Leitsatz

Die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer auf die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet, diskriminiert die Ehe und verstößt gegen Art. 6 Abs. 1 GG.

 

Normenkette

Art. 6 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2a GG

 

Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 1232/00 ist in Hannover als Beamter in einem Ministerium beschäftigt. Er hat in Hannover eine als Nebenwohnung angemeldete Wohnung gemietet, von der aus er werktags seiner Arbeit nachgeht. Außerdem bewohnt er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seiner Tochter eine als Hauptwohnung angemeldete Wohnung in E., wo seine Ehefrau als Beamtin in der Kommunalverwaltung berufstätig ist und seine Tochter die Schule besucht.

Die Landeshauptstadt Hannover erhebt seit 1994 eine Zweitwohnungsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet.

Die Zweitwohnungsteuer bemisst sich nach der im Besteuerungszeitraum (das Kalenderjahr oder der Teil des Kalenderjahrs, in dem die Steuerpflicht besteht) geschuldeten Nettokaltmiete. Der Steuersatz beträgt 8 % der Bemessungsgrundlage.

2. In der Sache 1 BvR 2627/03 lagen die Dinge ähnlich: Der in Dortmund berufstätige Beschwerdeführer ist mit Nebenwohnsitz in Dortmund und mit Hauptwohnsitz in M., wo seine Ehefrau berufstätig ist, gemeldet. Die Stadt Dortmund setzte die Zweitwohnungsteuer entsprechend fest.

 

Entscheidung

Aus den erwähnten Gründen gab das BVerfG den Beschwerdeführern in der Sache Recht. Darin liegt zugleich eine "institutionelle Backpfeife" des BVerfG gegenüber dem BVerwG. Denn dieses hatte in der Sache des Hannoveraner Ehepaars kurzerhand anders entschieden.

Dessen Urteil vom 12.4.2000, 11 C 12/99 (BVerwGE 111, 122) wurde deswegen aufgehoben.

 

Hinweis

Sollten sich unter Ihren Mandanten Eheleute befinden, die berufsbedingt einen weiteren Wohnsitz begründet und die Ehewohnung beibehalten haben, dann kann es bei dem Steuererfindungsreichtum der öffentlichen Hände passieren, dass Arbeitsort und damit Ort des doppelten Haushalts eine Kommune ist, die eine sog. Zweitwohnungsteuer erhebt. Bislang wird nach den einschlägigen Zweitwohnungsteuersatzungen kaum jemals ein Unterschied gemacht, ob die Zweitwohnung aus privaten oder aber – als sog. Erwerbszweitwohnung – aus beruflichen Gründen (gewissermaßen zwangsweise) unterhalten wird. Die Zweitwohnungsteuer wird unterschiedslos festgesetzt und erhoben.

Die Existenz der doppelten Haushaltsführung ermöglicht dann zwar den Abzug der Steuer als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben. Ein Gutteil der Last bleibt damit indes naturgemäß erhalten.

Das BVerfG hat dem nun einen Riegel vorgeschoben. Die tragenden Gründe seiner Entscheidung sind:

1. Die Zweitwohnungsteuer ist eine (örtliche) Aufwandsteuer i.S.d. Art. 105 Abs. 2a GG. Das sind Steuern auf die Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf, in der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck kommt. Letzteres verwirklicht sich auch durch das "Innehaben" einer Zweitwohnung. Auch das ist ein Zustand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und i.d.R. wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt.

2. Aus Art. 6 Abs. 1 GG ist ein Diskriminierungsverbot und das Verbot der Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Ledigen abzuleiten. Wenngleich der Gesetzgeber Verheiratete steuerlich anders behandeln darf als Ledige, so müssen sich jedoch für eine Differenzierung zulasten Verheirateter aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses oder aus den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben für eine bestimmte Steuerart einleuchtende Sachgründe ergeben.

3. Die Berücksichtigung der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Lage der Ehegatten darf gerade bei der konkreten Maßnahme die Ehe nicht diskriminieren. Zur Ehe als einer auf Dauer angelegten Gemeinschaft gehört, dass diese Entscheidung zur gemeinsamen Wohnung auch bei einer beruflichen Veränderung eines Ehegatten, die mit einem Ortswechsel verbunden ist, aufrechterhalten bleibt. Zu dem von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten ehelichen Zusammenleben zählt auch die Entscheidung der Eheleute, zusammenzuwohnen und die gemeinsame Wohnung selbst bei einer beruflichen Veränderung eines Ehegatten, die mit einem Ortswechsel verbunden ist, zu erhalten.

4. Die Innehabung einer Zweitwohnung ist die notwendige Konsequenz der Entscheidung zu einer gemeinsamen Ehewohnung an einem anderen Ort.

Da nach den einschlägigen melderechtlichen Regelungen zwingend die vorwiegend genutzte Wohnung der Familie zum Hauptwohnsitz bestimmt wird, ist es für Verheiratete ausgeschlossen, die Wohnung am Beschäftigungsort trotz deren vorwiegender Nutzung zum Hauptwohnsitz zu bestimmen und damit der Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer zu entgehen. Steuerlich belastet wird damit die Entscheidung, die gemeinsame eheliche Wohnung nicht aufzulösen und bei Wahrung des Fortbestands der gemeinsamen Wohnung am bisherigen Ort nur ...

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