirkung des Feststellungsbescheids zu erkennen. Diese Anforderungen waren im Streitfall nicht erfüllt, so dass der Feststellungsbescheid rechtswidrig und aufzuheben. Das Hessische FG prüfte den Eintritt der Feststellungsverjährung akribisch. Es führte hierzu aus, dass die Feststellungsfrist, wenn eine Anzeige zu erstatten sei, mit Ablauf des Kalenderjahres beginne, in dem die Anzeige eingereicht werde (§ 181 Abs. 1 S. 2 AO, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO). Diese Anlaufhemmung gelte nicht, wenn ein vom Steuerpflichtigen unabhängiger Dritter die Anzeige einreiche (vgl. BFH, Urteil v. 16.2.1994, II R 125/90, BStBl 1994 II S. 866). Im Streitfall hatte der Kläger die Möglichkeit, von der Anzeige Kenntnis zu nehmen, sie zu berichtigen, zu bestätigen oder zu ergänzen. Dies reiche aus, um den Beginn der Feststellungsverjährung zu hemmen.

 

Hinweis

Die Klage hatte ausschließlich Erfolg, weil das Finanzamt es versäumte, einen Hinweis in den Bescheid aufzunehmen, dass die gesonderte Feststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist getroffen wurde. Im Einspruchsverfahren hätte dieser Hinweis noch erteilt werden können. Die Klage wäre in diesem Fall unbegründet gewesen. Ein Versäumnis, auf dessen Wiederholung sich der Berater in gleichgelagerten Fällen nicht verlassen darf. Ein aktueller Verwendungs- und Finanzierungsnachweis des Klägers hätte im übrigen diesen Rechtsstreit überflüssig werden lassen.

 

Link zur Entscheidung

Hessisches FG, Urteil vom 15.05.2001, 8 K 5382/99

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