Leitsatz

Die Steuersatzermäßigung für Jugendherbergen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Sätze 1 und 2 UStG i.V.m. §§ 64, 68 Nr. 1 Buchst. b AO gilt nicht für Leistungen an allein reisende Erwachsene.

 

Normenkette

§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Sätze 1 und 2 UStG, § 64, § 68 Nr. 1 Buchst. b AO, Art. 98 Anh. III Nr. 15 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Der Kläger ist ein als gemeinnützig anerkannter Verein. Nach seiner Satzung "baut, unterhält und bewirtschaftet [er] Jugendherbergen und andere jugendgemäße Unterkünfte, die allen Mitgliedern des Deutschen Jugendherbergswerkes und der International Youth Hostel Federation (IYHF) unabhängig von ihrer Nationalität, Rasse, Religion oder Weltanschauung offen stehen".

Im Streitjahr 2008 erbrachte der Kläger unstreitig satzungsgemäß steuerfreie Leistungen nach § 4 Nr. 24 UStG an Jugendgruppen und Schulklassen. Daneben erbrachte er auch Beherbergungsleistungen an erwachsene Einzelreisende im Alter von über 27 Jahren. Die Anzahl der Gesamtübernachtungen betrug im Streitjahr 456.744, von denen auf allein reisende Erwachsene 24.165 Übernachtungen entfielen. Der Anteil der Übernachtungen allein reisender Erwachsener betrug somit 5,3 % der Gesamtübernachtungen. Der Kläger bot den allein reisenden erwachsenen Gästen nur die Leistungen an, die auch von den übrigen Gästen wie Jugendgruppen, Schulklassen und Familien in Anspruch genommen werden konnten. Allerdings erhob der Kläger für Übernachtungen bei allein reisenden Erwachsenen einen Zuschlag von 3 EUR pro Nacht. Auch für zusätzlich angebotene Leistungen wie Hobbyprogramme, Wanderungen oder Radwanderungen hatten allein reisende Erwachsene für gleiche Leistungen höhere Preise zu zahlen als die anderen Gäste. Der Kläger versteuerte die Umsätze aus der Beherbergung von allein reisenden Erwachsenen nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG zum ermäßigten Steuersatz. Demgegenüber ging das Finanzamt von der Anwendung des Regelsteuersatzes aus. Das Finanzgericht (Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.10.2015, 5 K 97/14, Haufe-Index 8801617) gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil des Finanzgerichts auf und wies die Klage ab, da sich die Zweckbetriebseigenschaft nicht auf die Beherbergung allein reisender Erwachsener erstreckt.

 

Hinweis

1.§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG ordnet eine Steuersatzermäßigung für die Leistungen der nach §§ 51 ff. AO steuerbegünstigten Körperschaften an. Diese gilt gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG i.V.m. § 64 Abs. 1 AO für die Leistungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nur, wenn es sich bei diesem um einen Zweckbetrieb handelt. Unabhängig von den Bedingungen der allgemeinen Zweckbetriebsdefinition in § 65 AO gehören auch Jugendherbergen zu den Zweckbetrieben gemäß § 68 Nr. 1 Buchst. b AO.

2. Unionsrechtlich sind die ermäßigten Steuersätze "nur" auf die Lieferungen und Dienstleistungen der im Anhang III genannten Kategorien anwendbar (Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL). Dabei haben die Mitgliedstaaten nach Anhang III Nr. 15 MwStSystRL die Befugnis, für die steuerpflichtigen Leistungen der von den Mitgliedstaaten anerkannten gemeinnützigen Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden.

3. Unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben erstreckt sich die Steuersatzermäßigung für Jugendherbergen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Sätze 1 und 2 UStG i.V.m. §§ 64, 68 Nr. 1 Buchst. b AO nicht auf die Leistungen an allein reisende Erwachsene.

Während die Leistungen an Jugendliche i.S.v. § 4 Nr. 23 Satz 2 UStG und ihre Begleitpersonen als der sozialen Sicherheit dienend anzusehen sind, trifft dies auf allein reisende Erwachsene nicht zu. Leistungen an diesen Personenkreis werden in einem selbstständigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erbracht, der nicht Zweckbetrieb ist und dessen Umsätze der Besteuerung nach dem Regelsteuersatz unterliegen.

Aufgrund der Einzelbetrachtung der Beherbergungsumsätze führt die Beherbergung allein reisender Erwachsener nicht zum Wegfall der Zweckbetriebseigenschaft nach § 68 Nr. 1 Buchst. b AO bei der Beherbergung Jugendlicher und ihrer Begleitpersonen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.8.2016 – V R 11/15

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