Leitsatz

Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist ein von einem Privatlehrer erteilter Schul- und Hochschulunterricht nur dann nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. EG-RL von der Steuer zu befreien, wenn der Privatlehrer seine Unterrichtsleistung direkt an die Schüler/Hochschüler als Leistungsempfänger erbringt – also von diesen bezahlt wird –, oder reicht es aus, dass der Privatlehrer seine Unterrichtsleistung an eine Schule oder Hochschule als Leistungsempfänger erbringt?

 

Normenkette

§ 2 Abs. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 4 Nr. 21, § 4 Nr. 22 UStG, Art. 4 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2, Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1, Art. 13 Teil a Abs. 1 Buchst. i, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Der Kläger erteilte als sog. "freier Mitarbeiter" u.a. "Schularbeitshilfe" an einer Volkshochschule und in einem "Elternzentrum" Keramik- und Töpferkurse. FA und FG beurteilten die Tätigkeit unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse (Honorare nach Stunden errechnet; keine Sozialversicherungsbeiträge, Versicherungen und Steuern einbehalten, kein Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall sowie bei sonstiger Verhinderung oder Ausfallen der Kurse mangels Teilnehmer) als selbstständig.

FA und FG teilten nicht die Auffassung des Klägers, seine Leistungen als Privatlehrer seien jedenfalls nach der 6. EG-RL steuerfrei.

 

Entscheidung

Der BFH hielt wegen der eingangs erläuterten Zweifelsfrage die Entscheidung des EuGH für erforderlich.

Er ging bei der Entscheidung davon aus, dass der Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" i.S.d. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. EG-RL auch Unterrichtsleistungen erfasst, die üblicherweise von Volkshochschulen angeboten werden.

Die Befreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG kam nicht in Betracht, denn diese gilt nach ständiger Rechtsprechung ausschließlich für die im Gesetz genannten Unternehmer.

 

Hinweis

Obwohl die 6. EG-RL schon Jahrzehnte existiert, sind die Befreiungsvorschriften vielfach noch umsatzsteuerrechtliche Vorzeit und – zu beachten! – oft günstiger für den Steuerpflichtigen.

Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.

Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. EG-RL befreien die Mitgliedstaaten den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht von der Steuer.

§ 4 Nr. 21 UStG in der im Streitjahr 1990 geltenden Fassung befreite nur die Träger privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, nicht aber freie Mitarbeiter, die an diesen Schulen oder ähnlichen Bildungseinrichtungen Unterricht erteilen. Inzwischen – seit 1999 – befreit § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG auch die unmittelbar dem Schul- oder Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbstständiger Lehrer. Für die Zeit vorher kann aber – je nach der Entscheidung des EuGH über die Vorlagefrage und je nach Sachverhalt – der Steuerpflichtige sich auf die ihm günstigere Richtlinienregelung berufen.

Nicht eindeutig ist allerdings, ob die Befreiung in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. EG-RL nur die gegenüber den Schülern/Hochschülern erbrachten Leistungen meint oder auch die, die an die Hochschule/Schule erbrachten Leistungen. Frankreich befreit z.B. nur die Leistungen, die direkt gegenüber den Schülern/Hochschülern als Leistungsempfänger erbracht werden, und der Conseil d"Etat – vergleichbar mit dem BFH – hält dies für eine zutreffende Auslegung der RL. Dagegen spricht, dass der EuGH in der Entscheidung vom 20.6.2002, Rs. C-287/00, Kommission/Bundesrepublik Deutschland, (UR 2002, 316) zu Buchst. i eine nicht enge Auslegung befürwortet hat, da die Befreiung dieser Dienstleistungen gewährleisten solle, dass der Zugang zum Hochschulunterricht nicht durch die höheren Kosten versperrt werde, die entstünden, wenn dieser selbst oder die eng mit ihm verbundenen Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterworfen wären.

Die Auslegung der RL ist Sache des EuGH. Die Entscheidung des EuGH wird auch die Auslegung des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG betreffen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 20.10.2005, V R 75/03

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