BMF, 24.8.1994, IV B 2 - S 2244 - 41/94

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 4.11.1992, X R 33/90 (BStBl 1993 II S. 292) unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung entschieden, daß ein Verlust nach § 17 EStG zu berücksichtigen ist, wenn eine wesentliche Beteiligung innerhalb von sechs Monaten nach Anschaffung mit Verlust veräußert wird. In diesem Falle habe § 17 EStG Vorrang vor § 23 EStG. Der VIII. Senat des BFH, bei dem ein weiteres Revisionsverfahren zu derselben Rechtsfrage anhängig war, hat sich mit Urteil vom 14.9.1993, VIII R 42/92 (BStBl 1994 II S. 683) der Rechtsprechung des X. Senats angeschlossen.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder nehme ich zur Anwendung der o.g. BFH-Urteile wie folgt Stellung:

 

1. Veranlagungszeiträume vor 1994

 

a) Unbeschränkte Steuerpflicht

Wird eine wesentliche Beteiligung i.S. des § 17 Abs. 1 EStG innerhalb der Spekulationsfrist nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG veräußert, geht § 17 EStG dem § 23 EStG vor (BFH-Urteile vom 4.11.1992, BStBl 1993 II S. 292 und vom 14.9.1993, BStBl 1994 II S. 683). Damit kommen die Freigrenze des § 23 Abs. 4 Satz 2 EStG und das Verlustausgleichs- und -abzugsverbot des § 23 Abs. 4 Satz 3 nicht zur Anwendung.

Das BMF-Schreiben vom 15.4.1993 (BStBl 1993 I S. 300), nach dem die Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils vom 4.11.1992 (a.a.O.) nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden sind, wird aufgehoben. Die neue Rechtsprechung des BFH ist für Veräußerungsgewinne bis einschließlich Veranlagungszeitraum 1993 zu beachten.

Verluste aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung i.S. des § 17 EStG können allerdings nur berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige seine Beteiligung mit Gewinnerzielungsabsicht erworben hatte. Die Gewinnerzielungsabsicht kann insbesondere dann fehlen, wenn die Veräußerung noch vor dem Erwerb vereinbart wird oder Erwerb und Veräußerung am selben Tag oder sonst kurz hintereinander folgen.

 

b) Beschränkte Steuerpflicht

Bei der Anwendung des § 49 EStG stellt sich bis einschließlich Veranlagungszeitraum 1993 die Vorrangfrage nicht, da nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG nur Veräußerungen von wesentlichen Beteiligungen i.S. des § 17 Abs. 1 EStG der beschränkten Steuerpflicht unterliegen (BFH-Urteil vom 13.12.1989, BStBl 1990 II S. 1056).

 

2. Veranlagungszeiträume ab 1994

 

a) Unbeschränkte Steuerpflicht

Mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1994 an gilt die Regelung des § 23 Abs. 3 S. 2 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (StMBG, BStBl 1994 I S. 50 ff.), wonach § 23 EStG gegenüber § 17 EStG Vorrang hat (vgl. Art. 1 Nr. 17 Buchst. c i.V.m. Art. 1 Nr. 48 StMBG).

Die Freigrenze des § 23 Abs. 4 Satz 2 EStG und das Verlustausgleichs- und -abzugsverbot des § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG sind danach auch anzuwenden, wenn eine wesentliche Beteiligung i.S. des § 17 Abs. 1 EStG innerhalb der Spekulationsfrist nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG veräußert wird.

 

b) Beschränkte Steuerpflicht

Ab dem Veranlagungszeitraum 1994 ist zusätzlich § 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG i.d.F. des StMBG anzuwenden. Danach unterliegt die Veräußerung von Beteiligungen i.S. des § 17 Abs. 1 EStG innerhalb der Spekulationsfrist der Besteuerung nach § 23 EStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG, da insoweit nach § 23 Abs. 3 Satz 2 EStG der Vorrang des § 23 EStG gegenüber § 17 EStG zu beachten ist.

 

Normenkette

EStG § 17

EStG § 23

 

Fundstellen

BStBl I, 1994 , 711

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