Leitsatz

1. Die Verlustausgleichs- und Abzugsbeschränkung für Termingeschäfte nach § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG 1999 ist verfassungsgemäß (Anschluss an BFH-Urteil vom 28. April 2016, IV R 20/13, BFHE 253, 260).

2. Der Tatbestand des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG 1999 setzt keine Spekulationsabsicht des Steuerpflichtigen voraus. Die Verlustausgleichs- und Abzugsbeschränkung entfällt nicht, wenn der für eine GmbH handelnde Mitarbeiter die Geschäfte (hier: Devisentermingeschäfte) auf strafbare Weise (Untreue) ohne Wissen und Wollen der Unternehmensleitung und entgegen einer Konzernrichtlinie initiiert hat.

3. Die Verlustausgleichs- und Abzugsbeschränkung greift u.a. nicht, soweit die Termingeschäfte zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsunternehmen und Finanz­unternehmen gehören (§ 15 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 EStG 1999). Zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb können solche Geschäfte nicht gehören, die das betreffende Unternehmen nach den sich selbst auferlegten Vorgaben nicht betreiben darf und die von einem Mitarbeiter ohne Wissen und Wollen der Geschäftsleitung initiiert worden sind.

4. Der Tatbestand des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG 1999 umfasst nicht solche Termingeschäfte, die auf die "physische" Lieferung des Basiswerts gerichtet sind (entgegen BMF-Schreiben vom 23. September 2005, DB 2005, 2269). Aus wirtschaftlicher Sicht nicht auf "physische" Lieferung, sondern auf Differenzausgleich gerichtet sind jedoch Devisentermingeschäfte auch dann, wenn Eröffnungsgeschäft und Gegengeschäft "brutto" abgewickelt werden. Dies setzt zwar nicht die Nämlichkeit des Vertragspartners voraus; erforderlich ist aber, dass das Gegengeschäft zeitlich vor Fälligkeit des Eröffnungsgeschäfts abgeschlossen worden ist.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 4 Satz 3, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 1999, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG 2002 i.d.F. des UntStRefG 2008, § 1 Abs. 11 KWG 1998, § 1 Abs. 11 Satz 4 Nr. 1 KWG i.d.F. des FMRL-UmsG, § 2 Abs. 2 WpHG 1998, § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG i.d.F. des FMRL-UmsG, Art. 3 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Die klagende GmbH (sie gehört zum A-Konzern) war im Streitjahr (1999) Organträgerin der F GmbH, einem Konzernfinanzierungsunternehmen (sog. Inhouse-Bank, deren Geschäftsbetrieb u.a. den Abschluss von Devisentermingeschäften zur Absicherung von Währungsrisiken bei Warenlieferungen umfasste). Dort betreute Sachbearbeiter S das Fremdwährungsmanagement. Entgegen den internen Konzernrichtlinien, denen zufolge Devisengeschäfte ausschließlich zur Kurssicherung der Fremdwährungszahlungsströme aus dem operativen Handelsgeschäft abgeschlossen werden durften, tätigte S seit 1998 in erheblichem Umfang Devisentermingeschäfte, die ausschließlich spekulativen Charakter aufwiesen, um zugunsten der F GmbH möglichst hohe Erträge im Devisenbereich zu erzielen. Die nicht autorisierten Geschäfte sind in der Regel in der Weise durchgeführt worden, dass S im Namen der F GmbH zu einem in der Zukunft liegenden Stichtag für einen bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses festgelegten Fixwert Devisen an eine Geschäftsbank veräußerte bzw. von dieser erwarb, die hierfür zum Ausgleich erforderlichen Devisen jedoch erst zu einem in der Zukunft liegenden Marktwert (= amtlicher Devisenkurs) erwarb bzw. veräußerte. Im Regelfall stand mithin jedem Devisentermingeschäft ein zu einem anderen Zeitpunkt abgeschlossenes, gegenläufiges Devisengeschäft gegenüber. Zur Verschleierung seiner nicht autorisierten Geschäfte eröffnete S Währungs-Unterkonten auf den Namen einer Schweizer Schwestergesellschaft der F GmbH, die an den Währungs-Cash-Pool des A Konzerns nicht angeschlossen waren und daher nicht der internen Prüfung durch die lokale Innenrevision unterlagen. Der durch jene Geschäfte ausgelöste Währungsverlust bezog sich zum Teil auch auf solche Währungsgeschäfte (dort bezeichnet als "Typ D"), denen keine Gegengeschäfte zugeordnet werden konnten. S wurde aufgrund der Spekulationsgeschäfte wegen Untreue strafrechtlich verurteilt.

Das FA vertrat die Auffassung, die Verluste aus den Termingeschäften unterlägen der Restriktion des § 15 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 1 EStG 1999 und seien deshalb zur Ermittlung des der Klägerin aufgrund der Organschaft zuzurechnenden Einkommens dem Gewinn der F GmbH außerbilanziell hinzuzurechnen. Die deswegen erhobene Klage hatte Erfolg (FG Nürnberg, Urteil vom 10.12.2013, 1 K 1333/10, Haufe-Index 6758281, EFG 2014, 1203).

 

Entscheidung

Der BFH ist dem FG nicht darin gefolgt, das Eingreifen der Verlustausgleichs- und Abzugsbeschränkung sei schon wegen fehlenden Zurechnungszusammenhangs ausgeschlossen. Da allerdings noch weitere tatrichterliche Feststellungen zu den Devisentermingeschäften notwendig waren, hat der BFH das FG-Urteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen.

 

Hinweis

1. Zunächst zum Verfahren: Vor Inkrafttreten des § 14 Abs. 5 KStG 2002 n.F. (nach dem 31.12.2013 beginnende Feststellungszeiträume, § 34 Abs. 9 Nr. 9 KStG 2002 n.F.) sind Einwendungen gegen die Höhe des dem Organträger gemä...

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