1 Ausweis

Für Verbindlichkeiten sieht IAS 1.54 mindestens den gesonderten Ausweis folgender Posten in der Bilanz selbst vor:

  • Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und sonstige Verbindlichkeiten,
  • (sonstige) finanzielle Verbindlichkeiten,
  • Ertragsteuerschulden (current taxes).

Zusätzliche Posten sind auszuweisen, wenn sie notwendig sind, um die Vermögens- und Finanzlage des Unternehmens den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend darzustellen (IAS 1.55). Diese Formulierung lässt viele Spielräume offen und führt zu einer uneinheitlichen Bilanzierungspraxis:

  • Einige Unternehmen führen unter langfristigen Schulden neben langfristigen Rückstellungen langfristige Finanzverbindlichkeiten, latente Steuern und übrige langfristige Verbindlichkeiten auf, unter kurzfristigen Schulden neben kurzfristigen Rückstellungen kurzfristige Finanzschulden, Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, übrige kurzfristige Verbindlichkeiten und Steuern.
  • Andere schlüsseln die lang- und kurzfristigen Schulden (mit Ausnahme des gesonderten Ausweises latenter Steuern) auf Bilanzebene selbst kaum auf und verlagern alle Angaben in den Anhang.
 

Tipp

Der Gliederungsvorschlag unter "Gliederung der Bilanz" sorgt auf Bilanzebene für eine angemessene Transparenz. Die höher aggregierte Lösung führt nicht wirklich zu einem geringeren Aufstellungsaufwand, da ohnehin für den Anhang Aufgliederungen nach Arten und Fristigkeiten gefordert sind.

Zu beachten ist auf jeden Fall die Hauptgliederung der (Aktiv- und) Passivseite nach Fristigkeit (IAS 1.60). Aus ihr folgt auch, dass eine Verbindlichkeit ggf. auf beide Hauptpositionen aufzuteilen ist, wenn nämlich Teile in zwölf Monaten, andere Teile erst längerfristig fällig sind.

2 Bewertung

2.1 Zugangsbewertung

Bei der erstmaligen Erfassung einer finanziellen Verbindlichkeit (im Gegensatz zur Sachleistungsverbindlichkeit und zur Verbindlichkeit aus Steuern) ist diese gemäß IFRS 9.5.1.1 nominell mit dem fair value, faktisch gemäß IFRS 9.B5.1.1 in der Regel mit den Anschaffungskosten (Vereinnahmungsbetrag bzw. consideration received) anzusetzen. Die Anschaffungskosten errechnen sich aus dem beizulegenden Zeitwert der erhaltenen Gegenleistungen unter Abzug von Emissionskosten. Da anders als in § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB nicht auf den Erfüllungsbetrag, sondern auf den Vereinnahmungsbetrag abzustellen ist, kommt es bei Vereinbarung eines Disagios zu vom Handelsrecht abweichenden Wertansätzen.

 

Beispiel

Die Penny AG erhält am 31.12.00 ein Darlehen von 100 Mio. EUR zu folgenden Konditionen ausgezahlt:

  • Disagio 10 %,
  • Zins (jährlich nachschüssig) 4,98 %,
  • Rückzahlung 31.12.04.

Der Effektivzins beträgt 8 %. Der Vorstand möchte angesichts der Begehrlichkeit der Aktionäre einen möglichst niedrigen Jahresüberschuss ausweisen.

In der Handelsbilanz zum 31.12.00 ist das Darlehen mit dem Rückzahlungsbetrag von 100 Mio. EUR auszuweisen. Das Disagio in Höhe von 10 Mio. EUR muss nicht als Rechnungsabgrenzungsposten aktiviert werden. Die sofortige Aufwandsverrechnung ist zulässig.

Im IFRS-Abschluss ist die Verbindlichkeit mit ihren Anschaffungskosten anzusetzen. Sie ergeben sich aus dem vereinnahmten Betrag von 90 Mio. EUR.

2.2 Folgebewertung

2.2.1 Fortgeführte Anschaffungskosten

Zu den Folgestichtagen sind finanzielle Verbindlichkeiten gemäß IFRS 9.5.3.1 i. V. m. IFRS 9.4.2.1 in der Regel mit den fortgeführten (amortisierten) Anschaffungskosten zu bewerten. Die wichtigste Ausnahme betrifft Verbindlichkeiten aus derivativen Finanzinstrumenten; sie sind mit ihrem Zeitwert zu erfassen.

In dem Ausnahmefall gelten die Regelungen für aktive Finanzderivate analog und inklusive der besonderen Vorschriften für die Bilanzierung bei Sicherungsgeschäften.

In den praktisch dominierenden Fällen bleibt es bei der Bilanzierung zu fortgeführten (amortisierten) Anschaffungskosten. Diese ergeben sich bei verzinslichen Schulden aus der Anwendung der Effektivzinsmethode.

 

Beispiel

Die Penny AG erhält am 31.12.00 ein Darlehen von 100 Mio. EUR zu folgenden Konditionen ausgezahlt:

  • Disagio 10 %,
  • Zins (jährlich nachschüssig) 4,98 %,
  • Rückzahlung 31.12.04.

Der Effektivzins beträgt 8 %. Bei Anschaffungskosten von 90 Mio. EUR ergeben sich die fortgeführten Anschaffungskosten wie folgt:

 
  00 01 02 03 04
1.1.   90,00 92,22 94,62 97,21
Effektivverzinsung 8 %   7,20 7,38 7,57 7,77
Zinszahlung   –4,98 –4,98 –4,98 –4,98
31.12. 90,00 92,22 94,62 97,21 100,00

Seit 2005 erlaubte IAS 39, finanzielle Verbindlichkeiten wahlweise der erfolgswirksamen fair-value-Bewertung zu unterwerfen.

Ein Hauptnachteil dieser sog. fair value option soll an einem Beispiel verdeutlicht werden.

 

Beispiel

Unternehmen U rechnete nach internen Planungen kurz- bis mittelfristig mit einer Verschlechterung seiner Bonität. Es gelang ihm, einen größeren Finanzierungsbedarf noch durch Platzierung einer Festzins-Anleihe zu Konditionen erster Bonität zu decken. Die Verbindlichkeit aus der Anleihe wurde nach IAS 39 als Handelsverbindlichkeit gewillkürt.

Einige Zeit nach der Anleihenplatzierung verschlechterte sich die Bonität von U. Neue Fremdmittel hätten nur mit einem erheblich höheren Zinssatz auf...

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