Sachverhalt

Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob Tabaksteuern und Umsatzsteuern auf Tabakwaren, die mittels Kauf von Steuerbanderolen entrichtet werden, vom Fiskus zurück erstattet werden müssen, wenn die Banderolen vor Anbringung auf den Tabakwaren verschwunden sind und der Unternehmer diese Banderolen weder verwendet hat noch jemals verwenden könnte.

Die Umsatzbesteuerung von Tabakwaren vollzieht sich in den Niederlanden in Form einer Sonderregelung, die sich auf Artikel 27 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie stützt. Nach der Vorschrift können die Mitgliedstaaten Sondermaßnahmen zur Vereinfachung der Steuererhebung oder zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, die sie am 1. Januar 1977 angewandt haben, aufrechterhalten. Diese Sonderregelungen mussten der EU-Kommission vor dem 1. Januar 1978 mitgeteilt werden.

Die Umsatzsteuer auf Tabakwaren wird in den Niederlanden im Prinzip wie die Tabaksteuer erhoben. Der Unternehmer berechnet die Umsatzsteuer vom für die Verbrauchsteuer geltenden Einzelhandelspreis und muss sie ohne weitere Abzüge entrichten. Die Steuer entsteht nur auf einer Handelsstufe, nämlich wenn die Waren das Steuerlager verlassen. Die Umsatzsteuer ist (wie die Tabaksteuer) durch den Erwerb von Steuerbanderolen zu entrichten, die auf den Tabakwaren angebracht werden. Die Niederlande hatten der EU-Kommission erst am 12. Juni 1979 mitgeteilt, dass sie diese Sonderform der Umsatzbesteuerung der Tabakwaren fortführen wollten. Diese Mitteilung war ungeachtet dessen verspätet abgegeben worden, dass den Niederlanden mit der 9. EG-Richtlinie gestattet worden war, die 6. EG-Richtlinie erst zum 1.1.1979 in nationales Recht umzusetzen.

Im Streitfall waren von dem Unternehmer erworbene Steuerbanderolen vor Anbringen auf den Tabakwaren ohne Verschulden des Unternehmers abhanden gekommen. Die Finanzbehörde lehnte eine Rückerstattung der Verbrauchsteuer und der Umsatzsteuer ab. Das Vorlagegericht fragte den EuGH, ob die Verbrauchsteuerrichtlinie 92/12/EWG die Mitgliedstaaten in diesem Fall zu einer Erstattung der entrichteten Verbrauchsteuer verpflichtet. Bezüglich der Umsatzsteuer fragte das Gericht, ob sich ein Erstattungsanspruch bereits daraus ergeben könne, dass die Sondermaßnahme nach Artikel 27 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie der Kommission verspätet mitgeteilt worden war bzw. ob die Sonderregelung über die Umsatzbesteuerung mit Artikel 27 der 6. EG-Richtlinie oder die Ablehnung der Erstattung mit der 6. EG-Richtlinie vereinbar ist.

 

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, weder die Richtlinie 92/12/EWG noch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hindern die Mitgliedstaaten, die Rückerstattung von Verbrauchsteuern zu verweigern, wenn Verbrauchsteuerzeichen vor ihrer Anbringung auf den Tabakerzeugnissen verschwunden sind. Voraussetzung hierfür ist, dass das Verschwinden nicht auf höhere Gewalt oder Unfall zurückzuführen ist und nicht nachgewiesen ist, dass die Steuerzeichen vernichtet oder endgültig unbrauchbar gemacht worden sind. Der EuGH lässt es unter diesen Umständen zu, dass das finanzielle Risiko des Verlustes von Steuerzeichen dem Erwerber zugewiesen wird. Dies entspricht dem Vorbringen der Bundesregierung in dem Verfahren.

Hinsichtlich der Umsatzsteuer hat der EuGH entschieden, dass die verspätete Mitteilung der Sondermaßnahme keinen wesentlichen Verfahrensverstoß darstellt, der zur Unanwendbarkeit der Maßnahme führen kann. Die besondere Steuererhebung auf Tabakwaren in den Niederlanden ist auch mit Artikel 27 der 6. EG-Richtlinie vereinbar. Es handelt sich um eine Vereinfachungsmaßnahme, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Es ist - so das weitere Urteil - auch mit der 6. EG-Richtlinie nicht unvereinbar, wenn keine Regelung getroffen wurde, die eine Rückerstattung der Umsatzsteuer unter den vom EuGH für die Ablehnung der Rückerstattung von Verbrauchsteuern geforderten Kriterien vorsieht.

 

Hinweis

Hinsichtlich der Umsatzsteuer hat das Urteil für das deutsche Recht keine unmittelbare Bedeutung. Deutschland wendet hier keine mit dem niederländischen Recht vergleichbare Sonderregelung an. Hinsichtlich der Verbrauchsteuer entspricht das Urteil der deutschen Rechtsauffassung, wonach der Verbrauchsteuerrichtlinie eine Verpflichtung zur Erstattung einer Steuerzeichenschuld nicht zu entnehmen ist. Nach der Richtlinie sind Erstattungen nur für Verbrauchsteuerschulden vorgesehen.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 15.06.2006, C-494/04

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