Zusammenfassung

 
Überblick

Bei Arbeitnehmern sind bei der Veranlagung 2 Fallgruppen zu unterscheiden: Für bestimmte Fälle schreibt das Gesetz die Veranlagung, d. h. die Festsetzung der Jahressteuer durch formellen Bescheid, zwingend vor (Veranlagung von Amts wegen – Pflichtveranlagung), in anderen Fällen wird das Finanzamt nur auf Antrag tätig (Veranlagung auf Antrag – Antragsveranlagung). Eine Veranlagung von Amts wegen ist nur durchzuführen, wenn einer der im Gesetz abschließend aufgezählten sog. "Veranlagungstatbestände" erfüllt ist. Einen Antrag auf Veranlagung kann der Arbeitnehmer in jedem Fall stellen. Dafür müssen keine besonderen Voraussetzungen erfüllt sein.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Sowohl die Fälle der Veranlagung von Amts wegen als auch die Veranlagung auf Antrag sind für Arbeitnehmer abschließend in den §§ 46 EStG, 70 EStDV geregelt. Weitere Erläuterungen enthalten die hierzu ergangenen Verwaltungsanweisungen R 46.1 und 46.2 EStR sowie H 46.2 und 46.3 EStH.

1 Tatbestandsmerkmale

Die Rechtsnorm des § 46 Abs. 2 EStG greift nur bei Vorliegen folgender Tatbestandsmerkmale:

  • Es liegen Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit (Arbeitslohn) vor und
  • es muss ein Lohnsteuerabzug vorgenommen worden sein.[1]
 
Wichtig

Aktuelle Rechtsprechung des BFH zur Pflichtveranlagung bei Arbeitnehmern

Der BFH[2] hat klargestellt, dass die Veranlagung vorbehaltlich der Veranlagungstatbestände des § 46 Abs. 2 Nr. 1-8 EStG gem. § 46 Abs. 2 1. Halbsatz EStG nur dann ausgeschlossen ist, wenn von den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit tatsächlich ein inländischer Lohnsteuerabzug vorgenommen worden ist.

 
Praxis-Beispiel

Abgabeverpflichtung bei Arbeitslohn ohne Lohnsteuereinbehalt

Die Ehegatten A und B haben die Steuerklassenkombination III und V gewählt. Ehegatte A hatte das gesamte Kalenderjahr durchgehend Arbeitslohn auf Steuerklasse III bezogen. Aufgrund der Höhe des Jahresbruttogehalts von 22.000 EUR wurde keine Lohnsteuer unterjährig einbehalten. Die Ehefrau war das gesamte Jahr im Krankengeldbezug und erhielt Krankengeldzahlungen der gesetzlichen Krankenkasse i. H. v. 20.000 EUR.

Generell könnte eine Pflichtveranlagung verneint werden mit der Begründung des § 46 Abs. 2 Satz 1 EStG und dem fehlenden Steuerabzug vom Arbeitslohn beim Ehemann. Der BFH hat aber mit seinem Beschluss klargestellt, dass die Tarifvorschriften des § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG nach dem Gesetzeswortlaut nur vorbehaltlich des § 32b EStG anzuwenden sind. Das bedeutet, dass der Progressionsvorbehalt des § 32b EStG dem § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG im Range vorgeht.

Die Ehegatten A und B müssen somit eine Einkommensteuererklärung einreichen.

2 Nebeneinkünfte

Die Veranlagung wegen positiver Nebeneinkünfte ist der für die Praxis wichtigste Fall.[1] Zu den Nebeneinkünften in diesem Sinne gehören alle positiven, einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterliegen, z. B. ­Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Norm beinhaltet jedoch auch Einkünfte aus einer Arbeitnehmertätigkeit, wenn diese Einkünfte nicht dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen waren, z. B. ausländische Arbeitseinkünfte aus einer Grenzgängertätigkeit.[2] Als Nebeneinkünfte i. S. d. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG gelten auch steuerfreie Einkünfte und Leistungen, die dem Progressionsvorbehalt[3] unterliegen (z. B. Kurzarbeitergeld, Krankengeld, Elterngeld).

Wegen positiver Nebeneinkünfte verlangt das Gesetz eine Veranlagung, wenn sie insgesamt die Grenze von 410 EUR jährlich übersteigen. Für die Anwendung der 410-EUR-Grenze können die Nebeneinkünfte gekürzt werden. Entlastet wird, wer vor Beginn des Kalenderjahres sein 64. Lebensjahr vollendet hat. Der Prozentsatz und der Höchstbetrag des Altersentlastungsbetrags werden Jahr um Jahr verringert, und zwar – für die gesamte Lebensdauer – abhängig davon, in welchem Kalenderjahr der Steuerpflichtige sein 64. Lebensjahr vollendet hat.

 
Wichtig

Ermittlung der Einkünfte

Anzusetzen sind die Einkünfte, nicht die Bruttoein­nahmen, z. B. bei Renteneinnahmen nur der steuerpflichtige Teil. Werbungskosten werden abgezogen, auch der Werbungskosten-Pauschbetrag und der Sparer-Pauschbetrag, falls Einnahmen aus Kapitalvermögen in die Veranlagung einzubeziehen sind. Soweit die Abgeltungsteuer greift, werden diese Kapitaleinkünfte nicht als Nebeneinkünfte angesetzt.

Im Rahmen der Nebeneinkünfte sind positive und negative Einkünfte miteinander zu verrechnen. Für die 410-EUR-Grenze ist von dem verbleibenden – positiven – Saldo auszugehen.

Bei zusammenveranlagten Ehegatten bzw. Lebenspartnern werden für die 410-EUR-Grenze die Nebeneinkünfte beider Partner zusammengerechnet. Die Freigrenze verdoppelt sich jedoch nicht. In Sonderfällen ist deshalb wegen des Härteausgleichs ein Antrag auf Ehegatten-Einzelveranlagung zu empfehlen.

 
Praxis-Beispiel

Bezug von Krankengeld

Ein verheirateter Arbeitnehmer mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, hat im VZ 2023...

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