Kommentar

Seit 1996 sind grundsätzlich auch private Arbeitgeber zur Auszahlung des Kindergelds verpflichtet ( § 73 EStG ). Beschäftigt ein Arbeitgeber auf Dauer nicht mehr als 50 Arbeitnehmer, die eine Lohnsteuerkarte vorzulegen haben, befreit ihn auf Antrag die Familienkasse von der Pflicht zur Auszahlung des Kindergeldes ( § 3 Kindergeldauszahlungs-Verordnung ; Kindergeld ).

In Rechtsprechung und Schrifttum wird die Verfassungsmäßigkeit der entschädigungslosen Inanspruchnahme privater Arbeitgeber zur Auszahlung des Kindergelds unterschiedlich beurteilt. Die bisher bekannt gewordenen Entscheidungen der Finanzgerichte bejahen die Verfassungsmäßigkeit des § 73 EStG (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 17. 3. 1997, 5 K 1429/96, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VI R 43/97; FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 17. 3. 1997, 5 K 1430/96, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VI R 53/97; FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 31. 7. 1997, 1 K 1686/96, EFG 1997 S. 367, rechtskräftig; FG Münster, Urteil v. 26. 3. 1997, 12 K 1926/96 Kg, EFG 1997 S.762, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VI R 58/97).

Demgegenüber werden im Schrifttum Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Vorschrift mit dem Grundgesetz geäußert (z. B. Kanzler, FR 1996 S. 473; Depenheuer, BB 1996 S. 1218; Pelka/Balmes, DStR 1997 S. 1309). Dabei wird insbesondere darauf abgestellt, daß die gegenwärtige Regelung mangels Sachnähe der Arbeitgeber zum Kindergeld ihrer Arbeitnehmer ungeeignet und im übrigen wegen anderer Lösungsmöglichkeiten nicht erforderlich sei. § 73 EStG enthalte eine unzulässige Regelung zur Berufsausübung und erfordere deshalb eine Entschädigung der Arbeitgeber.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 26.05.1998, VI R 58/97

Hinweise:

In dem vorstehend mitgeteilten Beschluß hat der BFH das BMF aufgefordert, zu den in Rechtsprechung und Schrifttum bereits geäußerten Bedenken Stellung zu nehmen. Zusätzlich stellen sich dem BFH insbesondere folgende Fragen: Ist es mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vereinbar, daß sich weit über eine Million der insgesamt 1,8 Millionen privaten Arbeitgeber in Deutschland von der Pflicht zur Auszahlung des Kindergeldes haben befreien lassen? Wurden Untersuchungen über die Belastung der Arbeitgeber durch die Auszahlungspflicht angestellt? Soll die Regelung auf Dauer beibehalten werden?

Ist die zusätzliche Belastung der Arbeitgeber noch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, wenn berücksichtigt wird, daß die Familienkasse die Kindergeldbescheinigung ohnehin auszustellen hat und eine zusätzliche Auszahlung des Kindergeldes durch die Familienkassen keinen erheblichen Verwaltungsaufwand erfordern dürfte.

Ob der BFH letztendlich das Verfahren aussetzen und die Sache wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen § 73 EStG dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung vorlegen wird und wie ein mögliches Verfahren beim BVerfG ausgehen wird, erscheint völlig offen . Im Interesse von weniger Bürokratie und geringerer staatlicher Regulierung wäre es allerdings wünschenswert , wenn die Familienkassen alsbald neben der Ausstellung der Kindergeldbescheinigungen auch die Auszahlung des Kindergeldes übernehmen würden. Dies wäre mit einem vertretbaren Arbeitsaufwand zu bewältigen und würde private Arbeitgeber von Aufgaben entlasten, die mit der Unternehmenstätigkeit überhaupt nichts zu tun haben. Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung bleibt abzuwarten. Dem Gesetzgeber sollte allerdings alsbald die Erkenntnis vermittelt werden, daß die derzeitige Regelung keine Dauerlösung sein kann.

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